Am 8. März ist Weltfrauentag. Vielerorts gehen Männer und Frauen für Gleichberechtigung auf die Straße. Zu Recht wird dieser Tag auch Frauenkampftag genannt, denn Frauen mussten schon immer für ihre Rechte kämpfen: Im Jahr 1918 wurde das Wahlrecht Frauen in Deutschland nicht aus Großzügigkeit geschenkt, und dass Ehemänner seit 1997 ihre Ehefrauen nicht mehr legal vergewaltigen dürfen, ist auch kein Zufall. Hinter all diesen Erfolgen steht wahnsinnig viel Kraft, Arbeit und Mut – hinter all diesen Erfolgen steht Aktivismus. Menschen, die sich nicht mit dem Status Quo zufrieden geben wollten.

Genau solche Menschen brauchen wir. Denn wir leben in einer Zeit, in der Rechtspopulist*innen an unseren demokratischen Strukturen kratzen. Besonders Frauenrechte sind wieder verstärkt zum politischen Spielball geworden. Aber 

Bewegungen wie der Women's March in den USA zeigen uns, dass wir viel erreichen können, wenn wir aktiv werden. Seid ihr auch frustriert von der politischen Situation und haben euch die letzten Monate aufhorchen lassen? Dann handelt, seid unbequem und tretet für Menschenrechte ein – ich gebe euch ein paar Tipps, wie.

1. Lernt, nicht von allen gemocht werden zu wollen

Lasst von dem natürlichen Streben, von allen gemocht werden zu wollen, ab. Wenn ihr euch für eine Gesellschaft engagieren möchtet, in der beispielsweise Frauen ebenso respektiert werden wie Männer, dann werdet ihr an sehr festen Strukturen rütteln müssen. Diese Strukturen bestehen seit Jahrhunderten, werden durch unser tägliches Handeln gefestigt und sehr viele Menschen profitieren von ihnen.

Eine Gesellschaft wächst an denen, die sie infrage stellen.

Eben diejenigen, die das Privileg haben, frei von Diskriminierung zu leben. Eure Kritik an diesen Strukturen kann bei Menschen eine aggressive Abwehrhaltung hervorrufen, wenn sie sich angegriffen fühlen. Ihr werdet euch also nicht nur Freund*innen machen. Aber genauso funktioniert Aktivismus. Denn eine Gesellschaft wächst an denen, die sie infrage stellen.

2. Traut euch, den ersten Schritt zu tun

Freund*innen mit starken politischen Meinungen sagen mir, dass sie sich nicht trauen, ihre Meinung öffentlich – beispielsweise in Form eines Artikels – kundzutun. Sie haben Angst vor negativen Reaktionen.

Das trifft vor allem auf Frauen zu

. Journalistinnen und Aktivistinnen, die ihre Meinung aufschreiben, werden regelmäßig Opfer von Hass.

 

Ich erlebte diesen Hass zum ersten Mal, als ich die Kampagne

StopBildSexism

gegen Sexismus in der BILD-Zeitung ins Leben rief. Der damalige Chefredakteur Kai Diekmann verhöhnte mich auf Twitter vor seinen Zehntausenden Follower*innen. Daraufhin füllten sich meine Posteingänge mit Beschimpfungen und Drohungen. Doch auch beim Aktivismus gilt: The First Cut is the Deepest, beim ersten Mal tut es am meisten weh.

Diese Beschimpfungen brachten mich damals zum Weinen und Schweigen, ihr Plan ging also auf. Heute habe ich ein dickeres Fell. Mir hätte damals geholfen, auf diesen Hass vorbereitet zu sein. Es wäre gut gewesen, zu wissen, dass man es durchstehen kann und dass es nichts mit mir persönlich zu tun hat, sondern nur damit, dass ich mich gegen Sexismus engagiere – und zwar als Frau.

3. Leidenschaft ist alles

Das mag etwas kitschig klingen, es ist aber wahr. Wenn ihr für ein Thema brennt, dann wird es euch nachts wachhalten. Ihr werdet alle Informationen dazu verschlingen und es wird euch nicht wie Arbeit erscheinen.

4. Konzentriert euch darauf, was euch mit anderen Aktivist*innen verbindet, nicht, was euch unterscheidet

Bei allen politischen Bewegungen wird man auf Meinungsverschiedenheiten stoßen. Und das ist in Ordnung. Denn es gibt unterschiedliche Wege, ein gemeinsames Ziel zu erreichen. Im Feminismus wäre die Prostitutionsdebatte ein Beispiel. Aktivist*innen auf beiden Seiten wollen Frauen schützen. Das ist das gemeinsame Ziel, obwohl die Positionen - für oder gegen Prostitution beziehungsweise Sexarbeit - sehr unterschiedlich sind. Versucht daher stets zu identifizieren, was die Position und was das höhere Ziel ist. Konzentriert euch auf das, was euch verbindet – nur so seid ihr stark.

5. Arbeitet zusammen

Viele Leute brennen darauf, etwas zu tun. Vielleicht ein Blog zum Herzensthema starten? Tolle Idee. Ich glaube, es ist effektiver, wenn nicht jede*r selbst etwas Kleines aufzieht, sondern wenn man Kräfte bündelt. Nach den sexuellen Übergriffen in Köln in der Silvesternacht 2015/16 beispielsweise äußerten sich viele einzelne Feminist*innen, die diese Taten sowie den aufkommenden Rassismus verurteilten. Das ist sehr wichtig. Am effektivsten waren sie jedoch, als sie sich zum Bündnis

"Gegen sexualisierte Gewalt und Rassismus. Immer. Überall. #Ausnahmslos.

" zusammenschlossen.

6. Kennt eure Zielgruppe

Wenn ihr Wirkung erzielen wollt, seid euch darüber bewusst, wer eure Zielgruppe ist, wo und wie sie abgeholt wird und wo ihr selbst hin möchtet.

Wenn ihr wollt, dass schon heute schädliche Strukturen aufgebrochen werden und Durchschnittsbürger*innen ihr Verhalten ändern, dann müsst ihr anders ansetzen – vielleicht ganz banal bei der Forderung, dass Frauen ebenso respektiert werden sollen wie Männer. Die Kluft zwischen Realität und Vision gilt es zu überwinden.

7. Macht negative Gefühle zu eurem Motor

Ich bin oft wütend und verletzt. Jedes Mal, wenn ich Statistiken zu sexualisierter Gewalt lese, wenn mir eine Freundin berichtet, was ihr angetan wurde oder wenn Männer darüber entscheiden, was Frauen mit ihren Körpern tun dürfen. Lasst euch durch die Wut und den Schmerz jedoch nicht von eurem Aktivismus abbringen.

Wut ist wie Benzin. Wenn du es einfach unbedacht herum sprühst, kann es Feuer fangen und großen Schaden anrichten. Aber wenn du es nur richtig kanalisierst, dann kann es der Treibstoff für deinen Motor sein, der Veränderung bewirken wird.
Dr. Scilla Elworthy

Die dreifach Friedensnobelpreis-nominierte Dr. Scilla Elworthy sagte einmal zu mir: "Wut ist wie Benzin. Wenn du es einfach unbedacht herum sprühst, kann es Feuer fangen und großen Schaden anrichten. Aber wenn du es nur richtig kanalisierst, dann kann es der Treibstoff für deinen Motor sein, der Veränderung bewirken wird."

8. Strebt nach Kritik, nicht nach Lob

Wartet nicht darauf, erst dann den Mund aufzumachen, wenn ihr jahrelang zu einem Thema geforscht habt – ihr braucht kein Studium absolviert zu haben, um Aktivist*in zu sein. Wenn ihr denkt, dass Rassismus nicht akzeptabel ist, dann ist das eine ausreichende Basis für eure aktivistischen Tätigkeiten.

Lasst euch von der Angst davor, etwas Falsches zu sagen, nicht lähmen. Akzeptiert, dass ihr Fehler machen werdet – das tun wir alle. Lebt nach der Prämisse: Strebe nach Kritik, nicht nach Lob. Seid für konstruktive und respektvolle Kritik dankbar und wendet sie an. So ist und bleibt euer Aktivismus sensibel, inklusiv und effektiv.

9. Achtet auf euch

Aktivismus ist ein Knochenjob. Ihr müsst bereit sein, Opfer zu bringen, schließlich habt ihr nichts Geringeres vor, als die Gesellschaft zu verändern. Leider gibt es dafür nicht nur Lob, sondern wie bereits erwähnt auch viele Anfeindungen und sogar Rückschläge. Achtet deshalb auf euch selbst! Wenn euer Körper nicht fit ist, dann kann es euer Geist auch nicht sein. 

Ich hoffe, die Tipps helfen euch dabei, selbst aktiv zu werden. Wenn ihr irgendwann als Querulant*in oder Unruhestifter*in bezeichnet werdet, dann wisst ihr, dass ihr auf dem richtigen Weg seid.

Stay woke

!