Auf dem Bildschirm ist eine staubige Landschaft zu sehen, im Hintergrund Rauchwolken einer Explosion. Durchs untere Drittel des Bildes schwirren Reaktionen von Zuschauer*innen: Likes, wütende Gesichter, Wows. Krieg als interaktives Social-Media-Event mit fast einer Million Aufrufe und 15.000 Likes.

Zu verdanken haben wir das dem Sender Al Jazeera English. Er überträgt den Angriff auf die von Daesh kontrollierte Stadt im Nordirak live auf Facebook – und überschreitet eine Grenze. Nur weil es die technischen Möglichkeiten gibt, das Publikum an einem Krieg in Echtzeit teilhaben zulassen, heißt das noch lange nicht, dass man es tun sollte.

Social-Media-Snack neben Katzenvideos

Die UNO warnt vor einem Flüchtlingsdrama im Nordirak, bereits jetzt sind Kinder auf der Flucht vor der Offensive ums Leben gekommen. Etwa eine Million Menschen sind in der Stadt eingeschlossen. Weitere Menschen werden sterben. Al Jazeera und Associated Press machen den Krieg derweil zu einem Social-Media-Snack, der neben Katzenvideos und Urlaubsfotos im Facebook-Stream auftaucht. Ein Like für eine Rakete hier, ein Angry-Face für ein durchs Bild rollendes Truppenfahrzeug dort.

Natürlich gab es schon immer Kriegsberichterstattung, vor allem in Form von Journalist*innen, die Streitkräfte an der Front begleiten. Die Bilder im Livestream erinnern stark an die Aufnahmen aus dem Irakkrieg im Jahr 2003, bei dem Zuschauer*innen im Fernsehen verfolgen konnten, wie US-Militärflugzeuge Ziele ins Visier nahmen und dann Bomben auf sie abfeuerten. Der Krieg wurde zu einer Art Computerspiel, in dem die USA kühl, präzise und quasi klinisch rein den Gegner bekämpft. Bilder der Opfer waren nicht zu sehen.

Mit dem Livestream aus Mossul findet das gemütliche Kommentieren der Kampfhandlungen vom heimischen Sofa aus einen vorläufigen Höhepunkt. Einen Angriff live zu senden und Zuschauer*innen zu ermöglichen, mit Emojis zu reagieren, verhöhnt die Opfer dieses Krieges. Al Jazeera sollte sich ernsthaft überlegen, ob sie diese Art der Kriegsberichterstattung wirklich betreiben wollen. Und auch Facebook sollte sich fragen, ob es diesen Inhalten eine Plattformen bieten möchte.

Wie sieht bloß die nächste Stufe der Kriegsberichterstattung aus? Sollen wir auf Facebook live zusehen, wie Truppen durch die Stadt ziehen und Menschen erschießen? Mit einer Virtual Reality Brille vor den Augen? Leider wird es selbst dann genügend Menschen geben, die dafür ein Like abgeben.