Laut Bildungsministerium kostet ein Studium in Deutschland etwa 800 Euro pro Monat. Das ist – im internationalen Vergleich – ziemlich wenig. Für einen Bachelor und einen Master kommen aber dennoch leicht 50.000 Euro oder mehr zusammen. Das muss man erst mal berappen können. Wir haben mit Hartmut Koch vom Leipziger Studentenwerk über Finanzierungsmöglichkeiten und die Veränderungen an den BAföG-Richtlinien gesprochen.

ze.tt: Herr Koch, Welche Möglichkeiten gibt es, diese Summe zu finanzieren, wenn das eigene Kleingeld und das der Eltern dafür nicht reicht?

Hartmut Koch: Wir weisen immer zuerst auf das BAföG hin. Denn darauf hat jeder Rechtsanspruch, der die Voraussetzungen erfüllt. Daneben gibt es Möglichkeiten über die Begabtenförderwerke. Da muss sich derjenige dann aber selbst belesen, was für ihn zutrifft.

Begabtenförderung bedeutet aber, dass man ordentlich was auf dem Kasten haben muss, oder?

‚Begabung‘ steht dabei nicht immer unbedingt an erster Stelle. Es kommt auch auf soziales Engagement und andere Kriterien an. Es gibt Parteien- und Kirchen-nahe Stipendien. Die Förderung hängt dann von den jeweiligen Werten und Grundsätzen ab. Dazu gibt es das Deutschlandstipendium. Dort werden 300 Euro ausgezahlt, die nicht vom BAföG abgezogen werden.
Und schließlich gibt es noch Studienkredite.

Die sollten allerdings gut überlegt sein. Wir empfehlen Kredite nicht unbedingt und sind auch kein Vertreiber des KfW-Darlehns [Anm. d. Red.: Das Darlehen wird von der "Kreditanstalt für Wiederaufbau" ausgegeben und gilt für Studierende bis zum 44. Lebensjahr. Es werden Beträge zwischen 100 bis 650 Euro ausgezahlt. Die Zinsen für das Darlehn liegen aktuell bei etwas über vier Prozent]. Vor der Zinsabsenkung hat man teilweise das anderthalbfache von dem zurückgezahlt, das man bekommen hat. Wir weisen daraufhin, dass es diese Finanzierungsmöglichkeiten gibt, aber wir empfehlen sie nicht unbedingt.
Das BAföG allein reicht aber auch häufig nicht, um über die Runden zu kommen.

Dafür hat der Gesetzgeber einen Freibetrag geschaffen, damit Studierende was dazu verdienen können, ohne, dass der Betrag wieder vom BAföG abgezogen wird.
Dieser Freibetrag hat sich nun im August verändert.

Seit August dürfen 5.400 Euro in zwölf Monaten dazu verdient werden. Davor waren es nicht mehr als 400 Euro im Monat. Jetzt darf das Einkommen pro Monat wechseln, solange es nicht über den 5.400 Euro in zwölf Monaten liegt.
Was hat sich beim BAföG noch geändert?

Die Freibeträge bei den Einkommen der Eltern und die Sozialpauschale wurden angehoben. Das heißt, auch Kinder, deren Eltern mehr verdienen, haben jetzt BaföG-Anspruch. Dazu wurden die Bedarfssätze für Studierende, inklusive Krankenkasse, erhöht. Studenten können daher jetzt bis zu 735 Euro BaföG bekommen. Auch der Freibetrag beim Vermögen des Auszubildenden wurde angehoben. Das war eine ganz wichtige Geschichte, da dieser Betrag lange nicht angepasst wurde. Von 5.200 Euro ging es auf 7.500 Euro rauf. Zum Vermögen des Auszubildenden gehören zum Beispiel bestimmte Lebensversicherungen oder Autos, die auf den Antragsteller zugelassen sind.

Sind die Veränderungen so groß, dass Studierende, die bisher kein BAföG bekommen haben, nochmal einen Antrag stellen sollten?

Ja, auf jeden Fall! Wir haben sechs Modellrechnungen gemacht. Da konnten wir schon erkennen, in welcher Dimension sich das auswirkt. Das waren bis zu 300 Euro mehr. Um herauszufinden, ob es sich lohnt, nochmal einen Antrag zu stellen, gibt es Online-Rechner. Deren Ergebnisse stimmen aber mit unseren nicht immer überein. Unsere Abfragen sind doch etwas detaillierter und schwieriger. Wir, als Studentenwerk, bieten als Teil unseres Services an, dass wir für Studierende unverbindlich berechnen, was sie an BAföG erwarten können. Dazu müssen die Studierenden mit Unterlagen zum Einkommen zu uns kommen und die anderen Daten fragen wir dann ab.
Viele Studierende stellen erst gar keinen Antrag. Sie gehen davon aus, eh nichts zu bekommen, da die Eltern zu gut verdienen.

Dieses Virus grassiert durch die Republik. Und wenn ich die Leute frage, woher wissen Sie das, dann heißt es oft "ich glaube" oder "der Nachbar bekommt auch kein Geld" oder "mein Bruder bekommt nichts und der studiert schon". Das ist alles mehr oder weniger Unwissenheit. Ich empfehle immer, direkt zum BAföG-Amt zu gehen. Ein Beispiel: Wer ein Geschwisterkind hat, das bereits studiert und nun selbst ein Studium aufnimmt, der verändert den Berechnungsmodus. Dann kann es sein, dass plötzlich für beide etwas herauskommt. Deshalb kann man nicht ableiten: Es gab bisher nichts und es gibt künftig nichts. Also immer wieder in den Ämtern informieren.
Welche Termine gelten für alle, die bereits BAföG beziehen?

Die Anträge zur Weiterförderung können ja schon zwei Monate vor dem Ablauf des alten Bescheids gestellt werden und das bleibt leider oft aus. Diese Anträge kommen oft erst im August oder später. Es gibt dann keinen Anspruch darauf, dass das BAföG durchgängig gezahlt wird. Wer zu spät den Folgeantrag stellt, hat sich eine Unterbrechung der BAföG-Zahlung selbst zuzuschreiben. Spätestens im Juli sollte der Folgeantrag gestellt werden, wenn die Bewilligung des BAföGs im September endet. Ist der Antrag dann vollständig, gibt es einen Anspruch auf nahtlose Weiterzahlung! Jetzt im August sollen die Erstanträge zuerst bearbeitet werden. Das führt zu Kollisionen mit den Weiterförderung-Anträgen von denen, die jetzt erst aus dem Knick kommen. Bei Studierenden ist es merkwürdiger Weise so, dass sie erst zu uns kommen, wenn die Überweisungen ausbleiben.
Können BAföG-Bezieher auch Wohngeld bekommen? Die Mieten sind zwischen Leipzig und Heidelberg ja doch sehr unterschiedlich.

Im BAföG ist eine Mietpauschale enthalten, sodass der individuelle Mietanspruch nicht mehr berechnet werden muss. Das führt aber dazu, dass BAföG-Empfänger keinen Anspruch mehr auf Wohngeld haben – die Miete wird ja über das BAföG finanziert. Nur bei Studierenden mit Kind wird die Miete für das Kind über die Wohngeldstelle finanziert.
Welche Alters-Obergrenzen gibt es bei der Förderung in Jahren und Semestern?

Der Förderungsanspruch erlischt, wer bei Beginn des Bachelor das 30. Lebensjahr vollendet hat und im Master das 35. Ab dem 25. Lebensjahr erhöht sich das BAföG übrigens, da sich die Studierenden dann selbst versichern müssen. Eine besondere Zugabe gibt es auch für Studierende mit Kind. Das BAföG wird nur in der Regelstudienzeit gezahlt, bei sechssemestrigen Bachelor-Studiengängen als sechs Semester lang. Wer sein Studium verlängert, muss das begründen. Etwa durch wegen Krankheit verpasster Prüfungen, Erziehung eines Kindes, Mitwirkung in studentischen Gremien oder ein Aufenthalt im Ausland.
Was ist, wenn ich länger brauche und keine der Gründe zutreffen, ich zum Beispiel eine Prüfung einfach nicht direkt bestanden habe?

Dann gibt es noch eine Studienabschlussförderung. Dann wird das BAföG als verzinstes Darlehn ausgezahlt. Ansonsten ist es zur Hälfte ein unverzinstes Darlehn und zur anderen Hälfte eine Förderung durch den Bund. Es soll nicht sein, dass einer auf den letzten Metern keine Förderung mehr erhält und das Studium in den Sand setzt.
Was passiert, wenn ich mein Studium wechsele?

Beim ersten Wechsel nach den ersten zwei Semestern passiert nichts. Das muss der Studierende auch nicht begründen. Wir vermuten, dass die Studierenden dann schon einen Grund haben werden - das nennt sich Regelvermutung. Erst bei einem zweiten Wechsel ist eine Begründung fällig. Spätestens ab dem fünften Semester des neuen Studiengangs wird das BAföG dann aber zu einem rein verzinsten Darlehn.
Wie und wann muss ich das BAföG zurückzahlen?

Die Rückzahlung beginnt fünf Jahre nach der Regelstudienzeit. Zurückgezahlt wird an das Bundesverwaltungsamt in Köln. Nach vier Jahren kommt ein Brief, in dem sind die Höhe der Schulden und die Rückzahlungsmodalitäten aufgeführt. Es gibt Sonderregelungen, falls derjenige gerade zu wenig verdient, um das BAföG zurück zu zahlen. Außerdem gibt es einen Bonus, wenn direkt alles zurück gezahlt wird. Es kann sich unter Umständen dann lohnen, einen Kredit aufzunehmen. In bestimmten Fälle ist der Bonus größer als die zu zahlenden Zinsen.
Ab wann sollte man sich mit der Finanzierungs-Frage beschäftigen?

Wenn ein junger Mensch sein Abitur in der Tasche hat und er weiß, dass er studieren wird, dann sollte er sich an das Studentenwerk vor Ort oder in der jeweiligen Studienstadt wenden. Es lohnt sich in jedem Fall, mit dem BAföG-Amt zu sprechen und sich nicht von irgendwelchen Gerüchten abhalten lassen, weil sie meinen, dass sie eh nichts bekommen. Selber informieren, einfach einen Antrag stellen. Die Formblätter sind nunmal eine kleine Qual, das gebe ich gerne zu, aber wir helfen hier auch. Diese Mühe sollten man nicht scheuen!