Bunte Farben, viel Gesang und noch mehr Herzschmerz: Bollywood-Filmen eilt ihr Ruf voraus. Sie werden auch über Indiens Grenzen hinaus immer beliebter, an Nachschub fehlt es nicht. Die Hindi-Filmindustrie ist die größte der Welt, sie produziert jährlich etwa 3.500 Filme und damit doppelt so viele wie die USA. Doch so farbenfroh die Filmbilder sein mögen, in Sachen Gleichstellung und Geschlechterdarstellung sieht die Branche nicht besonders blumig aus. Genaue Zahlen benennt eine Studie des Forschungsinstituts IBM, Indraprastha Institute of Information Technology, Delhi, und der Delhi Technological University.

Um herauszufinden, wie es um die geschlechtsspezifischen Stereotype und einseitigen Darstellungsweisen in der Hindi-Filmindustrie steht, untersuchten die indischen Forscher*innen Filmplots- und -poster von Bollywood-Filmen, die seit 1970 erschienen sind. Ihr Augenmerk richtete sich vor allem auf die Jobs, die Beschreibungen und mit den Filmcharakteren assoziierten Handlungen in den Filmen. Außerdem schauten sie sich an, in welchen Rollen, Haupt- oder Nebenrollen, Frauen und Männer auftauchen und inwiefern Frauen im Mittelpunkt der Filme vorkommen. Aber auch welche Emotionen den Geschlechtern zugeschrieben werden, interessierte die Gruppe rund um IBM-Forscherin Nishtha Madaan.

Schöne Frauen, reiche Männer

Ihre Daten zogen die Forscher*innen unter anderem aus allen Wikipediaseiten über Hindifilme, da sie keinen Zugang zu den meisten Drehbüchern hatten. Insgesamt kamen sie so auf 4.000 Filme zwischen 1970 bis 2017. Aus den Wikipedia-Einträgen konnten sie den Filmtitel, die Besetzung, die Handlung, den Soundtrack und Bilder herausziehen. Bereits hier zeigte sich ein deutlich höherer Männeranteil: Etwa 9.000 Schauspieler stehen in diesen Filmen 5.000 Schauspielerinnen gegenüber. Zusätzlich schauten sie sich die kompletten Skripte von 13 Filmen an und fast 900 Trailer von Filmen der vergangenen neun Jahre.

Während Männer bei Beschreibungen der Filmplots 30-mal genannt werden, kommen Frauen nur etwa 15-mal vor. Auch drehen sich Filme viel häufiger um Männer als um Frauen, so stehen die weiblichen Charaktere nur bei etwa 300 Filmen im Mittelpunkt. Bei den Adjektiven, die mit den jeweiligen Charakteren assoziiert werden, zeigt sich ebenfalls einen klaren Unterschied. Männlichen Charakteren werden Verben wie "kills" oder "shoots" und Adjektive wie "rich" und "wealthy" zugeschrieben. Frauen werden dagegen mit "marries" und "loves" oder "beautiful" und "attractive" in Zusammenhang gebracht.

Zudem werden die Männer als "a famous singer" oder "an honest police officer" vorgestellt, Frauen hingegen über ihr Aussehen "beautiful", "simple looking" oder ihre Beziehung zu anderen "daughter of" in die Handlung eingeführt. Männer seien außerdem viel häufiger wütend zu sehen, Frauen würden immer fröhlicher als die Männer gezeigt. Auch bei den Jobs der Filmcharaktere herrschte Ungleichgewicht. Männliche Filmcharaktere arbeiten deutlich häufiger in höheren Positionen wie Anwalt oder Arzt.

Auf dem Weg der Besserung

Bei den jeweiligen Filmpostern sieht die Rollenverteilung dann wieder ganz anders aus, wie die Forscher*innen feststellten. Hier werden Frauen genauso oft gezeigt wie die Männer, auch wenn der von ihnen gespielte Charakter für die Filmhandlung kaum oder gar keine Rolle spielt. Während sich 80 Prozent der Filmplots um Männer drehen, sind Frauen trotzdem auf über der Hälfte der Werbeplakate zu sehen. Bei Filmen wie GangaaJal, in deren Filmbeschreibungen nicht ein einziger weiblicher Name fällt, seien trotzdem drei Frauen sehr offensichtlich abgebildet.

In ihrer Ausführung schreiben die Wissenschaftler*innen immer wieder, dass die Filme letztlich die Gesellschaft widerspiegeln – und sich definitiv etwas ändern müsse. Einziger Lichtblick sei, dass sich in den vergangenen Jahren mehr und mehr Filme die vorhandenen Stereotype durchbrochen haben, indem die weiblichen Rollen im Fokus stünden. In den vergangenen beiden Jahren waren das fast 12 Prozent der Filme gegenüber 7 Prozent Anfang der 1970er. Die Filmindustrie sei zwar immer noch weit entfernt von einer Gleichstellung, aber der Trend mache Mut.