Frisch verliebt zu sein, ist wie auf seinem liebsten Stofftier einen Regenbogen entlangzureiten und währenddessen Eiscreme und Zuckerwatte zu essen. Kurz: wunderschön. Verständlich, dass man diese Glücksgefühle der ganzen Welt zeigen möchte. Für die anderen kann das allerdings schnell nervig werden. Wir alle haben dieses eine Pärchen im Freundeskreis. Sie geben sich einen gemeinsamen Spitznamen, reden von sich im Plural und verschmelzen ihre Lebensinhalte so sehr, dass sie für andere aufhören, als einzelne Individuen zu existieren.

Die "Schaut her, wie sehr wir ein Pärchen sind"-Anstrengungen müssen nicht sein. Nach einer langen Beziehung passt sich nämlich nicht nur das Verhalten, sondern sogar das Aussehen aneinander an – ganz von alleine. Aussagen wie "Ihr seht aus, als könntet ihr verwandt sein" hören Partner*innen zwar nicht gerne. Sollten sie aber. Die sind genau genommen sogar ein Kompliment. Denn wenn sich das physische Erscheinungsbild annähert, bedeutet es erstens, dass Menschen schon sehr lange in einer Beziehung sind. Und zweitens, dass sie oben drauf auch noch glücklich sind. Warum ist das so und was genau steckt hinter dieser sogenannten Erscheinungskonvergenz?

Gemeinsame Erfahrungen formen uns

Gewinnen wir einen Menschen lieb, verbringen wir viel Zeit mit ihm. Je länger wir das tun, über viele Jahre hinweg, desto mehr gemeinsame Erfahrungen sammeln und desto mehr Emotionen teilen wir – und das hinterlässt vor allem im Gesicht Spuren. Wir lachen gemeinsam, wir weinen gemeinsam, wir beschweren uns über dieselben Dinge. Kurz: Gemeinsam gemachte Erfahrungen zeichnen gleiche Merkmale auf unsere Gesichter. Es entstehen bei beiden ähnliche Grübchen, Lachfalten und Sorgenrunzeln. Gemeinsam Leben heißt gemeinsame Prägung.

Empirisch belegt das ein klassisches Experiment des Psychologen Robert Zajonc von der University of Michigan. Er ließ Student*innen Fotos bewerten, auf denen Pärchen zu sehen waren. Einmal frisch verheiratet, einmal dasselbe Paar nach 25 Jahren Ehe. Was sie nicht wussten, ist, dass sie ab und zu auch Fotos von zwei Menschen ähnlichen Alters sahen, die sich eigentlich gar nicht kannten. Das süße Ergebnis: Lang verheiratete Pärchen sehen sich bei Weitem am ähnlichsten.

Uns prägen allerdings nicht nur gemeinsame Erfahrungen. Ähnlichkeiten entstehen auch, weil wir unsere Partner*innen unbewusst imitieren. Über die Jahre hinweg beginnen wir, Dinge wie Satzmelodie und Körperhaltung nachzuahmen. Das verbindet und gibt uns ein Gefühl der Zusammengehörigkeit. Laut Zajonc Theorie formt auch dieses emotionale Spiegeln unsere Gesichter.

Wir suchen nach Ähnlichkeiten

Schon bei der Partner*innenwahl fühlen wir uns von jemanden eher angezogen, der*die uns selbst ähnlich ist. Der Psychologe R. Chris Fraley von der University of Illinois meint, dass es eine angeborene Tendenz wäre, Dinge zu begehren, die uns bekannt sind. Dieses Phänomen hat den unsexy Namen Assortative Paarung. Nach welchen Ähnlichkeiten wir genau suchen, bleibt offen. Das kann das Bildungslevel, Körpergröße, Alter, Gesichts- oder Körperform sein. Wir tun das aus einem einfachen Grund: Es macht unser Leben einfacher. Menschen mit einem hohen IQ finden die Gesellschaft anderer Menschen mit hohem IQ tendenziell angenehmer, sehr große Personen fühlen sich mit anderen großen Personen wohler, und wir haben Leute lieber, die genau verstehen, warum wir so sehr über unsere 40-Stunden-Arbeitswoche jammern.

Gemeinsamkeiten wirken anziehend, egal ob das genetische Gegebenheiten sind oder Dinge, die wir uns aneignen können. Dass die Redewendung "Gegensätze ziehen sich an" ausgedient hat, zeigen auch die Ergebnisse einer Studie der University of Colorado at Boulder aus dem Jahr 2014. Sie besagen, dass sich (vor allem weiße) Menschen für Lebenspartner*innen entscheiden, die eine ihnen ähnliche DNA haben. Hier geht es also nicht mehr um das Lieblingsessen und gemeinsame Hobbys, sondern um trockene, genetische Kompatibilität. Was wir wirklich wollen, ist wieder total unsexy: Nämlich unsere eigenen Gene weiterzugeben und eine*n Nachkomm*in zu zeugen, der uns selbst ähnlich ist. Das kriegen wir am besten hin, wenn wir uns mit jemandem paaren, der wiederum ebenso viel Ähnlichkeit mit uns selbst hat. Wir streben in Wirklichkeit immer ein bisschen nach mehr von uns selbst.

Im Rahmen eines Experiments von Psycholog*innen der University of St. Andrews in den USA sollten heterosexuelle Teilnehmer*innen die Attraktivität von fremden Gesichtern bewerten. In dieser Fotoreihe war allerdings auch ein Bild ihres eigenen Gesichts, das digital in eine Version des anderen Geschlechts umgewandelt wurde. Ihr verändertes Gesicht erkannten die Teilnehmer*innen nicht mehr, sie fanden sich selbst aber immer noch am attraktivsten.

Ursache oder Wirkung?

Zajonc kam mit seiner Studie noch zu einem zweiten Ergebnis: Je glücklicher ein Pärchen im Laufe der Partnerschaft ist, desto ähnlicher sah es sich. Das ist zwar ebenso süß, nur ist in diesem Fall nicht so ganz klar, was hier eigentlich was beeinflusst. Werden sich Pärchen umso ähnlicher, je glücklicher sie sind? Oder sind Pärchen umso glücklicher, je ähnlicher sie sich sind? Bewiesen wurde, dass genetische Ähnlichkeit mit einer glücklichen Partnerschaft zusammenhängt. In welche Richtung dieser Zusammenhang wirkt, bleibt allerdings offen.

Also: Romantische Partner*innen sehen sich manchmal schon zu Beginn ähnlich. Einfach, weil wir uns von Menschen angezogen fühlen, die uns ähnlich sehen und wir nichts attraktiver finden als uns selbst. Ähnlichkeiten entstehen zudem auch, wenn das gemeinsame Leben ähnliche Zeichnungen auf unseren Gesichtern hinterlässt. Wir teilen Gemütslagen, somit Gesichtsausdrücke und nutzen Gesichtsmuskeln über viele Jahre hinweg auf gleiche Weise. Und als wäre das nicht genug, imitieren wir obendrauf auch noch unbewusst unser gegenseitiges Verhalten.

Diejenigen Paare, die der Welt unbedingt zeigen wollen, dass sie ein Paar sind, könnten sich daher die Mühe sparen. Denn früher oder später (eher später) ist es ohnehin unverkennbar; die Zeit erledigt das für sie. Vorausgesetzt, die Beziehung hält lange genug.

Ein Trostpflaster gibt es aber: Auch wenn sich unser Aussehen angleicht, bleiben zumindest unsere Persönlichkeiten unsere eigenen. Eine Studie aus dem Jahr 2010 ergab, dass verheiratete Paare auch nach 40 Jahren Ehe noch genauso unterschiedliche Charaktere hatten wie zu Beginn ihrer Beziehung.