Meine Generation ist Krisen gewöhnt und dennoch immer optimistisch geblieben. Dann kam Donald Trump und mit ihm die Angst vor der Zukunft.

Als ich 2011 mit der Uni fertig war, flog ich mit ein paar Euro in der Tasche und einigen losen Redaktionszusagen ins neudemokratische Tunesien, berichtete aus libyschen Milizcamps und aus den Tränengaswolken auf Kairos Tahrir-Platz, recherchierte später in Afghanistan den Verrat der Bundeswehr an ihren afghanischen Übersetzern und schmuggelte mich getarnt als Syrer in ein italienisches Geflüchtetenlager, um über Misshandlungen zu berichten. Aber ich hätte nie gedacht, dass ich diese drei Worte mal schreiben würde: Ich habe Angst. 

Seit Donald Trumps Wahl zum Präsidenten des mächtigsten Landes der Welt muss ich mir das eingestehen. Erst versuchte ich noch, vor dem Gefühl davonzulaufen, verreiste, betrank mich. Doch es ging nicht weg. Besser geht es mir, seit ich anfing einen Blog darüber zu schreiben und darüber nachzudenken, was die richtige Antwort ist: Fliehen oder Kämpfen. Besser geht es mir auch, weil ich seitdem jede Person nach Trump frage und merke: Ich bin in guter Gesellschaft.

Ein Kumpel sagte, er habe Angst vor der Zukunft, auch wegen seiner zweijährigen Tochter. Eine befreundete Medizinerin liest keine Nachrichten mehr, weil sie es nicht mehr erträgt.

Eine Freiburger Studentin, die ich im Zug nach Frankfurt traf, erzählte, dass sie zwar jeden Tag durch den Park kommt, in dem im Oktober ein Geflüchteter eine Studentin mutmaßlich vergewaltigte und ermordete, Trump ihr dennoch mehr Angst mache. Einfach weil sie nicht wisse, was da auf sie zukommt. "Verrückte Killer", sagte sie im Bezug auf den Mord, "hat es schon immer gegeben." Ich begann zu lesen und verstand, dass ihre Aussage weniger widersprüchlich ist, als es anfangs klingt.

Angst, anders als Furcht, richtet sich nicht auf ein konkretes Objekt. Sie ist diffus, präsent und gleichzeitig ungreifbar. Alle fürchten sich vor etwas konkretem, wie etwa Mord, doch Angst ist offen und deshalb etwas Individuelles: den einen ängstigt Trump, der andere hängt sich ein Poster von ihm ins Fenster, der einen schnürt es die Brust zu, wenn sie Björn Höcke sieht, die andere jubelt ihm zu. Um zu verstehen, woher die Angst vor Trump kommt, war es also wichtig zu verstehen, wer das "Ich" im Satz "Ich habe Angst" ist.

Star Wars, Herr der Ringe, Harry Potter

1985 geboren, gehöre ich zu den ausgefransten Rändern der Ypsiloner, einer Generation, die mich abstieß und zu der ich nie gehören wollte. Ich hielt sie für zu unpolitisch, zu selbstbezogen, zu materialistisch.

Trotzdem traf ich den Sozialwissenschaftler Klaus Hurrelmann, der ein Buch über die Ypsiloner geschrieben hat. Schließlich ist es mit Generationen wie mit Familien: Man kann sich winden und lossagen, aber ganz raus kommt man aus der Nummer nie. Hurrelmann hält uns für weltoffen, demokratiebegeistert, wir seien überzeugt vom Gerechtigkeitsgedanken und sähen Vielfalt als Chance, weil "40 Prozent der Peergroup aus anderen Kulturen stammen". Rechtspopulistische Propaganda verfange sich da nicht.

Aber er nennt uns auch wenig schmeichelhaft "Egotaktiker", die immer einen Plan B und C bereit hätten, sich nicht langfristig festlegten, opportunistisch handelten. Wir reagierten damit auf die Zeit, in der wir aufwuchsen: Am 11. September 2001 zerbrach unser Vertrauen in die Stabilität der Politik, mit dem Finanzcrash 2008 folgte die Wirtschaft und die dreifache Kernschmelze von Fukushima 2011 schürte unsere Ängste vor einem Umweltkollaps.

War ich dann eine Ausnahme, dass ich so angstlos durch die Welt ging, im Grunde optimistisch? Wahrscheinlich nicht, dachte ich, schließlich war die Panik nach 9/11, Lehman Brothers und Fukushima riesig, doch blieb Deutschland von den Konsequenzen größtenteils verschont. Dieser Befund findet sich auch in Hurrelmanns Umfragen wieder und wahrscheinlich spielt auch das gute Verhältnis zu unseren Eltern da mit rein: Die meisten von uns finden in der Familie Unterstützung, falls Job oder Beziehung wegbrechen.

Über diesen Optimismus unterhielt ich mich auch mit dem Dresdener Angstforscher Lars Koch, der die Welt anhand von popkulturellen Phänomenen wie Game of Thrones und World War Z erklärt. Ich fragte ihn, welche Filme die Generation Y geprägt hätten. Er sagte: Star Wars, Herr der Ringe, Harry Potter.

Alles drei typische Gut-gegen-Böse-Geschichten, in denen die Held*innen für Offenheit, Toleranz und Freiheit gegen die Dunkelheit kämpfen und am Ende gewinnen. Wir sind also grundsätzlich optimistisch und gewöhnt mit Krisen umzugehen – warum jagt mir Trump dann solche Angst ein? Wie kann es sein, dass er bedrohlicher scheint, als eine dreifache Kernschmelze?

Das Prinzip "Macht" ist uns suspekt

Ich glaube, es fühlt sich dieses Mal anders an, weil er unsere Werte in Frage stellt. Trump, der als Mensch Frauen gegen ihren Willen zwischen die Beine fasst, der Menschen mit Behinderung verspottet, Mexikaner und Muslime beschimpft. Trump, der als Politiker um das größte Immigrationsland der Welt eine Mauer baut, der Klimawandel für eine elitäre Erfindung hält und kriegsgeile Generäle zu Ministern ernennt. Trump ist der Anti-Ypsiloner. Und das ist neu.

Bisher lebten wir ziemlich im Einklang mit dem politischen Diskurs, wir demonstrierten nicht, forderten nichts, fanden Bundesmutter Merkel letztlich ganz okay. Doch jetzt ändert sich etwas. Unsere individuelle Identität und die Gesellschaft sind nicht mehr deckungsgleich, Reibung entsteht und das irritiert uns.

Das fing schon mit dem Autokraten Viktor Orbán in Ungarn, mit Boris Johnsons Brexit und Schießbefehl-Frauke Petry in deutschen Talkshows an. Wir sahen die rechtspopulistische Welle anrollen, aber erst Trump ließ sie brechen. Und plötzlich hilft kein Ausweichen, kein Taktieren mehr. Auch politisches Engagement in NGOs und Petitionen wirken reichlich hilflos angesichts der rohen Macht, mit der wir konfrontiert sind.

Macht, allein schon dieses Wort – hatten wir uns nicht darauf geeinigt Kompromisse zu suchen?

Also müssen wir das hinter uns lassen? Stattdessen: gegen die Rechten kämpfen, auf der Straße, in den Parlamenten? Kann die Generation Y nicht, sagt Hurrelmann, Konflikt hat sie nicht gelernt. Bleibt noch die Kapitulation, der Verrat an den eigenen Werten. Aber das kann es doch auch nicht sein, oder? Also wie weiter? Genau weiß ich es nicht. Aber was ich weiß: darüber reden, nachdenken und schreiben, hilft, um sich nicht von der Angst lähmen zu lassen und nicht erst seit den Frauenmärschen von D.C. bin ich mir ganz sicher: Die Rechten sind zwar lauter, aber wir sind die Mehrheit.