Seit sieben Uhr steht Julius Jacobi, 22, auf den Beinen und kümmert sich um die Tiere und anfällige Arbeit. Dass er mal auf dem Hof seiner Eltern arbeiten würde, hätte er vor drei Jahren noch nicht gedacht. "Ich war schon immer weniger an Saatgut und Kühen als an der Politik interessiert. Die Zukunft auf dem Hof kam nur im Notfall für mich infrage", sagt Julius am Telefon, während er mit dem Trecker übers Feld fährt. Doch es kam anders.

Der Biohof Jacobi liegt im hessischen Körbecke und ist schon seit über zwei Generationen im Familienbesitz. Auf dem Hof der Eltern zu bleiben, war für ihn nach seinem Abitur 2013 keine Option. "Ich war nie das typische Bauernhofkind", sagt Julius. Er zog nach Berlin, um dort ein Freiwilliges Jahr in einer politischen Organisation zu machen. Doch nach den zwölf Monaten war ihm klar: Das Stadtleben ist nichts für ihn.

"Es war angenehm mit Leuten abzuhängen, die genauso politisch eingestellt waren wie ich. Aber ich hab darin auch eine Gefahr gesehen, man lebt in einer Filterblase. Auf dem Schützenfest in Körbecke trifft man eben auch Menschen anderer Gesinnung. Da wird man oft direkt mit anderen politischer Einstellung konfrontiert." In einem 615-Seelen-Dorf wie Körbecke könne man viel mehr bewegen.

Landwirtschaft und Politik? Das lässt sich super kombinieren, findet er. Also absolvierte er eine landwirtschaftliche Ausbildung mit dem Plan, den Hof seiner Eltern irgendwann zu übernehmen. "Es war die richtige Entscheidung, ich würde sie immer wieder so treffen. Nichtsdestotrotz habe ich Angst vor der Zukunft. So einen Hof mit Mitarbeiter*innen zu leiten, ist eine riesige Verantwortung, besonders in Zeiten, wo es kleinbäuerlicher Landschaft nicht gerade leicht gemacht wird."

Essen ist Politik

Es besteht immer der Zwiespalt zwischen nachhaltiger, qualitativer Landwirtschaft und dem kurzfristigen, gewinnbringenden Wirtschaften. Statt Pflanzenschutzmittel und Dünger zu bestellen, hält der Biohof Jacobi Kühe, um mit deren Mist die Pflanzen zu düngen. Das nennt sich Kreislaufwirtschaft. Das kostet Kraft und Zeit, ist jedoch nachhaltiger und natürlicher.

Doch auf diese Weise werden nur noch wenige kleinbäuerliche Höfe in Deutschland betrieben. Zum Großteil werden unsere Lebensmittel von Großbetrieben in Massen produziert. Um dagegen zu protestieren, gingen im Januar 2017 18.000 Menschen auf der "Wir haben es satt!"-Demonstration auf die Straße. Sie forderten den tier- und umweltgerechten Umbau der Landwirtschaft.

Unter dem Claim "Agrarkonzerne, Finger weg von unserem Essen!" protestierten, angeführt von 130 Traktoren, Demonstrant*innen aus ganz Deutschland durch Berlin. Auch Julius kam mit einem Schlepper aus Hessen angereist, denn dieses Jahr führte erstmals der Junglandwirt*innen-Block den Demonstrationszug an, denen es an Unterstützung und Zugang zu landwirtschaftlicher Fläche fehlt.

Jungen Landwirt*innen wird es schwer gemacht

Mario Reisland, 38, und Lisa Wiese, 33, aus Berlin hatten nicht den Vorteil, einen Hof zu erben, sondern bauen gerade erst ihre landwirtschaftliche Existenz in Brandenburg auf. "Wir hatten extremes Glück als ein befreundeter Regisseur Werner Gerber die Sonnenburg kaufte und uns fragte, ob wir ein Teil davon werden möchten. Seitdem übernehmen wir den landwirtschaftlichen Part der Gemeinschaft."

Mit finanzieller Unterstützung von Bekannten erwarben sie zusätzlich Fläche im Umfeld der Sonnenburg und gründeten den Betrieb Gärtnerei auf der Sonnenburg, auf dem sie unter anderem mit ihrer Marke eidentity Eier und Geflügelprodukte verkaufen.

Bei Mario und Lisa kann man eine Hühneraktie kaufen und so die Patenschaft für ein Tier übernehmen. Damit finanziert man dem Huhn eine artgerechte Haltung. Im Gegenzug erhält man jährlich eine Dividende in Form eines Genussscheins mit einer bestimmten Anzahl an Eiern, Mast- oder Suppenhühnern.

"Junglandwirt*innen haben es schwer. Wer Bauer oder Bäuerin werden und einen Hof neu gründen möchte, muss sehr viel Geld investieren – ohne Sicherheit, dass sich der Hof irgendwann von alleine trägt", sagt Mario.

Kaum Fläche, hohe Investitionen, hohes Risiko

Auch die Politik gibt kaum Anreize dafür, kleinbäuerliche Höfe zu gründen. Die EU-Agrarpolitik investiert in erster Linie in Großbetriebe. Je mehr Hektar ein Hof hat, desto mehr Subventionen fließen in den Betrieb. Der Trend geht in Richtung billig: Wachstum und Massenproduktion, um günstige Lebensmittel zu produzieren.

Es wird immer auf Export und Import gesetzt; allerdings ist das auch was die Konsument*innen wollen: Tomaten im Winter, Bananen aus Südamerika und das alles möglichst günstig. Auf Regionalität wird kaum Wert gelegt. Pastinaken, Schwarzwurzel, Leinsamen? Kennt kaum einer mehr – kauft kaum einer regional. Es ist wie ein Teufelskreis: Konsument*innen gewöhnen sich an die günstigen Preise und exotische Importgüter, die nur konventionelle Massenbetriebe bieten können. Das senkt ihre Wertschätzung für Lebensmittel und regionale Ernährung.

Deswegen geben wir auch immer weniger Geld für unsere Lebensmittel aus: Der Anteil der Ausgaben deutscher Haushalte für Nahrungsmittel, Getränke und Tabakwaren lag 2015 bei gerade einmal 13,6 Prozent. 1970 waren es noch ein Viertel der Einnahmen. Dieses Konsumverhalten macht es wiederum Kleinbäuer*innen schwer gegen die subventionierte, große Konkurrenz anzukommen und zu überleben – oder sich erstmal eine Existenz aufzubauen.

Das ist sehr zum Nachteil kleinbäuerlicher Landwirtschaft, die dabei zu kurz kommt. Deshalb forderte der Jungbäuer*innen-Block auf der Demo:

Wir wollen eine Zukunft auf dem Land!"

Dazu braucht es einen leichteren Zugang zu Land mit angemessenen Preisen und einen höheren Stellenwert der Existenzgründungsförderung in der Agrarpolitik. "Europäische Subventionen sollten nicht mehr nach Größe, sondern nach Qualität vergeben werden. Außerdem muss man jungen Menschen viel mehr Anreize dazu geben, in die Landwirtschaft zu gehen", sagt Julius.

Das fängt schon in der Schule an. Welches Schulfach bringt Schüler*innen noch an die frische Luft oder zeigt ihnen, woher die Kartoffel kommt, aus der Pommes bestehen? Kaum jemand ist über die lange Produktionskette der Kartoffel und die Arbeit, die Landwirt*innen dafür leisten, aufgeklärt. Es herrschen extreme Vorurteile über den Beruf: Er mache dreckig, einsam, isoliere und bringe kaum Geld. Niemand klärt jungen Menschen über die Vorteile des Berufes auf.

Mehr Wertschätzung für unser Essen

"Um die Landwirtschaft grundsätzlich zu reformieren und nachhaltig zu gestalten, braucht es mehr Bewusstsein der Konsument*innen und vor allem die Bereitschaft, mehr Geld auszugeben", sagt Mario. Er finanzierte seinen Betrieb durch Crowdfunding. Das hat zum Glück funktioniert. Ob sich der Hof jedoch langfristig hält, ist eine andere Frage.

Es ist wichtig, dass der Trend eine Wende nimmt: in Richtung Wertschätzung regionaler Lebensmittel und der Arbeit, die dahinter steckt. Ob Mario sich noch einmal für diesen Beruf entscheiden würde? "Momentan würde ich mit 'Ja' antworten. Aber frag mich das lieber nochmal in zwei Jahren."