Während 100.000 Menschen wegen eines Vulkanausbruchs auf der indonesischen Ferieninsel Bali in Gefahr sind und ihre Häuser verlassen müssen, schießen sie Fotos. Im Bikini, mit Babybauch oder die Muskeln spielen lassend am Pool. Auf Instagram häufen sich die Bilder von Menschen, die vor dem aktiven Vulkan posieren und sich in Schale werfen. Besonders skurril wirken die Fotos, auf denen Menschen meditieren, während der Vulkan im Hintergrund Aschewolken ausspuckt. Nach einer Reihe von kleineren Eruptionen in den vergangenen Tagen gilt bis heute die Alarmstufe Rot.

Trotz der Warnungen ließen sich, wie ZDF berichtet, immer wieder Leute beobachten, die Selfies mit dem Vulkan im Hintergrund machten. Ein französischer Tourist sagte: "Das ist eine Gelegenheit, die man nur einmal im Leben bekommt. Also habe ich die Chance genutzt." Einige Tourist*innen sehen darin keine Katastrophe, sondern ihre Chance einen Once in a Lifetime-Shot zu ergattern.

Dieses Verhalten war bereits in der Vergangenheit zu beobachten. Nicht umsonst führt der Duden mittlerweile den Begriff des Katastrophentourismus, was dieser als "das Anreisen Schaulustiger aus größeren Entfernungen bei Naturkatastrophen" beschreibt.

Katastrophentourismus im Alltag

Das Gepose rund um den Vulkan zeigt wieder einmal, wie egozentrisch die sozialen Plattformen sein können, auf denen wir uns bewegen. Sie handeln von einer Welt, die möglichst instagrammable sein soll. Ganze Gerichte werden nie gegessen, sondern nur fotografiert und wieder zurückgegeben. Oder eben Naturkatastrophen zur Selbstinszenierung genutzt – während andere Menschen ihr Leben oder Haus in Gefahr sehen.

Vom Vulkan auf Bali bis zum Matcha Chai Latte in Berlin – auf Instagram geht es doch nur um eins: möglichst viele Likes zu kassieren. Wie die Bilder zustande kommen und wie viel sie mit der Realität zu tun haben, wird dabei zweitrangig. Im Vordergrund stehen der perfekte Arsch, das Sixpack und ein Strahlelächeln. In dieser Welt sind alle schön, alle haben Geld und sind glücklich. Auch wenn hinter ihnen ein Vulkan ausbricht und Menschen deswegen evakuiert werden müssen. Die werden aber nicht gezeigt, dafür gibt's keine Likes.

Dieser Katastrophentourismus, oder auf Englisch Dark Tourism, ist an sich nichts Neues und wird in vielen Facetten angeboten: Seien es Touren zum Reaktor von Tschernobyl, zu Folterkammern auf mittelalterlichen Burgen, die Besichtigung des Ground Zeros, eine organisierte Reise in den umkämpften Irak oder zu den Killing Fields in Kambodscha – Leiden und Tod übten auf Menschen immer schon eine starke Faszination aus.

Neu ist aber, dass wir alle daran teilhaben. Durch soziale Medien wird offensichtlich, wie wenig manche Menschen reflektieren oder wissen. Hätten sich die Instagramer*innen auch nur eine Sekunde mit ihrer Kulisse auseinandergesetzt, hätten sie gewusst, dass beim letzten Ausbruch des Vulkans Gunung Agung mehr als 1.100 Menschen ums Leben kamen. Dass Indonesien mit seinen 17.000 Inseln direkt auf dem Pazifischen Feuerring liegt, wo verschiedene Platten der Erdkruste aufeinandertreffen und es darum oft zu Erdbeben und Eruptionen kommt, was bereits zahlreiche Menschen ihr Leben kostete. Und sie hätten erkannt, dass Fotos eines ausbrechenden Vulkans mit Hashtags wie #sohappyday #sleepingbeauty oder #fearless pietätlos und ziemlich fehl am Platz sind.

Aber so viel Wissen bräuchte es gar nicht. Die Antwort ist einfach: Eine Katastrophe ist niemals instagrammable. Punkt. Aus. Ende.