"Antimuslimischen Rassismus kann man schon lange in Deutschland erleben – sehr spürbar war er nach 9/11", sagt Zuher Jazmati. "Seit 2015 bemerke ich aber, dass mein Existenzrecht in Deutschland komplett infrage gestellt und sogar abgelehnt wird, und das aus der Mitte der Gesellschaft – nicht von irgendwelchen glatzköpfigen Nazis."

Jazmati ist junger Wissenschaftler und Projektleiter bei i,Slam. Seine Erfahrungen spiegeln sich im gerade erschienenen Europäischen Islamophobie-Bericht: Deutschland hat ein Rassismusproblem.

Der jährlich erscheinende Islamophobie-Bericht wurde nun zum zweiten Mal veröffentlicht. Er zeigt deutlich auf, dass Islamophobie in Europa auf dem Vormarsch ist und die Demokratie und den Frieden gefährden. "Soll Zuwanderung aus überwiegend muslimischen Ländern gestoppt werden?" wurden Menschen in Österreich, Belgien, Frankreich, Deutschland, Griechenland, Ungarn, Italien, Polen, Spanien und dem Vereinigten Königreich gefragt. In allen bis auf zwei dieser Länder (47 Prozent UK und 41 Prozent Spanien) stimmte die Mehrheit der Befragten der Aussage zu.

Auch in Deutschland wünschen sich 53 Prozent der Befragten einen derartigen Einreisestopp. Fünf bis sechs Prozent der Bevölkerung sind muslimisch – auch wenn Deutsche diesen Anteil auf 21 Prozent schätzen. Vor allem nach den terroristischen Anschlägen wie in Würzburg, Ansbach und Berlin habe der Hass gegen die muslimische Bevölkerung ein nie dagewesenes Niveau erreicht.

Laut des Islamophobie-Berichts vertritt ungefähr die Hälfte der deutschen Bevölkerung islamfeindliche Einstellungen und ein Viertel stimmt mit den Forderungen von Pegida überein. Die Zahl fremdenfeindlicher Anschläge auf Unterkünfte für Geflüchtete blieb 2016 auf einem ähnlich alarmierend hohen Niveau: Öffentliche Statistiken sprechen von einem deutschlandweiten Durchschnitt von 17 Anschlägen pro Woche, während eine Auswertung von Berichten in Lokalzeitungen sogar einen Durchschnitt von 37 Angriffen pro Woche verzeichnet. Das Bundeskriminalamt zählte wöchentlich – so lediglich die offiziellen Zahlen – ein bis zwei Anschläge auf Moscheen, insgesamt 91 in 2016.

Sich gegen diesen Hass und die Intoleranz aufzulehnen, kostet viel Mut und Kraft. Trotz dieser Anstrengungen tun das viele Menschen. Eine kleine Auswahl dieser mutigen und starken Persönlichkeiten und Initiativen, die jede*r unbedingt kennen sollte, gibt's hier:

Starke Frauen gegen den Hass

"Der Widerstand ist weiblich", heißt es vor allem seit dem weltweiten Erfolg des Women’s March. Auch in Deutschland sind Aktivistinnen oft federführend im Kampf gegen Rassismus. Kübra Gümüsay, Emine Aslan und Soufeina "Tuffix" Hamad sind drei dieser beeindruckenden Frauen.

Mit klaren Worten gegen Islamophobie

Emine ist Aktivistin, Bloggerin und Autorin. Sie schreibt über (Neo-)Kolonialismus, Rassismus, Islam und Feminismus. Und weder auf ihrem Blog noch bei Fernsehauftritten wie bei Maybrit Illner nimmt sie ein Blatt vor den Mund. "Rassismen wirken auf unterschiedlichen Ebenen. Rassismus hat eine ablenkende Wirkung. Rassifizierte Menschen versuchen immer wieder beispielsweise ihre Menschlichkeit oder ihre Intelligenz zu beweisen, weil diese ihnen stetig abgesprochen wird. Es ist also schon ein Kampf, kompromisslos du selbst zu sein. Nicht ständig das Gegenteil beweisen zu wollen, was dir rassistische Diskurse zuschreiben. Auf politischer Ebene ist es wichtig, informiert zu bleiben, sich einzumischen und zu intervenieren." Und das tut sie: Emine hat beim Women’s March in Frankfurt mitgewirkt, ist Mitgründerin von #Ausnahmslos sowie Initiatorin der Kampagne #CampusRassismus, die auf Alltagsrassismus an deutschen Hochschulen aufmerksam macht.

Mit Liebe gegen Hass

Kübra ist Journalistin, Aktivistin sowie Referentin und erreicht mit ihren kraftvollen Worten viele Menschen. Sie äußert sich zu politischen Themen, Feminismus, Rassismus, Islam und Populismus. Laut des Medium Magazins gehört sie zu den Top 30 bis 30. Sie ist Gründungsmitglied des

Zahnräder Netzwerks, einer sozialen Plattform für engagierte Muslime*Muslimas und auch Deutschlands erster muslimischer Thinktank. Sie hat

Schau hin, eine Kampagne, die Alltagsrassismus im deutschsprachigen Raum sichtbar macht, ebenso mitbegründet wie die Kampagne

Gegen sexualisierte Gewalt und Rassismus. Immer. Überall.

#Ausnahmslos nach den sexuellen Übergriffen in der Silvesternacht in Köln. Sie ist eine echte Macherin mit großer Wirkungskraft.

Organisierte Liebe ist ihr Instrument im Kampf gegen Hass, Intoleranz und Rassismus.

Mit Comics gegen Rassismus

Soufeina ist Comic-Künstlerin und Aktivistin aus Berlin. Sie zeichnet Situationen aus ihrem Alltag, in denen sie Themen wie Identität, Islam und Migration aufgreift. Mit ihrer Arbeit öffnet sie den Betrachter*innen die Augen für die alltägliche Diskriminierung von Muslimen*Muslimas. "Durch Bilder kann ich Menschen auf einer ganz anderen Ebene erreichen, sie bewirken Empathie", sagt die 26-Jährige. Mit ihren Comics, die bereits in ganz Deutschland ausgestellt und in Schulbüchern abgedruckt werden, wirkt sie der exotischen Vorstellung, die viele von Muslimen*Muslimas zu haben scheinen, entgegen.

i,Slam

i,Slam e.V. sind junge Kunstschaffende, die sich der Kunst bedienen, um gegen Rassismus vorzugehen. Meist in der Form von Poetry Slams. Doch nicht nur das: i,Slam veranstaltet auch Workshops, in denen die Teilnehmenden Schreib- und Bühnenkompetenzen erlangen können, organisiert Konzerte und veranstaltet Ausstellungen. Ihre Events finden in ganz Deutschland statt, ihre Heimatbühne haben sie jedoch im Wasserturm in Kreuzberg gefunden.

Leila El-Amaire © i,Slam | Elif Kücük

Jede Woche trifft sich das i,Slam-Kernteam und bespricht anstehende Auftritte. Dafür sind sie auch außerhalb Deutschlands unterwegs: Die aktuellste Anfrage kommt aus Ägypten. Auch die nächsten Videoprojekte für Soziale Medien werden im wöchentlichen Treffen diskutiert. Kopftuchmuslima will sich nicht integrieren mit der Poetry-Slammerin und i,Slam-Projektleiterin Leila El-Amaire ist eines ihrer Erfolgreichsten. i,Slam ist ein Ort der Begegnung zwischen Mehrheits- und Minderheitengesellschaft auf Augenhöhe. So werden Vorurteile abgebaut und Rassismus die klare Kante gezeigt.

Datteltäter

Farah Bouamar, Younes, Nemi, Marcel und Fiete starteten 2015 den gleichnamigen YouTube-Channel, um dort ein sogenanntes Satire-Kalifat zu errichten. "Stereotype ade, wir erklären hiermit den Bildungsdschihad", ist ihr Slogan. Der Name ist Programm: Haramstufe rot, Mit ISIS ins Weekend-Feeling oder Kopftuch runter – Rettet die Frauen heißen ihre Videos. Jeden Freitag um 15 Uhr erscheint ein Neues. "Wir widmen uns gesellschaftskritischen Themen, die den Alltag von Muslimen in Deutschland tangieren. Wir spielen mit Stereotypen und dekonstruieren diese", sagt Farah Bouamar. Mit Satire gegen Vorurteile.

Die Datteltäter bedienen sich dem Instrument der Satire, da es zwei wichtige Dinge vereine: der ernste Kern und der Humor. "Humor und Satire sind die perfekten Eisbrecher, um über sensible Themen zu sprechen." Vor allem für Menschen, die keinen Bezug zu Muslimen*Muslimas haben, sind ihre Videos sehr bereichernd. Das Team hat Erfolg damit: Zehntausende klicken sich durch ihren Channel. Und den Web Video Preis, also den Oscar der YouTube-Szene, konnten sie auch schon abräumen. Das sogenannte Empörium ist also auf vollem Siegeskurs.

Und wie können diejenigen, die nicht von Rassismus betroffen sind, sich solidarisch zeigen?

"Zuhören, sich sensibilisieren und die Hausaufgaben machen. Führungspositionen an People of Color und anderweitig marginalisierte Menschen abgeben", sagt Emine. Eben nicht anderen eine Stimme geben, sondern das Mikro weitergeben. Eins müsse immer wieder klargemacht werden, fügt Leila hinzu: "Rassismus ist keine Meinung." Denn damit wird die Daseinsberechtigung unserer Mitmenschen infrage gestellt. Das müsse uns wütend machen und wir müssen unseren Ärger in Aktivismus umwandeln, sagt sie. Aktivismus gegen Fremdenhass, Rassismus, gegen den Rechtsruck in Deutschland und gegen die AfD.

Nemi El-Hassan und Kübra Gümüsay haben bereits Artikel für ze.tt geschrieben.