Das Kind schreit und schläft nicht, auf der Arbeit ist die Hölle los. Für Zweisamkeit bleibt gerade bei Eltern mit jungen Kindern oft wenig Zeit. Das ist ein Stück weit normal, kann aber zu einer echten Beziehungsprobe werden. Der Paarberater Sascha Schmidt aus München sagt: "Manche sehen den Partner dann als eine Selbstverständlichkeit. Das ist ein Trugschluss."

In seinem Buch Wieder Paar sein – Erfüllte Zweisamkeit trotz Arbeit und Kind wendet er sich an Eltern, die sich als Paar verloren haben. "Meiner Erfahrung nach gibt es typische Problemfelder, die immer wieder auftauchen", sagt er. ze.tt hat die wichtigsten herausgegriffen.

Konkurrenz zwischen Familien- und Jobleben

In der Regel geht ein Elternteil arbeiten und das andere bleibt zu Hause und kümmert sich um das Kind. Das kann zu Problemen führen, weil sich beide nicht unbedingt in die Lebenswelt des anderen hineindenken können und sehen, wie anstrengend der jeweilige Part ist. Manchen Partner*innen fehlt die Wertschätzung des anderen für den eigenen Anteil am Familienleben. Dieses Problem verstärkt sich, wenn sich das Paar zu wenig Zeit nimmt, sich darüber auszutauschen. Davon zeugen Sätze, wie dieser, den Schmidt aus seiner Beratungspraxis zitiert:

Wenn er nach Hause kommt und fragt, was ich den ganzen Tag gemacht habe, könnte ich ausrasten.

Was man tun kann:

Schmidt sagt, dass die ersten zwei Jahre in der Regel eine Durststrecke für die Beziehung sind. "Das ist normal, aber Sie sollten dennoch Anteil an der Lebenswelt Ihres Partners nehmen", rät er Paaren. Er schlägt vor, wenigstens einmal pro Woche eine feste Zeit einzurichten, in der sich beide in Ruhe unterhalten können. Ansprechen sollte man auch, wenn die Aufteilung der Aufgaben Erziehung und Geld verdienen Unzufriedenheit hervorruft. "Wichtig ist, dass Sie nicht gleich die Lösung kennen müssen", sagt Schmidt. "Es genügt, das Thema anzusprechen. Zu sagen, dass man gefrustet ist und es ändern möchte. Damit öffnet sich der Raum für neue Möglichkeiten."

Perfekte Eltern

Aus Schmidts Erfahrung kommt neben dem äußeren Druck wie den Bedürfnissen des Kindes und dem Job häufig noch ein innerer Druck hinzu: der Drang, perfekte Eltern sein zu wollen. In seinem Buch beschreibt er sie als Sei-perfekt-Falle. Sie zeigt sich in Fällen wie diesem, den er aus seiner Beratungspraxis zitiert:

Haus im Grünen, Badesee um die Ecke, gute Schule. Ich will meinen Kindern ein perfektes Umfeld bieten.

Was man tun kann:

Hier kann es helfen, einen Schritt zurückzugehen und sich freizumachen von der Wirtschaftslogik. Es geht nicht darum, möglichst viel zu leisten oder perfekt zu sein – was ohnehin nicht möglich ist. "Für ein Kind ist es wichtig, dass die Eltern mit sich zufrieden sind", sagt Schmidt. Wenn sie sich selbst ständig unter Druck setzen oder abgehetzt sind, haben die Kinder auch nichts davon. "Was nützt es dem Kind, wenn die Schule toll ist und die Kinder einen großen Garten haben, aber der Mann so viel arbeitet, dass er keine Beziehung zu seinen Kindern aufbauen kann. Äußerlichkeiten können niemals die innere Beziehungsebene ersetzen", sagt er.

Er empfiehlt Eltern, die den Perfektionsdrang in sich spüren, aktiv zu trainieren, diese Gedanken loszuwerden. Als Weg dorthin schlägt er die innere Erlaubnis vor. "Sagen Sie sich: 'Ich erlaube mir, dass die Küche nicht aufgeräumt ist oder dass mein Kind nicht aufs Gymnasium geht.'" Der Sei-perfekt-Antreiber würde allerdings nicht auf Knopfdruck verschwinden. "Er wehrt sich mit schlechten Gefühlen und innerer Abwertung."

Ein Team, aber kein Paar mehr

Ohne Teamarbeit ist eine Familie kaum möglich. Es gibt viele Bereiche, in denen das auch sehr sinnvoll ist: etwa im Haushalt und bei der Kinderversorgung. "Doch wenn das Ich ganz im Wir aufgeht, droht es sich zu verlieren", sagt Schmidt. "Wo soll die Paarliebe bleiben, wenn alles auf Familie getrimmt ist? Wenn sie zu lange vernachlässigt wird, geht sie ein." Sätze wie dieser sollten aufhorchen lassen, glaubt der Berater:

Wir sind als Eltern super. Tolle Abstimmung untereinander, er unterstützt mich echt gut. Dass Liebe und Sex da pausieren, ist doch normal, oder?

Was man tun kann:

Es ergibt durchaus Sinn, die Verantwortlichkeiten als Team genau zu klären. Wer kümmert sich im Alltag um was? "Das schafft Freiraum, den sie gemeinsam als Paar nutzen können", sagt Schmidt. "Für ein Paar ist es auch enorm wichtig, nicht nur Vater und Mutter, sondern auch Mann und Frau zu sein." Um diese Seite wieder zu stärken, kann ein Wochenende ohne Kind oder ein gemeinsamer Abend helfen, an dem man sich nicht als Mutter und Vater verabredet – sondern als Mann und Frau und sich vielleicht sogar aufbrezelt. Wichtig sei dabei, möglichst nicht über die Kinder und den Job zu sprechen. "Man sollte sich auch nicht dem Druck aussetzen, dass man miteinander schlafen muss. Einfach schauen, wie sich der Abend entwickelt", sagt Schmidt.

Die Macht der Vorwürfe

Sich als Paar gegenseitig Dinge vorzuwerfen, ist nichts was nur in Familien vorkommt. Doch in Familien gibt es neue Dinge, die sich einander vorwerfen lassen. Das hat auch mit den neuen Rollen zu tun, in die sich beide erste einfinden müssen. Schmidt nennt etwa folgenden Satz:

Sie weiß alles besser.

Vorwürfe bergen große Sprengkraft für Beziehungen, weil sie zeigen, dass keine Empathie für die Situation des Gegenübers da ist. Zudem suchen manche Menschen die Ursache dafür, dass es ihnen schlecht geht, beim anderen. Nur selten folgt Verständnis auf Vorwürfe. "Meist kommt es zum Gegenangriff oder Rückzug", sagt Schmidt. Er sieht Vorwürfe als Warnsignale. "Sobald sie anfangen, sich Dinge vorzuwerfen, brodelt es in ihrer Beziehung unter der Oberfläche."
Was man tun kann:

In diesem Fall sieht sich der Mann Schmidt zufolge als Opfer. Er möchte sich in der Familie einbringen, aber gibt ihr die Schuld daran, dass es nicht gelingt. Das liegt Schmidt zufolge auch daran, dass Männer zu selten um ihren Platz in der Familie beharren. Ihnen empfiehlt er mutig zu sein und sich diesen Platz in der Familie zu bestehen. Sie bräuchten alleine Zeit mit ihren Kindern. Frauen rät er, das Kind auch mal dem Mann zu übergeben, ohne sich einzumischen: "Geben Sie ihm Raum, den er einnehmen kann. Er wird es anders machen als Sie. Wenn keine konkrete Gefahr für das Kind besteht, lassen Sie ihn."

Er ist nie da.

Viele Frauen in Schmidts Praxis berichten, dass sie sich fast ständig alleine um das Kind kümmerten und der Mann, wenn er denn da sei, sich nicht beteilige. Für die Abwesenheit der Männer gibt es nach Schmidts Erfahrung aus seiner Beratung vielschichtige Gründe: die Arbeit lässt keinen Freiraum, ein Durcheinander zu Hause, vor dem Männer etwa in die Arbeit fliehen, die Unsicherheit darüber, welche Rolle sie spielen sollen.
Was man tun kann:

Generell empfiehlt Schmidt, so schnell wie möglich das Gespräch zu suchen. Je länger man die unguten Gefühle mit sich rumschleppt, desto größer wird der Frust. Wichtig ist, es zunächst einmal auszusprechen. Man muss nicht gleich eine Lösung parat haben für das Problem oder Gefühl. In seinem Buch schlägt er folgenden Satz als Einstieg für ein solches Gespräch vor: "Ich bin gefrustet darüber, dass du kaum da bist. Ich weiß, dass wir das gemeinsam entschieden hatten. Doch nun merke ich, dass es mich nicht glücklich macht. Lass uns mal Gedanken darüber machen, wie wir das ändern können." Allein daraus entstünden oft Spielräume, die man vorher nicht gesehen habe.

Die erste Zeit mit dem Kind ist vielleicht keine einfache, aber auch keine, die sich nicht gemeinsam meistern lässt.