Während wir alle zumindest mit dem Gedanken spielen, vegetarisch zu leben, sagt der Diplom-Ernährungswissenschaftler Uwe Knop (42): "Esst was Ihr wollt! Euer Körper weiß, was er wirklich braucht!" Gesundes Essen ist Geschmackssache - das ist der Tenor seiner Bücher wie Hunger & Lust oder Ernährungswahn. Wir haben mit Knop über seine kuriosen Thesen gesprochen.zett: Herr Knop, worin besteht für Sie als Ernährungswissenschaftler gesunde Ernährung?

Uwe Knop: Die eine gesunde Ernährung gibt es an für sich nicht. Wenn man sich die Studien-Lage in der Ernährungswissenschaft anschaut, stellt man fest: Es gibt keinen einzigen Beweis dafür, dass eine bestimmte Ernährungsform gesünder ist als die andere. Das liegt daran, dass Ernährungsstudien immer keine ursächlichen Schlüsse führen können, sondern nur Korrelationen darstellen können. Diese Zusammenhänge sind oft extrem vage, viele Ernährungsstudien widersprechen sich auch gegenseitig. Dementsprechend lässt sich auf jede Ernährungsregel verzichten.

Neben festen Ernährungsregeln gibt es auch einfache Sinnsprüche wie etwa das bekannte ,,An apple a day keeps the doctor away" – dieser eine Apfel wird doch wohl kaum ungesund sein ...

Wenn Sie keine Äpfel vertragen, ist auch der eine Apfel am Tag zu viel für Sie. Solche Sprüche sind totaler Quatsch: Wenn das so einfach wäre, wären die Mediziner arbeitslos. Es gibt keinen einzigen Beweis, dass Obst und Gemüse überhaupt die Gesundheit fördern. Wir kommen immer zu dem gleichen Ergebnis: Es liegt keine Aussage zu Beweisen für gesunde Ernährung vor – außer vielleicht diese: Wenn Sie nichts essen, sterben Sie.

Ihre Thesen sind zumindest ungewöhnlich. Spielen Sie als kritischer Ernährungswissenschaftler nicht den Fleisch- und Fast-Food-Lobbys in die Tasche?

Ich habe keine Ahnung, wem ich mit meinen Aussagen in die Karten spiele. Ich bin unabhängig: Ich will keine Ernährungsform verkaufen wie etwa die Vegetarier, oder noch schlimmer die Veganer. Ich will Aufklärung darüber, dass jeder – und nicht nur der mündige Essbürger – weiß, dass es nicht die eine Form der gesunden Ernährung gibt. Gesunde Ernährung ist individuell. Es gibt keine Beweise dafür, dass Fast Food dick macht.

Es gibt keine Beweise dafür, dass Fleisch Krankheiten verursacht oder fördert. Man sollte sich einfach nicht von irgendwelchen Ernährungs-Aposteln verrückt machen lassen. Jeder sollte so essen, wie er es möchte – unabhängig von irgendwem.

In Ihren Büchern schreiben Sie, man solle beim Essen auf seine Körpersignale hören, was gesund ist. Wie erkenne ich gesundes Essen?

Es gibt zwei Arten von Hunger, die sich so grob unterscheiden lassen: Das eine ist der körperlich-biologische Hunger, den spürt man, wenn der Körper Nährstoffe braucht. Dann gibt es auch den emotional-seelischen Hunger, wenn man nicht wirklichen Hunger hat, sondern aus Frust oder Kummer beispielsweise Lust hat zu essen. Ich rate dazu auf den körperlich-biologischen Hunger zu vertrauen – dem emotionalen Hunger zu folgen, kann auf Dauer schlecht sein. Wenn Sie auf Ihren Körper hören, wird er Ihnen zeigen, wann er welche Nährstoffe braucht.

Wie muss man sich das genau vorstellen?

Wer das Gefühl des echten Hungers kennt, kann diesen auch von dem emotionalen Hunger unterscheiden, und genau spüren, welches Lebensmittel er jetzt gerade braucht. Ihr Körper wird Ihnen sagen, was er braucht. Gesunde Ernährung ist immer individuell, die Wissenschaft kann hier nicht mit Regeln helfen.

Dann meinen Sie, dass auch ein Mensch, der sich etwa den ganzen Tag nur von Nudeln ernährt, sich gesund ernähren kann – wenn das eben die Ernährung ist, die ihm sein Körper vorsagt?

Jeder Mensch ist ganz unterschiedlich. Die Annahme, dass man voraussagen kann, wie viel ich von welchen Mikro-Nährstoffen brauche, ist eine absolut grobe Schätzung. Ich würde mir über Zahlen keine Gedanken machen, Ihr Körper wird Ihnen sagen, wenn er etwas braucht. Gerade in Deutschland - ein Schlaraffenland, in dem es alle Lebensmittel gibt – wird ohnehin niemand immer nur dasselbe essen.

Eher wird es so laufen: Mein Körper könnte mir etwa sagen: "Oh, jetzt habe ich schon zwei Wochen keine Lebensmittel mit genug Vitamin C mehr gegessen, es könnte sein, dass ich nun einen Vitamin C-Mangel bekomme - Zeit für ein paar Kiwis!" Auf diesem Wege findet der Körper seine ganz eigene, natürliche Balance.

Wie erkenne ich im Alltag, dass gerade mein körperlich-biologischer Hunger – auf den man laut Ihnen hören soll – zu mir spricht, und nicht der emotionale Hunger?

Im Prinzip ist das ganz einfach: Wer im Zweifel ist, ob er wirklich Hunger hat oder nicht, sollte erstmal gar nichts essen. Warten Sie einfach ab, was dann passiert. Schnell entdecken Sie, ob Sie gerade das richtige körperlich-biologische Hungergefühl verspüren. Der Hunger ist essenziell: Je stärker der Hunger ist, desto leckerer schmeckt Ihnen das Essen, denn  vereinfacht gesagt, belohnt ihr Körper dann Ihre Arbeit mit Wohlgefühl.

Je besser etwas schmeckt, desto gesünder ist es also in diesem Moment für den Körper - wenn Sie mit echtem Hunger essen, und nicht dem emotionalen Hunger. Man muss immer den Einzelfall betrachten.In Ihrer Welt isst jeder Mensch anders. Sollten wir uns als Gesellschaft wirklich keine Food-Regeln auferlegen? Etwa um die Umwelt zu schützen?

Das ist ein anderes Thema. Ich kann vollkommen nachvollziehen, wenn jemand aus zum Beispiel ethischen Gründen auf Fleisch verzichten will. Wer aus gesundheitlichen Gründen Vegetarier oder Veganer wird, dem muss man sagen: Das ist Quatsch! Wenn es um die ökologische Komponente der Ernährung geht, ist das eine völlig andere Frage. Hier muss man sich aber sehr auskennen, um zu wissen, mit welcher Ernährung man dem Planeten tatsächlich hilft.

Haben Sie keine Sorge, dass viele Ihr Mantra Iss, was du willst falsch verstehen werden?

Alles kann falsch verstanden werden, das gilt sogar für die einfachste Regel. Wie schon gesagt: Ich bemühe mich hier um den gesunden Menschenverstand. Mit meinen Büchern biete ich eine gesunde Alternative zu der Vielzahl von Ernährungsratgebern. Wie ernähre ich mich gesund? Was ist für mich richtig? Das ist eine Entscheidung, die der mündige Ess-Bürger für sich selbst treffen muss.

Worin sehen Sie die größten Schwierigkeiten auf dem Weg zur gesunden Ernährung?

Die größte Schwierigkeit für viele Menschen steckt in den Ernährungs-Lobbyisten der verschiedenen Interessensgruppen. Wir bekommen eine Menge von verschiedenen Ernährungsratschlägen vorgesetzt – das verunsichert den Menschen, hält ihn davon ab, auf seinen eigenen Körper zu hören.

Ich sage: Der Weg zur gesunden Ernährung besteht darin, nur auf seinen eigenen Körper zu hören und alle Ablenkungen und die pseudowissenschaftlichen Ernährungs-Apostel zu ignorieren. Wer sich so leicht verunsichern lässt, wird ,ernährungs-wahnsinnig – diesen Zusammenhang beschreibe ich auch in meinem neuen Buch Ernährungswahn.Sie sind Diplom-Ernährungswissenschaftler, arbeiten hauptberuflich aber im PR-Bereich. Wieviel PR steckt in ihren Büchern? Iss was du willst verkauft sich schließlich bestimmt besser als ,,Halte dich zurück!''.

Natürlich steckt PR auch in meinen Büchern. PR muss ja sein, um die Aufmerksamkeit der Menschen zu bekommen und Zusammenhänge offen zulegen. Das machen schließlich alle Interessensvertreter in diesem Themenbereich. Gerade in der Berichterstattung über die richtige Ernährungsweise spielt PR eine große Rolle. Ich will nur an die Studie aus dem Vorjahr erinnern, in der berichtet wurde, in der die Schoko-Diät als neues Heilmittel propagiert wurde. Alle haben groß darüber berichtet, später hat sich die ganze Geschichte als Fake herausgestellt. Ganz klar: Immer allergrößte Vorsicht bei der Ernährungs-PR!

Abschließende Frage: Wie isst man als Iss-was-du-willst-Ernährungsexperte selber?

Genau so, wie ich es Ihnen gerade erklärt habe. Heute gab's ein Riesling-Geschnetzeltes mit Reis und Kartoffeln. Das hat sehr gut geschmeckt und alles, was sehr gut schmeckt – wenn Sie richtig Hunger haben – ist auch gesund für Sie.