Hilfe auf hoher See - organisiert vom Privatmann: Harald Höppner, ein Aktivist aus Brandenburg, hat die Initiative Sea-Watch initiiert. Zwischen Malta und der libyschen Küste leistet die MS Sea-Watch seit einigen Wochen Ersthilfe.

Am Vormittag des 8. Juli hatte die Sea-Watch-Crew ein manövrierunfähiges Flüchtlingsschiff entdeckt und holte Hilfe; das Schiff "Bourbon Argos" von "Ärzte ohne Grenzen" rettete daraufhin 98 Menschen, die auf ihrem Boot über das Mittelmeer trieben. Mittlerweile hat die MS Sea-Watch sieben Einsätze absolviert und das Leben von mehreren hundert Menschen gerettet.

Bei Twitter berichtet die Crew von ihren Einsätzen

Zwischen den Rettungsaktionen der ersten Wochen hat Initiator Harald Höppner Zeit gefunden, uns ein paar Fragen zu beantworten.
Wer steht hinter dem Projekt Sea-Watch?

Das Projekt wurde von mir als private Initiative gegründet. Den Start haben zwei Bekannte und ich aus eigenen Mitteln finanziert, seit dem 19. Mai sind wir ein eingetragener Verein.
Wie haben Sie das Projekt in der Startphase finanziert?

Ich habe eine kleine Exportfirma, in der ich Geschäftsführer bin. Von meinem privaten Vermögen habe ich 50.000 Euro in das Projekt investiert, zwei Bekannte von mir ebenfalls jeweils 50.000 Euro. Damit haben wir das Schiff gekauft, das wir mittlerweile an den Verein gespendet haben.

Wie und wann ging es los?

Am 20. Juni ist unser Boot zum ersten Mal aufs Mittelmeer gefahren, da war ich auch selbst mit dabei. Am 8. Juli, als 98 Menschen von uns gerettet wurden, waren wir zum ersten Mal alleine vor Ort. Unsere Rettungstruppe ist auf ein manövrierunfähiges Schlauchboot gestoßen und konnten unter anderem zwei schwangere Frauen und sechs Kinder bergen. Das Projekt ist für drei Monate geplant, bei Erfolg wird das Projekt verlängert.
Was passiert, wenn Ihr Rettungsteam ein Boot entdeckt?

Wir stabilisieren das Boot und rufen Hilfe: Wir informieren Behörden und umliegende Schiffe. Daneben leisten wir Erstversorgung; wir verteilen Rettungswesten und leisten medizinische Hilfe. Man muss nicht zwangsläufig die Flüchtlinge auf das eigene Schiff aufnehmen, um zu helfen. Wir leiten jedoch alles in die Wege, damit eine Rettung stattfinden kann.
Wer ist bei der Rettung alles an Bord?

Die Crew besteht maximal aus acht Leuten, die mindestens 14 Tage ehrenamtlich mitmachen: Vier Crew-Mitglieder, drei Ärzte und ein Journalist. Alle 14 Tage findet ein Crew-Wechsel statt.

"200.000 Euro sind auf dem Land viel Geld, auf dem Wasser jedoch nicht."

Was würde passieren, wenn die Flüchtlinge panisch reagieren und versuchen auf Ihr Boot zu klettern?

Wir halten immer entsprechenden Sicherheitsabstand. Sollte Panik auf dem Boot ausbrechen, sterben die Menschen. Sie haben ja keine Schwimmwesten.
Was passiert mit den Flüchtlingen, wenn sie gerettet wurden?

Die Flüchtlinge werden an das italienische Festland gebracht, aber das unterliegt nicht unserer Koordination. Sie werden dort registriert und kommen in ein Übergangslager. Ein rechtsstaatliches Asylverfahren entscheidet darüber, ob sie in Europa bleiben dürfen.

Bleiben Sie nach Ihrem Einsatz mit den Flüchtlingen in Kontakt?

Nein, es geht nur um eine Erste-Hilfe-Leistung vor Ort.
Haben Sie auch eine Anlaufstelle vor Ort?

Lampedusa ist unser Basislager. Wir haben ein paar Ferienhäuser gemietet, wo die Crew unterkommt. Dort befindet sich auch der Hafenplatz für unser Boot. Flüchtlinge können wir dort jedoch nicht unterbringen.
Könnte ich bei Ihrem Projekt als Privatperson mitmachen?

Wenn Sie die entsprechende Qualifikation als Notfallmedizinerin oder Rettungssanitäterin haben, ja.
Wie finanziert sich das Projekt derzeit?

Die Leute haben uns irgendwann gefragt, ob wir Spenden annehmen, und da sagen wir natürlich nicht nein. Es ist ja nicht ganz billig ein Schiff zu unterhalten: Alleine der Parkplatz für das Schiff kostet 6000 Euro für drei Monate.
Wieviel Geld hat der Verein mittlerweile mit Spenden eingesammelt?

200.000 Euro haben wir mittlerweile mit Spenden eingesammelt. Davon haben wir jedoch schon die Hälfte ausgegeben. 200.000 Euro sind auf dem Land viel Geld, auf dem Wasser jedoch nicht. Wir benötigen auch neue Rettungswesten und weiteres Rettungsmaterial. Das sind Dinge, die es nicht im Supermarkt zu kaufen gibt und die sehr viel Geld kosten. Wenn uns die Zivilgesellschaft mit den entsprechenden Mitteln ausstattet, könnten wir zum Beispiel auch über ein größeres Boot nachdenken.

"Wir sind keine Laien, die mit dem Boot einfach losfahren. Wir wissen was wir machen, und jeder für sich hat eine langjährige Erfahrung auf seinem Gebiet."

Haben Sie auch vor, die Ausgaben transparent auf Ihrer Seite zu veröffentlichen?

Das ist bei uns wie bei jedem eingetragenen Verein: Am Ende des Jahres gibt es einen Jahresabschluss, der im Handelsregister veröffentlicht wird.
Wie haben Freunde und Bekannte in der Startphase auf die Initiative reagiert?

Es gibt immer Menschen, die skeptisch sind, gerade in der Anfangsphase. Wir mussten uns auch den Vorwurf gefallen lassen, dass wir uns an dem Projekt bereichern wollen.
Hatten Sie vor dem Start des Projekts eine Rechtsberatung?

Wir haben einen Anwalt, der uns berät. Nicht, dass Sie uns falsch verstehen: Wir sind keine Laien, die mit dem Boot einfach losfahren. Wir wissen was wir machen, und jeder für sich hat eine langjährige Erfahrung auf seinem Gebiet. Ich persönlich fahre das Schiff ja auch nicht. Und ich bin auch kein Mediziner. Ich arbeite lediglich als Projektinitiator.
Was ist Ihr persönliches Ziel?

Unser Ziel ist eine zivile Seenotrettung. Wir wollen Leben retten, das Projekt in die Öffentlichkeit bringen und freuen uns natürlich über jeden Nachahmer.

Liegt euch das Projekt genauso am Herzen wie mir? Könntet ihr euch vorstellen, selbst aktiv werden? Schreibt mir eine Mail an gina.schad@ze.tt.