Über zehn Jahre flimmerte die US-Sitcom Friends über die Bildschirme. Ross, Rachel und ihre Freund*innen wurden zu Vorbildern einer ganze Generation. Eine Untersuchung der Indiana Wesleyan University in Washington zeigt allerdings (PDF), dass sich im Schein der heroischen Geschichte von Freundschaft und wahrer Liebe zahlreiche Klischees verstecken.

Laut den Wissenschaftler*innen werden die männlichen Figuren unter anderem triebgesteuert, dominant und emotional verschlossen charakterisiert, während die weiblichen Charaktere zwar unabhängig, aber auch extrem emotional und unterwürfig sind. Auch wenn dies nur Teile der Studie sind, machen sie eins deutlich: Hinter den Charakteren von Friends verstecken sich, trotz aller persönlicher Zuneigung für die Serie, Stereotypen. Und damit ist die Sitcom nicht alleine.

Das Problem dabei ist: Was wir im Fernsehen präsentiert bekommen, hat auch einen starken Einfluss darauf, wie wir mit dem anderen Geschlecht umgehen, schreibt unter anderem die Forscherin Hannah Goodall. Die neue Gender Watch App soll Forscher*innen künftig helfen, diese klischeehaften Darstellungen von männlichen und weiblichen Figuren in Filmen und Serien besser zu identifizieren. Auch in der Formatentwicklung könnte sie eingesetzt werden, um Charaktere mit zeitgemäßen Geschlechterrollen zu schaffen.

Wie funktioniert die App?

Entwickelt wurde die Gender Watch App von der Forschungsgruppe Media Creation der österreichischen Fachhochschule St. Pölten unter der Leitung von Dr. Rosa von Suess. Dabei handelt es sich nicht um eine App, die jeder von uns herunterladen kann. Die App ist Bestandteil eines ganzen Testlabors.

Das Ganze funktioniert so: In einem Vorführraum wird ausgewählten Proband*innen das zu analysierende Bildmaterial auf einer Leinwand gezeigt. Dabei kann es sich um einen Film, eine Serie, einen Werbespot oder auch eine Nachrichtensendung handeln – je nachdem, welchen Forschungsschwerpunkt die Wissenschaftler*innen setzen wollen.

Während der gesamten Dauer etwa eines Films haben die Zuschauer*innen die Möglichkeit, vorher definierte Eigenschaften wie "sympathisch", "kompetent", "intelligent" oder "temperamentvoll" per Drag and Drop auf die Figuren zu legen, die im Second Screen auf ihrem Tablet erscheinen. Wichtig ist: Dabei müssen nicht unbedingt nur Personen im Fokus sein, auch Gegenstände, Kulissen oder auch ein Auto können beurteilt werden. Zusätzlich gibt es eine Vibrationsfunktion, mit der das Tablet die Proband*innen daran erinnert, die Bewertung nicht zu vergessen, auch wenn das Gesehene sie in den Bann zieht. Es könnte auch auf besonders wichtige Szenen hinweisen.

Und eine weitere Funktion bietet dieser Laboraufbau: Forscher*innen können zuvor bestimmte Rollen definieren und sie von den Zuschauer*innen identifizieren lassen. Dr. von Suess erklärt: "Sie definieren vorher im Testscreening: Sie suchen die gute Mutter und die Rabenmutter. Die Eigenschaften dieser Typen wurden vorher diskutiert und die Zuschauer suchen dann nach denen." Mit diesem Feature ließen sich zum Beispiel die Forschungen von Dr. Eva Flicker mit einbeziehen. Flicker untersuchte das Rollenbild der Wissenschaftlerin in Spielfilmen, wie etwa Angelina Jolie als Lara Croft. "Das war uns sehr wichtig, dass diese App sehr anpassungsfähig ist", erklärt von Suess.

Augen auf beim Filmgucken

Die App soll vor allem in der Forschung eingesetzt werden. Das bedeutet aber nicht, dass sie nur in Universitäten unterkommen soll. Spannend wird es vor allem für Produzent*innen, wenn das Tool zum Beispiel in der Formatentwicklung und in den Forschungsabteilungen von großen Sendern Anwendung finden. Diese haben auch bereits starkes Interesse angemeldet.

Auch Filmproduzentin Karin Berghammer ist es ein Anliegen aufzudecken, wie hartnäckig Stereotypen in der Film und Fernsehproduktion Programmrealität sind. Als Vorstandsmitglied des österreichischen Vereins "FC Gloria – Frauen Vernetzung Film" setzt sie sich für die "Wahrnehmung und Förderung der künstlerischen, wirtschaftlichen, rechtlichen und kulturellen Interessen aller Frauen, die in der Filmbranche tätig sind" ein.

Sie ist ebenfalls an der App beteiligt und hat unter anderem Anregungen dafür gegeben, welche Bewertungsmöglichkeiten für Filmfiguren interessant sind. "Das Interesse liegt darin, herauszufinden, wie die Figuren bewertet werden, um dadurch Rückschlüsse auf die Darstellung von Männern und Frauen zu erhalten", sagt Berghammer. "Wo lässt beispielsweise die Bewertung auf sexistische Darstellung schließen und wo liegen zum Beispiel die Unterschiede bei der Bewertung ein und derselben Figur durch diverse Zielgruppen. Auch die Frage 'Stellen Regisseurinnen Frauen anders dar als Regisseure?' ist in diesem Zusammenhang interessant."