ze.tt-Redakteur Till ist vor Kurzem mit seiner Freundin zusammenzogen, in dieser Kolumne schreibt er darüber. Die ersten Teile könnt ihr hier nachlesen.

Wir nehmen uns viel Zeit, sagten wir. Das ist nun mal unsere erste gemeinsame Wohnung – das ist etwas Besonderes und soll deswegen auch besonders aussehen. Die Einrichtung soll zeigen, wer wir sind: Ein bisschen Hippie, aber vor allem minimalistisch. Die Möbel werden entweder handgemacht oder zumindest auf Flohmärkten, freshen Berliner Second-Hand-Möbel-Schuppen oder über Kleinanzeigen zusammengesucht, um einen einzigartigen Stil zu kreieren. Palettensofa und Lichterketten sind ein Muss. Und wie gesagt: Egal wie lang das am Ende dauern wird, es muss besonders werden. Ikea? Bloß nicht.

Das war Ende Juli. Jetzt, zweieinhalb Monate später, müssen wir feststellen: Ikea hat gewonnen. Statt der einzigartigen Möbel aus unseren Träumen haben wir jetzt: Lack, Pöang und Ivar. Wie konnte das passieren?

Wie im Katalog

Ok, vorab: Das mit dem Palettensofa hat geklappt. Wir besorgten uns in einer Nacht- und Nebelaktion sechs Europaletten, die glücklicherweise überall in Berlin rumliegen, schliffen sie ab und bestellten Sitzkissen dazu. So konnten wir günstig eine nette Liegewiese für unser Wohnzimmer bauen. Ums Balkongeländer haben wir Lichterketten geschwungen. Zwei unserer konkreten Ziele also: done.

Zumindest im Wohn- und Schlafzimmer ist es uns gelungen, ein paar wenige Elemente einzubauen, die nicht Massenware sind. So ist der Schreibtisch meiner Freundin der, auf dem sie schon im Elternhaus lernte. Ihre Hängematte aus Bali haben wir quer durchs Wohnzimmer gespannt, fürs Schlafzimmer fand ich über ein Inserat einen antiken Spiegelschrank.

Die restlichen, sagen wir 70 Prozent der Wohnungseinrichtung kauften wir dann doch bei der weltweit größten Möbelschleuder. "Komm, besorgt euch doch lieber was von Ikea, da ist mit 500 Euro viel gewonnen und es geht schnell. Wird eh darauf hinauslaufen", sagte mein Vater uns noch und wir schüttelten innerlich die Köpfe.

Bloß kein Ikea, sagten wir uns. Jetzt leben wir zusammen mit: Kallax, Bränas, Ragrund, Dragan, Hol und Skoghall.

Seit August watschelten wir vier Mal durch den Ikea in Berlin-Lichtenberg. Zusammen mit tausenden weiteren Menschen, die vielleicht nicht ideenlos, aber bestimmt bequem waren. Oder, wie wir, einfach keinen Nerv dafür hatten, dass die eigene Wohnung erst in einigen Monaten fertig eingerichtet sein würde.

Und jetzt? Nix mit liebevoller Eigengestaltung. Stattdessen günstige, millionenfach hergestellte Massivholzteile, wie sie jede*r zweite in der Bude stehen hat. Das Badezimmer? Komplett mit Ikea-Zeug ausgestattet, Ragrund, Dragan, Hol, Skoghall. Im Eingangsbereich das kleine hüfthohe Regal, Kallax, komplett mit vier Bränas-Körben als Einschübe, 1:1 wie im verschissenen Katalog. In der Küche Ivar – die Kombination aus Esszimmertisch und vier Stühlen. Die Gewürzregale Bekväm. Sogar das ganze Essbesteck, die Schüsseln und der Kühlschrank (!) kommen von Ikea (mir sind gerade die Namen entfallen).

Verdammt nochmal, wir haben die Macht der Schweden unterschätzt. Oder doch nur die Macht der Zeit, von der wir alle zu wenig haben?

Schneller!

Das kann der Laden nämlich, das muss man ihm lassen. Er ist überall, es geht schnell, es ist einfach. Vermutlich ist es das große Geheimnis des Erfolgs: Ikea holt diejenigen ab, die keine Zeit haben. Und, na ja, das sind halt verdammt viele Menschen. Als ob irgendwer abends nach acht Stunden Arbeit oder einem ganzen Tag Uni noch Lust aufs große Heimwerken hätte. Dann lieber nur einen Samstag lang Stress, bisschen durchs Ikea-Labyrinth geschleust werden, bisschen Möbel aufbauen, als seien sie ein Lego-Haus, fertig.

Ein Kollege hatte mir schon zu Beginn unseres Vorhabens prophezeit: Das wird viel Arbeit. Ich wollte es anfangs nicht glauben, aber allein für das oben erwähnte Palettensofa – über das wir wirklich glücklich sind – brauchten wir eine gefühlte Ewigkeit. Bis wir die Zeit fanden loszuziehen und die Paletten zu besorgen, bis wir sie bearbeiten konnten, bis wir nach zwei Versuchen die passenden Kissen fanden. Nicht auszumalen, wir hätten uns für den Rest ebenso viel Zeit gelassen.

Es ist doch so: Ein Zuhause muss bequem sein, es muss ein Rückzugsort sein. Da muss man runterkommen und entspannen können. Wer heimkommt und sieht, was immer noch nicht fertig ist, was noch gemacht werden muss, der kann auch nicht abschalten und den Tag hinter sich lassen.

Insofern verbindet uns mit Ikea jetzt eine Art Hassliebe. Wir hassen es, weil wir es nicht vermeiden konnten, unsere Wohnung mit Massenware-Möbeln einzurichten. Aber wir lieben es auch, weil es uns dabei geholfen hat, unsere Wohnung günstig – und vor allem schnell – wohnlich machen zu können.

Auch, wenn wir es nicht geschafft haben, uns so viel Zeit für die Einrichtung zu nehmen und unsere erste gemeinsame Wohnung möbeltechnisch nicht so einzigartig geworden ist, wie wir es uns vorgestellt hatten: Besonders ist sie für uns trotzdem. Und wir haben trotz 70 Prozent Ikea eine Wohlfühloase schaffen können. Aber wir verstehen jetzt alle, die lieber 200 Kröten in die Hand nehmen und sich bei Ikea flott irgendeine Couch holen. Einfach, damit sie eine haben.

Ich blicke regelmäßig auf die Zeit in unserer ersten gemeinsamen Wohnung zurück und berichte über meine Erfahrungen. Ich freue mich über eure persönlichen Geschichten zum Thema: Seid ihr auch an Ikea gescheitert? Schickt mir eine Mail unter till.eckert@ze.tt.