Den ersten Teil der Kolumne über den Einzug in die Wohnung könnt ihr hier nachlesen.

In der ersten Nacht klatschte es so laut, dass meine Freundin und später auch ich aufwachte. Ja, richtig gelesen: Es klatschte Fleisch aneinander, minutenlang. Und das Klatschen ballerte erhaben durch den Innenhof, zu dem unser Schlafzimmer ausgerichtet ist. Nach kurzen, zufriedenen Seufzern war dann Ruhe.

In der zweiten Nacht hatte unser Nachbar Besuch von einem Rudel Wölfe, die gemeinsam den Mond anheulten. Zumindest hörte sich das mehrminütige Jaulen seiner Sexualpartnerin im Hall des Innenhofs sehr ähnlich an, von dem ich um 3 Uhr aufwachte. 

Ich lag so da und lauschte dem Stöhnen der Anderen. Unfreiwillig, etwas perplex, mit leichtem Groll, weil ich ja pennen wollte, aber auch mit seltsamen Interesse. Ich wurde neugierig und fragte mich Dinge, die ich mich selten fragte: Wer tut es dann da jetzt gerade mit wem? Wie mögen die Figuren dieses Liebesspiels aussehen? Ich dachte aber auch: Das kann gerade nicht wirklich Spaß machen, wenn das brutale Klatschen sogar die Vögel vom Dach vertreibt und sich die Lustschreie so gequält anhören, als würde gerade jemand krepieren.

Hast du das eigentlich auch gehört?

"Ey, die könnten wenigstens die Fenster dabei schließen." Die Morgen danach waren viel weniger awkward, als man annehmen könnte. Wir fragten uns am Frühstückstisch bei Ei und Orangensaft beispielsweise ganz locker, ob wir das nächtliche Peitschen und Ächzen wahrnahmen und wie wir das jetzt bewerten.

Dazu muss gesagt werden, dass die Situation davon erschwert wird, dass der Nachbar abends auch während der Woche so leise ist wie eine Kreissäge. Seine Wohnung im linken Seitenflügel des Hauses grenzt direkt an unsere. Ungelogen: Beinahe jeden Abend feiert er in seiner Bude irgendeine Party. Außerdem gehört er zur Gattung der Nachtköche, die am liebsten nach 1 Uhr mit Töpfen und Besteck scheppern.

Uns freut, dass sein social life so zu florieren scheint. Aber wir wollen dennoch intervenieren. Spätestens dann, wenn sein sex life auch wieder so vernehmbar floriert.

Klar, unsere erste gemeinsame Wohnung liegt in einer besonders hippen urbanen Gegend, wo Menschen Abends lange draußen sitzen, sich Freunde einladen und eben auch gerne harten, geräuschvollen Sex haben. Im schwäbischen Dorf, da unten im Süden wo wir herkommen, da wäre sowas ein Fall für die Lokalpresse. Aber wir leben nunmal in Berlin, da gehört das zum way of life.

Wir hoffen trotzdem, dass wir fortan nicht jedes Wochenende von fremden Geschlechtsverkehr geweckt werden, dessen Klang sich tief in unser Gedächtnis einbrennt. Also diskutierten wir über geeignete Reaktionen, sollte das wieder vorkommen.

Joa, und wir so?

Ich sagte, wir könnten ja auf Anraten eines Kollegen einen Zettel mit netter Botschaft am Fenster anbringen, auf dem der Wunsch steht, dass sie ihre Triebe vielleicht am Abend statt in der Nacht ausleben, das würde allen Parteien helfen. Wir verwarfen den Gedanken, irgendwie ist das dann doch spießig.

Sie sagte, der Schlüssel sei, den Nachbarn zu einer anderen Technik zu raten. Weniger buttern, mehr genussferkeln zum Beispiel, dann dauere es nicht mehr so lange zum Höhepunkt. Aber auch das scheint uns nicht der richtige Weg zu sein, irgendwie ist das anmaßend.

Vielleicht simulieren wir einfach Mal extrem lauten Koitus, überlegten wir uns kurz, schreien und schlagen mit der Handfläche gegen die Wände, um Rache zu üben. Aber das ist irgendwie ärmlich. Außerdem wollen wir es uns ja nicht gleich nach wenigen Wochen mit dem Nachbarn verscherzen – nur weil er Sex und Spaß hat. Ein Dilemma.

Das bestialische Klatschen jedenfalls zeigte Wirkung. Schließlich hatten wir so etwas erbarmungsloses noch nie vorher in unserem Leben gehört. Klar reflektierten wir nach so einem traumatischen Erlebnis auch unser eigenes Sexualleben.

Was wir daraus mitnehmen? Nein, wir müssen wir da jetzt nicht Schritt halten. Nein, so laut muss Sex sicher nicht sein, dass er gut ist. Und nein, Sex wird nicht besser, wenn man es um 3 Uhr nachts tut, wegen einer günstigen Konstellation der Sterne oder so. Wir ändern gar nichts, sagten wir uns, und versuchen einfach, nicht halb Berlin an unserem Beischlaf teilhaben zu lassen. Indem wir künftig manisch prüfen, ob die Fenster alle zu sind.

Danke dafür, lieber Nachbar.

Ich blicke regelmäßig auf die Zeit in unserer ersten gemeinsamen Wohnung zurück und berichte über meine Erfahrungen. Ich freue mich auch Tipps zum Thema. Wie geht ihr mit dem Stöhnen eurer Nachbar*innen um? Schickt mir eine Mail an till.eckert@ze.tt.