Manchmal berichten meine Freundinnen und ich uns von unseren schlimmsten Date-Erlebnissen. Da kommen dann Geschichten über Typen, die auf ihrem Tinderprofil 25 und in der Realität 45 sind. Oder Geschichten über den Charmebolzen, der eine Freundin ständig mit falschem Namen ansprach. Oder über den Typen, der beim Schreiben auf Tinder so clever rüberkam und in der Realität unfreundlich und verschlossen war.

Abends im kleinen Kreis sind diese Begegnungen lustig und gute Geschichten, welche die Runde beleben. Steckt man aber als Frau mittendrin im Dating-Game, ist das oft weniger spaßig. Man fühlt sich hin- und hergerissen zwischen seinen eigenen Bedürfnissen und der Realität. Man fragt sich "Hat er das gerade wirklich gemacht?!", sucht aber gleichzeitig auch nach Entschuldigungen und möglichen Erklärungen für das schlechte Benehmen des Gegenübers. Schließlich möchte man ihm eine Chance geben. Vielleicht versteckt sich hinter dem Rüpel ja doch der Traumpartner?

Eine Kurzgeschichte zeigt, wie mies Dates laufen können

Wer das für Gejammer einer frustrierten Emanze aus Berlin hält: Es scheint ein größeres Problem zu sein. Denn Kristen Roupenian zeichnet in ihrer Kurzgeschichte Cat Person im New Yorker ein ähnliches Bild.

Mädchen, er ist einfach ein unangenehmer Typ! Raus aus diesem Date und gut ist!

In der Geschichte lernt die 20-jährige Margot bei ihrem Job den älteren Robert kennen. Sie schreiben einander über Wochen hinweg Nachrichten, sie findet ihn charmant und eloquent. Bei ihrem ersten offiziellen Date verhält sich Robert aber immer wieder befremdlich oder gar unangenehm. Margot empfindet sein Benehmen als immer seltsamer, sucht aber immer wieder nach möglichen Entschuldigungen und Begründungen für seine Unfreundlichkeiten.

Liest man Margots Erlebnisse und wie ihr Roberts unangenehmes Verhalten auffällt, wie sie aber darüber hinwegsieht, wie sie sich selbst die Schuld für seine Unhöflichkeit gibt, stöhnt man unwillkürlich auf. Mädchen, er ist einfach ein unangenehmer Typ! Raus aus diesem Date und gut ist!, möchte man ihr zurufen. Gleichzeitig weiß man aber, dass man selbst mal Margot war. Dass man vielleicht heute noch manchmal Margot ist.

Er lässt dich nie ausreden? – Ach, er ist nur nervös!

Er macht Witze über deinen Job? – Er ist einfach ein lustiger Typ, man soll sich schließlich nicht so ernst nehmen!

Er ist eingeschnappt, weil du Scherze über seinen Job gemacht hast? – Das ist doch klar! Er brennt einfach für seinen Beruf, darüber sollte man sich nicht lustig darüber machen!

Kristen Roupenians Kurzgeschichte erzählt von einem miesen Date. Es ist nicht das schlechteste Date aller Zeiten. Aber es vereint viele Erfahrungen, die sehr viele Frauen schon gemacht haben. Wir können diese Geschichte in die Schublade "Wow, so krass! Ging mir auch mal so!" stecken und bald wieder vergessen. Oder sie als Anstoß nehmen, über unsere Erfahrungen zu sprechen.

Wie kann Dating wieder Spaß machen?

Warum glauben viele Frauen immer noch, dass ein mieses Date das Produkt ihres Verhaltens sei? Warum glauben Männer, dass sie eine Rolle spielen müssen, um gemocht zu werden? Und am allerwichtigsten: Warum gehen wir davon aus, dass diese Verhaltensweisen normal sind? Dass schlechte Dates, wie jenes in der Kurzgeschichte, einfach dazu gehören zum Finden des*der Traumpartner*in?

Lasst uns über diese Fragen sprechen. Im kleinen Kreis beim Frauenabend, aber auch in größerer Runde mit Männern. Damit wir in Zukunft weniger Zeit damit verschwenden, Entschuldigungen für komisches Verhalten zu suchen oder uns hinter einer Fassade zu verstecken. Lasst uns stattdessen mehr Spaß haben. Gemeinsam.

Anmerkung: Dem*der aufmerksamen Leser*in dürfte aufgefallen sein, dass in diesem Artikel nicht gegendert wird. Das liegt daran, dass großteils über die Erfahrungen von heterosexuellen Frauen berichtet wird.