Was wäre, wenn man Lob behandeln würde wie eine Blume, die man geschenkt bekommen hat? Wenn man es mit nach Hause nehmen und an dem schönsten Ort in der Wohnung platzieren würde, es pflegen und dafür sorgen würde, dass man sich auch Wochen später noch daran erfreuen kann?

Anstatt sich so über Lob zu freuen, fangen manche Menschen an zu zweifeln. Sie behandeln das Lob wie einen Infekt, den sie sich eingefangen haben. Sie wissen nicht, woher es kommt. Sie wissen nur: Es bedeutet nichts Gutes.

Menschen, die so negativ auf Lob reagieren, sind eventuell vom "Imposter-Syndrom" betroffen. Sie gehen davon aus, dass Lob – sei es direktes, verbales Lob oder indirektes, in Form einer Beförderung oder eines Abschlusses – eher auf Glück als auf die eigenen Fähigkeiten zurückzuführen ist. Sie meinen, die Anerkennung im Prinzip nicht verdient zu haben, dass sie dem Zufall geschuldet ist.

Viele bekannte und erfolgreiche Persönlichkeiten haben damit zu kämpfen. Facebook-Chefin Sheryl Sandberg bekennt: "Es gibt immer noch Tage, an denen ich aufwache und mich fühle wie eine Hochstaplerin." Der deutsche Schauspieler Daniel Brühl kennt das Gefühl: "Meine Selbstzweifel werden leider mit dem Alter nicht weniger, es wird eigentlich immer schlimmer," sagt er. Zahlreiche Schriftsteller wie Hermann Hesse oder Künstler wie Michael Jackson plagten Zweifel an der eigenen Leistung.

Warum Kritik manchmal angenehmer ist als ein Lob

Wer zum Imposter-Syndrom neigt, dem mangelt es häufig nicht an Erfolg und Anerkennung. Nur löst das Lob ein unangenehmes Gefühl in ihnen aus: Ungewissheit.

Lob gibt einem einerseits das Gefühl, dass man nichts mehr ändern muss und fordert gleichzeitig heraus. Lob löst Druck aus, ja so zu bleiben wie man ist. Oder halt noch besser. Lob löst Fragen aus: Hat der Lobende überhaupt die Autorität, das Lob auszusprechen? War das alles nicht gerade viel zu einfach? Bin ich ein Blender und andere zu dumm, das zu merken? Oder hätte jemand anderes meine Aufgabe aus dem Stegreif wuppen können?

Kritik dagegen ist oftmals konkreter. Man stellt die Autorität des Kritisierenden, die Richtigkeit oder die Relevanz seiner Kritik seltener so extrem in Frage wie im Falle eines Lobes. Denn die Kritik bringt einen direkten Wunsch, einen Änderungsvorschlag mit sich. Sie gibt eine Richtung für unser Handeln vor, der wir uns sofort annehmen können; wenn auch mal mit Trotz und Skepsis.

Der Hang dazu, ein Lob in Selbstkritik zu verkehren, scheint ein Laster der Leistungsgesellschaft zu sein. Man will immer gut, nein, am besten, sein. In jeglicher Hinsicht. Kein Streber, aber auch kein Gammler, sondern ein Supermensch, der cool, locker und zugleich intelligent und sympathisch ist. Wir stellen absurd hohe Ansprüche an uns, denen wir nie gerecht werden können.

Wir selbst sind unsere ehrlichsten Kritiker

Die Blender dieser Welt haben es da deutlich leichter. Sie würden sich niemals derart streng hinterfragen. Sie denken nicht darüber nach, wie andere sie finden oder ob andere besser sind. Nur hinterfragen sie sich halt auch nie und täuschen andere.

Das Ziel sollte eher eine gesunde Selbstreflexion und -wahrnehmung sein. Wir selbst sind unsere ehrlichsten und besten Kritiker. Am besten eignet man sich ein Maß an Höflichkeit für sich selbst an, einen Kritik-Knigge, ein oberstes Gebot für die Gedankenwelt, die übertriebener Zweifeln keinen Raum lässt: Selbstreflexion erlaubt, Sabotage verboten.

Ein Lob sollte uns daran erinnern, dass anderen unsere Leistungen positiv aufgefallen sind. Man selbst darf das aber auch durchaus schon vorher bemerken und sich selbst loben. Andere wissen nicht, dass man nächtelang an einem Projekt oder einer Aufgabe gearbeitet hat. Sie wissen auch nicht, dass man dabei den tiefsten Wunsch verspürt hat, das Leben seiner Katze zu führen, die den ganzen Tag nur essen und schlafen muss.

Wenn wir unsere Arbeit dann abgeben, dann verdienen wir das Lob für unser Engagement. Wir sollten den Erfolg dann nicht emotionslos abnicken, als wäre nichts gewesen. Das Gefühl, das man sich aus seinen Erfolgen ziehen kann, kann einen wahnsinnig pushen. Das fühlt sich so an, als würde man Musik hören, tanzen oder mit den besten Freunden über Gott und die Welt philosophieren. Diese Momente, in denen man seine Schale ablegt, man selbst ist und verstanden wird. Und sich plötzlich super groß fühlt. So sollten sich auch unsere Erfolge anfühlen.

Und wenn uns das Supersein mal nicht gelingt, halten wir es wie Barney: