Es war eine folgenreiche Entdeckung, die der japanische Chemiker Kikunae Ikeda im Jahr 1907 machte. Er fragte sich, warum ihm manche Lebensmittel und Speisen so gut schmeckten, etwa Tomaten oder die Seetang-Suppe seiner Frau. Im Zuge seiner Nachforschungen stieß er auf Glutamat, das Salz der Glutaminsäure. Später gelang es ihm, den Stoff aus der Pflanze zu extrahieren. Fügt man es Lebensmitteln hinzu, verstärkt es ihren Eigengeschmack. Auf der Zunge gibt es sogar einen eigenen Geschmacksrezeptor für Glutamat. Neben süß, sauer, salzig und bitter gilt Umami (japanisch für fleischig und herzhaft, wohlschmeckend) als die fünfte Geschmacksrichtung.

Heute braucht man keinen Seetang mehr, um Glutamat herzustellen – jedes Jahr produziert die Lebensmittelindustrie mehr als eine Million Tonnen davon. Es findet sich in Tütensuppen, Chips, Dönerspießen, Tiefkühlpizza und vielen Gerichten asiatischer Restaurants.

Drei Kritikpunkte

Obwohl der Stoff in Deutschland über die Zusatzstoff-Zulassungsverordnung seit dem Jahr 1978 erlaubt ist, gibt es Zweifel an seiner Unbedenklichkeit. Im Wesentlichen nennen die Kritiker drei Punkte:

  1. Der Stoff sei verantwortlich für das sogenannte China-Restaurant-Syndrom. Menschen mit Glutamat-Unverträglichkeit klagen nach dem Essen von Speisen, die damit versetzt wurden, etwa über Herzrasen, Schwäche und taube Arme.
  2. Er könne bei der Entstehung von neurodegenerativen Erkrankungen eine Rolle spielen. Das sind Leiden, bei denen Nervenzellen zerstört werden, wie etwa Morbus Alzheimer, Morbus Parkinson, Multiple Sklerose oder Amyotrophe Lateralsklerose.
  3. Es gebe einen Zusammenhang zwischen dem Verzehr von Glutamat und Gewichtszunahme. Weil der Stoff das Geschmacksempfinden anregt, habe man früher wieder Hunger, selbst wenn der Körper eigentlich noch keine Nahrung bräuchte.

Wie so häufig gibt es – außer bei Punkt 1 – Studien, welche die Kritikpunkte entweder bestätigen oder widerlegen. In unregelmäßigen Abständen gibt es auch Artikel, die Glutamat verteufeln oder von jedem Verdacht, schädlich zu sein, freisprechen. Die meisten Untersuchungen deuten darauf hin, dass von Glutamat kein Risiko ausgeht. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung geht deshalb auch davon aus, dass Glutamat ungefährlich ist.

Neubewertung durch die EU

Trotzdem kommt der Geschmacksverstärker noch einmal auf den Prüfstand. Allerdings nicht unbedingt, weil es neue bahnbrechende Erkenntnisse gäbe. Hintergrund ist vielmehr, dass die EU Zusatzstoffe mittlerweile prüft und zulässt. Diesen Job erledigt die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit, kurz Efsa, mit Sitz in Parma in Italien.

Die EU-Kommission hat beschlossen, alle Zusatzstoffe, die vor 2009 zugelassen wurden, erneut zu prüfen. Weil es so viele sind, erfolgt das schrittweise. Die Efsa ist verpflichtet, Glutamat bis Ende des Jahres neu zu bewerten. Es ist allerdings unwahrscheinlich, dass die Behörde komplett von vorne anfangen wird. Ähnlich wie bei dem umstrittenen Pflanzengift Glyphosat wird sie vielmehr vorhandene Studien überprüfen und beurteilen, wie seriös oder reproduzierbar sie sind.

Macht Glutamat dick?

Am unklarsten dürfte die Faktenlage bei Kritikpunkt 3 sein: Die Vermutung, dass Glutamat den Appetit anregt und zu Übergewicht führt. Lothar Kroh, Professor für Lebensmittelchemie an der Technischen Univeristät Berlin und sonst kein Skeptiker von Glutamat, sagt: "Man regt damit das Geschmacksempfinden an. Gerade Kinder, die ihren Appetit noch nicht so zügeln können, werden unter Umständen fett."

Hans-Ulrich Grimm, Kritiker der Lebensmittelindustrie und Autor des Bestsellers "Die Suppe lügt", pflichtet ihm bei: "Unter Glutamateinfluss sinkt das Leptinlevel im Körper." Leptin hemmt das Auftreten von Hungergefühlen. Wer Glutamat gegessen hat, hat also früher wieder Hunger, selbst wenn der Körper eigentlich noch keine Nahrung bräuchte. "Es trickst einen Naturmechanismus aus", sagt Grimm. Er verweist unter anderem auf eine Studie aus dem Jahr 2012 aus Brasilien. Sie zeigt, dass Schweine, die Glutamat-Hefeextrakte im Futter hatten, schneller zunehmen.

Die Apothekenrundschau nennt eine Studie aus dem Jahr 2010, die knapp 1300 Chinesen über fünf Jahre untersuchte und im British Journal of Nutrition erschien. Die Forscher fanden keinen Zusammenhang zwischen Glutamat und einer Gewichtszunahme. Dagegen deuten die Ergebnisse einer anderen Studie aus dem Jahr 2011, die im Fachmagazin American Journal of Clinical Nutrition veröffentlicht wurde, auf ein mögliches Risiko für Übergewicht hin. Antje Gahl, Ernährungswissenschaftlerin bei der Deutschen Gesellschaft für Ernährung, sagte der Apothekenrundschau dazu: "Es liegen derzeit keine aussagekräftigen Studien vor, die einen Zusammenhang zwischen Glutamat und Übergewicht belegen."

Häufig getarnt als "Hefeextrakt"

Wer also Bedenken gegenüber dem Geschmacksverstärker hat, sollte genau auf Etiketten oder Schilder in Restaurants achten. Die Kennzeichnung "ohne künstliche Geschmacksverstärker" ist übrigens häufig irreführend. Glutamat verbirgt sich nicht nur hinter den E-Nummern 620 bis 625, sondern auch in Bezeichnungen wie Hefeextrakt, Aroma und Würze.

Komplett vermeiden lässt sich Glutamat ohnehin nicht: Wir essen den Stoff fast täglich – allerdings in Proteinen gebunden. Er kommt in natürlicher Form etwa in Pilzen, Tomatenmark oder Fleisch vor. 100 Gramm Parmesan enthalten zum Beispiel bis zu 1,2 Gramm natürliches Glutamat.