Manchmal können Mutter und Vater nerven, wenn sie einen zu oft behüten und einem Dinge abnehmen wollen. Aber als junger Erwachsener will man nicht immer bevormundet werden. Wie kommt man mit seinen Eltern besser zurecht?

Der Prozess der Ablösung beginnt in der Pubertät. Auch wenn man erwachsen ist, kommt es öfter zu Konflikten mit Mutter und Vater. Gerade wenn man noch zu Hause wohnt, fällt es den Eltern schwer zu akzeptieren, dass man unabhängig sein will.

"Wichtig ist, dass die Eltern sich nicht ständig in die Entscheidungen des erwachsenen Kindes einmischen", erklärt die Münchner Familientherapeutin Rosemarie Schuckall. Wenn man noch zu Hause wohnt, kann vor allem Ordnung ein Streitthema sein: "Es ginge definitiv zu weit, wenn die Mutter oder der Vater das Zimmer des Kindes ohne Rücksprache aufräumen und putzen", sagt die Therapeutin. Das sei unter Umständen das Aufrechterhalten eines Machtanspruchs, denn sogar mit Putzen erhalte man Herrschaft. Die Eltern müssen es manchmal auch aushalten können, wenn das Kind einen anderen Ordnungssinn habe als man selbst.

Junge Studierende sind häufig auf Eltern angewiesen

Psychologen sprechen vom Phänomen Helikoptereltern: Eltern, die bis ins Erwachsenenalter ihrer Kinder um ihre Sprösslinge kreisen. Es gibt auch Studien, die besagen, dass das Verhältnis junger Erwachsener zu ihren Eltern sich verändert habe: Die Eltern seien eher Berater und Unterstützer, was nicht unbedingt schlecht sein muss. In einer Studie der Hochschul-Informations-System GmbH (HIS) von 2012 gaben 52 Prozent der befragten Studierenden an, dass sie sich während des Studiums von ihren Eltern stark unterstützt fühlten.

Druckmittel Geld

Viele Studierende wollen unabhängig sein, nehmen Jobs an und versuchen, alleine zurecht zu kommen. Aber oft wollen die Eltern die jungen Erwachsenen finanziell stärker unterstützen und sagen: "Komm, wir geben dir ein bisschen Geld." Laut Rosemarie Schuckall sei das durchaus auch eine Form des Familienzusammenhalts, da es den Kindern vermittle, dass die Eltern für sie da seien. Allerdings sollte keine Bedingung an das Geld geknüpft sein, denn diese könnten letztlich wie Erpressung wirken.

Mit Geld entsteht auch ein Abhängigkeitsverhältnis. Wenn die Eltern dem Kind eine große Menge Geld leihen oder eine Wohnung schenken, kann es sein, dass die Eltern es nur gut meinen. "Wenn die Eltern jedoch vermitteln, dass sie nur schenken, weil sie denken, du schaffst es alleine ja eh nicht', ist das ja eine ganz andere Sache. Hier steckt im Geschenk eine Menge Entwertung", sagt Schuckall. Es kommt immer auch auf die unterschwelligen und nonverbalen Botschaften an. Sie rät deshalb, möglichst mit den Eltern darüber zu sprechen, welche Empfindungen und Gedanken das Geschenk auslöst, was bei einem ankommt und was man nicht möchte.

Eigene Wohnung – endlich unabhängig?

"Das Gefühl des Erwachsenseins ist etwas sehr Individuelles und muss auch nicht zwingend mit dem Auszug aus dem Elternhaus zusammenhängen", sagt die Familientherapeutin Rosemarie Schuckall. Oft seien es sogar die Eltern, die sich den Auszug der Kinder wünschen. In Deutschland ziehen Töchter früher aus als Söhne: Das Durchschnittsalter von Töchtern liegt bei 23 Jahren, das von Söhnen bei 25 Jahren.

Auch wenn das Kind bereits in einer eigenen Wohnung lebt, gibt es noch Konflikte. Zum Beispiel, wenn Eltern glauben, bestimmend auf das Leben des jungen Erwachsenen einwirken zu müssen. Die Kind-Eltern-Bindung ändert sich auch im Lauf des Lebens durch Einschnitte wie Krankheit, Unfälle oder Tod von Familienmitgliedern. Besonders problematisch wird es dann, wenn zum Beispiel Krankheit als Druckmittel für Wohlverhalten und und Unterordnung benutzt wird, sagt Rosemarie Schuckall.

Verständlich sei es, wenn die Eltern sich wünschen, dass das Kind nach der Rückkehr aus dem Urlaub Bescheid gibt, dass es gut zurückgekommen ist, sagt Schuckall. Schwieriger wird es, wenn aus übertriebener Sorge häufiger Anrufe erwartet werden. "Auch ist definitiv zu viel, wenn die Eltern fünfmal am Tag anrufen." Das seien Kontrollanrufe. "Meine Erfahrung hat gezeigt, dass der betroffene junge Mensch dann automatisch selbständiger wird, wenn sich die Anrufe reduzieren", sagt sie. Auch wenn Eltern mit einem Ersatzschlüssel in die Wohnung gehen, ohne zu klingeln, ginge das weit über die gebotenen Grenzen hinaus.

Unterschiedliche Wahrnehmung: Kommunikation ist das Wichtigste

"Meist ist es einfach eine unterschiedliche Wahrnehmung", sagt Schuckall. Mit wem triffst du dich? Wann kommst du nach Hause? Soll ich dir nicht die Wäsche waschen? Die Eltern machen sich oft Sorgen oder wollen dem Kind etwas Gutes tun. Das Kind dagegen empfindet solche Fragen nicht selten als inadäquate Kontrolle der Eltern.

Wenn Eltern dem Kind etwas schenken, wollten sie ihm vielleicht nur eine Freude machen. Das Kind aber denkt: Kapieren die denn nicht, dass ich das nicht brauche?! Schenken Sie das nur, weil es ihrem Lebensstandard entspricht und sie denken, ich sollte auch so leben?

Die Lösung: offene und wertschätzende Kommunikation von beiden Seiten. "Am besten es, in der konkreten Situation auszusprechen, was man möchte und was man nicht möchte", erklärt die systematische Familientherapeutin. Wenn die Situationen sich häufen und keine Klärung möglich wäre, kann eine Einzel- oder Familientherapie in Betracht gezogen werden. Letztere sei oft noch erfolgreicher. "In der Einzeltherapie kann der junge Erwachsene herausfinden, wie Entmündigung stattfindet und wie er oder sie Abgrenzung und Selbstbewusstsein lernen kann", sagt Schuckall. In der Familientherapie lernen alle gemeinsam, wie sie besser miteinander umgehen können.