Würde es sich bei Finn Wolfhard nicht um einen angehenden Weltstar sondern den eigenen kleinen Bruder handeln, den die Freund*innen gerade wirklich heiß finden, die Aufregung wäre vorprogrammiert. Aber auch so ist Twitter mittlerweile ganz schön am dampfen.

Schon seit der ersten Staffel von Stranger Things, die seit Juni 2016 auf Netflix verfügbar ist, spätestens aber seit dem Anlaufen der zweiten Staffel vor zwei Wochen dreht das Internet wieder durch, sobald die Gesichter des wohl aktuell begehrtesten Kindercasts über die Bildschirme flimmern. Allen voran natürlich der heute 14-jährige Finn Wolfhard, geboren 2002, und die heute 13-jährige Millie Bobby Brown, geboren 2004. Bei den Dreharbeiten waren die beiden gerade 13 und zwölf Jahre alt – nichtsdestotrotz wurden sie bereits von diversen Magazinen für ihre Schönheit gefeiert und in Szene gesetzt wie junge Erwachsene. Die Profitmaschine möchte so früh wie möglich angeschmissen werden, auch wenn sie heute in einer anderen, vermeintlich progressiveren Verpackung präsentiert wird als in den frühen 2000ern.

Manch eine*r erinnert sich noch an die Winterfotostrecke 2016 für Dazed and Confused, wo Finn in bekannter Avantgarde-Manier in zu weiten loose Klamotten von J.W.Anderson und Out-of-bed-Look posiert. Nur, aus welchem Bett soll der damals 13-Jährige bitte gestiegen sein?

Er trägt die Haare zurückgegelt wie 20-jährige Berliner Szenemodels und spricht damit optisch – Überraschung, Überraschung – nicht nur Fans, sondern auch andere Models an. Nur, dass diese nicht im angehenden Teenageralter sondern 27 Jahre alt sind. Das Model Ali Michael hat beispielsweise ein Foto von Finn in ihrer Instagram-Story gepostet, in der sie ihn darum bittet sich noch mal in vier Jahren zu melden.

Später mag der Altersunterschied von 13 Jahren keine besondere Rolle mehr spielen, heute hat diese Anspielung einen beklemmenden Beigeschmack. Möglich dass Michael – sie hat sich später entschuldigt –das Ganze nur als Scherz gemeint hat. Nichtsdestotrotz hat sie damit für viele Twitteruser*innen eine Grenze überschritten, indem sie öffentlich darüber sprach sich zu einem Kind hingezogen zu fühlen. Zumindest wurde ihre Insta-Story so gedeutet.

Jemanden nach eigenen, subjektiven Kriterien attraktiv zu finden oder zu jemandem sexuell hingezogen zu sein, sind immer noch zwei Paar Schuhe. Die visuelle Inszenierung des Casts trägt jedenfalls nicht unbedingt dazu bei, die Grauzone des Begehrens zu verlassen.

Obwohl die Serie allerlei spannende erwachsene Schauspieler*innen zeigt – Winona Ryder beispielsweise – liegt der Presse- und Medienfokus klar auf den Kids, die sich nicht nur super zu verstehen scheinen, sondern auch ideale Projektionsflächen abgeben. Finn und Millie werden weiterhin so behandelt und visuell inszeniert, als ob es sich bei ihnen um vollentwickelte Individuen mit einem 20-jährigen Erfahrungshorizont handeln würde.

Wenn Millie Bobby Brown (Eleven) über den roten Teppich läuft, schreiben Journalist*innen später, wie erwachsen sie ausgesehen hätte. Als ob dies ihre schmeichelhafteste Charaktereigenschaft wäre. Nehmen Journalist*innen, schreibende Influencer, Models und Talkshowhosts diesen Kindern mit solchen Ansprüchen nicht ebenso etwas weg, wie sie es vor fünfzehn Jahren bei Lindsay Lohan, den Olsen Twins oder Britney Spears getan haben? Frauen, deren Sexualität schön früh missbraucht und auf glamourösen Magazincovern inszeniert wurde, um die Kassen klingeln zu lassen?

Daniel Radcliffe, Ashton Kutcher, Justin Timberlake, Elijah Wood und Leonardo DiCaprio können ebenso ein Lied davon singen – auch wenn sie besser weggekommen sind als ihre weiblichen Trainwreck-Counterparts.

Klar kann man heute sagen: Gender-Stereotype wurden aufgebrochen, die Kids sehen doch alle ganz normal aus. Wenig Schminke, keine BH-Einlagen. Die Verkleidung ist eine andere, die Ästhetik hat sich geändert. Statt in billigen Netzoberteilen laufen die coolen Kids von heute in prestigeträchtigen Designerkleidung herum, die sich perfekt instagrammen lässt. Aber, und hier kommen wir zum Knackpunkt, genau diese reduzierte Ästhetik, die Finn und Millie in den Fotostrecken repräsentieren, gilt gerade als erstrebenswert, schön und sexy. Also, wo ist noch mal der gewaltige Unterschied? Es gab dieses Jahr sogar ein Sexy-Eleven-Halloween-Kostüm zu kaufen.

Viele ehemalige Kinderstars haben erst als Erwachsene über ihre Erfahrungen gesprochen, die sie als hypersexualisierte Kinderstars in der Unterhaltungsindustrie machen mussten. Den Druck, zu funktionieren.

Also, an alle Fans und auch Nicht-Fans da draußen: Ihr könnt die Serie ruhig feiern, weil sie herausragende Talente auf den Schirm geholt hat, über ein gutes Storytelling verfügt und nebenbei eine unprätentiöse Hommage an die Looks der Achtziger ist. Aber bitte hört auf, Kinder wie Finn, Millie, Caleb, Max und Noah als sexy, hot oder dateable zu bezeichnen – sie sind nicht euer letzter Tinder-Crush, sondern schlicht und einfach: zu jung. Zumindest für die meisten von euch.

Es mag ja sein, dass Finn Wolfhard, Millie Bobby Brown – und seit der neuen Staffel auch heiß begehrt: Sadie Sink (Max) – objektiv betrachtet Menschen mit herausragenden Gesichtszügen sind, aber das haben Mainstream-Schauspieler*innen nun mal so an sich. Sie sind und bleiben Kinder und das sollten wir als Gesellschaft auch respektieren.