Spaß zu haben ist im Iran eine riskante Angelegenheit. Die Behörden sprengen regelmäßig Untergrundpartys, auf denen sich Frauen und Männer näher kommen. Alkohol ist verboten. Eine Religionspolizei wacht darüber, dass die strengen Sittengesetze eingehalten werden. Selbst wer in der Islamischen Republik einfach nur gerne tanzt, riskiert Repressionen. Doch immer mehr junge Menschen wollen sich nicht mehr bevormunden lassen. Das Video einer jungen Iranerin hat das Zeug dazu, zum Symbol einer selbstbewussten iranischen Generation zu werden.

90 Sekunden lang tanzt die Frau, die sich Sahra nennt, zu einem House-Song in einem Park in Teheran. Das nur lose umgeworfene Kopftuch, Pflicht für alle iranischen Frauen, fällt bei dem extrem schnellen Shuffle-Tanzstil irgendwann auf die Schultern. Sahra tanzt weiter ihren Freestyle und schaut dabei in die Kamera, als würde sie sagen wollen: "Schaut her, ich tanze hier in Skinny Jeans und es ist mir scheissegal, ob irgendwelche Typen jetzt mein sündhaftes Haar sehen können!" Manche Passanten drehen sich irritiert um, andere scheint es nicht zu stören.

"Das Stereotyp der jämmerlichen iranischen Frau trifft in den großen Städten nicht zu"

Dutzende ähnliche Videos, in denen sie mal an öffentlichen Plätzen, mal zu Hause tanzt, hat die junge Frau auf Instagram hochgeladen. Hier entdeckt man eine kleine Untergrundszene, die sich für Techno, House und den dazugehörigen Shuffle-Tanz begeistert.

"Shuffle ist etwas total Neues im Iran. Mehr als eine gemeinsame Choreographie haben wir noch nicht auf die Beine stellen können", sagt die Teheranerin Helia. Die 30-Jährige hat sich wie die meisten anderen in den letzten ein bis zwei Jahren Videos angeschaut und so den Stil angeeignet, der sich Ende der 1980er-Jahre in der Melbourner Technoszene entwickelt hat.

"Ich bin eine gebildete, unabhängige Frau, die sich in der Welt zu Hause fühlt", sagt Helia. Mit ihren Videos möchte sie ein weniger bekanntes Bild von iranischen Frauen zeigen. "Ich sage nicht, dass Frauen im Iran gerecht behandelt werden. Aber das Stereotyp der jämmerlichen iranischen Frau, die nicht Auto fahren darf, im Teenageralter verheiratet wird und bis zur Hochzeitsnacht Jungfrau bleiben muss, trifft in den großen, modernen Städten nicht zu."

"Wenn es zu viele Verbote gibt, wird das Regelbrechen Alltag"

Trotzdem begibt sich Helia in Gefahr, wenn sie in der Öffentlichkeit tanzt. Welche Strafe sie fürchten muss, wenn die Sittenwächtern sie erwischen, weiß sie nicht genau. Obwohl offiziell nicht verboten, unterbinden iranische Behörden öffentliche Tanzaufführungen immer wieder. Sechs junge Iraner, die ein Video zu Pharrels Happy drehten, in denen drei Frauen ohne Kopftuch zu sehen waren, wurden 2014 verhaftet, im Fernsehen erniedrigt und zu bis zu einem Jahr Gefängnis und 91 Peitschenhieben verurteilt. Immerhin auf Bewährung. Jüngst verprügelten Irans Sittenwächter eine 14-Jährige, weil sie Jeans mit Löchern trug. Laut Amnesty International erhielten zwischen März 2013 und März 2014 fast drei Millionen iranische Frauen eine polizeiliche Verwarnung, da sie den islamischen Dresscode verletzt haben sollen.

Trotz Polizeigewalt und Repression testen Frauen wie Helia die Grenzen des Gottesstaates aus. Auch wenn es nicht primär um Protest des Protests willen geht. "Shuffle ist halt schneller Street Dance. Da kann man nicht verhindern, dass das Kopftuch runterfällt. Wenn es zu viele Verbote gibt, wird das Regelbrechen Alltag." Helia meint, dass iranische Frauen lernen müssen, sich selbst zu respektieren. "Seinen Körper zum Beat bewegen – wem soll das denn weh tun? Ich habe nur diese kurze Zeit auf diesem Planeten und was ich gerne mache, ist das Tanzen. Deshalb sind mir die Tadler und Richter egal." Die Konservativen, die sich der staatlich-religiösen Linie unterordnen, würden nur darunter leiden, dass sie ihre natürlichen Bedürfnisse als Sünde betrachten.

Unterstützung finden Helia und ihre Freund*innen trotz der jungen iranischen Szene von Gleichgesinnten aus aller Welt. "Viele großartige Tänzer kennen uns und unsere Videos. Sie laden uns zu virtuellen Wettbewerben ein und ermutigen uns. Niemand kann einen Menschen stoppen, der entschlossen ist, glücklich zu sein."