In Japan ist die Hochzeit einem Sprichwort zufolge "das Grab des Lebens". Das gilt vor allem für Frauen und liegt an der traditionellen Rollenverteilung. Männer sind die Versorger der Familie, rund 60 Prozent der Frauen geben nach der Heirat ihren Job auf, werden Hausfrau und ziehen die Kinder groß (in der Regel zwei). Wer als japanische Frau Karriere machen möchte oder überhaupt arbeiten möchte, bleibt daher oft allein.

Erst seit dem Jahr 2007 haben Frauen nach der Scheidung einen Anspruch auf die Hälfte der Rente ihres Mannes. 40 bis 50 Prozent aller Verheiraten haben einem Bericht der japantimes zufolge keinen Sex mehr.

Die Hochzeit selbst läuft in Japan häufig eher bürokratisch ab. Um zu heiraten, müssen Braut und Bräutigam nicht mal im selben Raum sitzen. Gefeiert wird mitunter an einem anderen Tag als dem der Eheschließung, schreibt die NZZ. Die Hochzeit ist so nicht mehr als das Ausfüllen eines Formulars.

Heiraten ist in Japan also oft eine eher traurige Angelegenheit, weshalb viele Frauen den Schritt immer weiter hinauszögern – um dann ab Mitte 30 als "makeinu" zu gelten, als Verliererhund. Kein Wunder also, dass in Japan die Zahl der Hochzeiten sinkt, während das Hochzeitsalter immer weiter ansteigt. Heirateten Frauen in den 1950er Jahren im Schnitt noch mit 23 Jahren, lag das Durchschnittsalter im Jahr 2011 schon bei 29. Die Hälfte der Frauen in diesem Alter ist dem Japan Statistics Bureau zufolge noch Single. Dennoch planen 90 Prozent aller Singles (egal ob männlich oder weiblich) zu heiraten.

Alleine heiraten dauert zwei Tage

Wer als Frau dennoch einmal ein Brautkleid tragen möchte, dem hilft Natsumi Akai, 37, aus Kyoto. Sie bietet seit zwei Jahren "solo weddings" an: Die Frauen heiraten einfach alleine. Die Zeremonie zieht sich über zwei Tage und konzentriert sich vor allem auf die Wahl eines Brautkleides und Fotos der Single-Braut im japanischen Garten von Kyoto. Es gibt keinen Standesbeamten, der eine Rede hält oder Hochzeitsgäste, die Konfetti werfen.

Rund 2.700 Euro müssen die Frauen für diesen Service zahlen. Die meisten ihrer Klientinnen sind älter als 35 Jahre und 70 Prozent von ihnen Single, schreibt Akai auf Anfrage von ze.tt. 20 Prozent sind verheiratet, doch die Hochzeit lief unglamurös ab – diese Kundinnen würden zumindest einmal in ihrem Leben ein Hochzeitskleid tragen wollen. Die restlichen zehn Prozent sind geschieden. Die meisten ihrer Kundinnen sind Japanerinnen, aber sie hatte auch schon Frauen aus anderen Ländern. "Viele zeigen die Bilder niemandem", erklärt sie. "Sie tun es nur für sich selbst."

In Japan würden Frauen selten festlich kleiden, erklärte Akai dem Guardian – und liefert damit einen weiteren Grund für die Nachfrage nach ihrem Service. Die Fake-Hochzeit bietet die Gelegenheit, sich einmal richtig hübsch zu machen. Auch Akai hegte diesen Wunsch seit ihrer Kindheit. "Damals las mir meine Mutter Geschichten von Prinzessinnen vor, die schöne Kleider trugen." Seitdem wollte sie immer ein schönes Hochzeitskleid tragen – aber nicht warten, bis sie den richtigen Mann findet. "Ich lehne Heiraten nicht ab, aber ich will mir auch keinen Druck machen." So kam sie auf die Idee, sich einfach selbst ein schönes Kleid auszusuchen, es anzuziehen und sich darin fotografieren zu lassen. "Seit ich im Juli 2014 damit angefangen habe, hatte ich 160 Kundinnnen", schreibt sie. Ihr Programm sieht nach nach Angaben auf ihrer Website so aus:

Tag 1:

  • 13 Uhr: Vorgespräch mit der Tourkoordinatorin Natsumi Akai
  • 14 Uhr: Fahrt zu einem Brautmoden-Laden und Wahl des Kleides
  • 16 Uhr: Wahl des Brautstraußes
  • 17 Uhr: Fahrt ins Hotel – wer nicht alleine zu Abend essen möchte, dem leistet Akai Gesellschaft

Tag 2:

  • 9 Uhr: Treffen in der Lobby, Fahrt zur Stylistin
  • 9:30 Uhr: Make-up und Styling
  • 11 Uhr: Fahrt zur Fotolocation im japanischen Garten
  • 13:30 Uhr: Rückfahrt zum Stylisten, Kleidungswechsel und (falls gewünscht): Abschminken
  • 14 Uhr: Schluss. Die Fotos erhalten die Kundinnen auf einem USB-Stick innerhalb eines Monats

Ihr Geschäft läuft gut. "Ich bin immer ausgebucht", teilt sie mit. Die nächsten Termine gibt es erst wieder ab Mai 2017.

  • Artikel über den Solo Wedding Service im Guardian, in dem die Autorin einen Selbstversuch unternommen hat
  • Für die NZZ hat Lena Schnabl eine Kundin zwei Tage lang begleitet