In mehreren Ländern Afrikas und Asiens ist Homosexualität illegal. Um verdächtigen Männern und Trans-Frauen ihre Homosexualität nachzuweisen, werden sie zu entwürdigenden und fragwürdigen Untersuchungen gezwungen.

"Die zwei schlimmsten Erlebnisse meines Lebens: die forensische Untersuchung beim Arzt und danach das Urteil: zwei Jahre Gefängnis. Jede Nacht erinnere ich mich daran. Ich schlafe sehr schlecht", sagt der Ägypter Muharram im Interview für einen Bericht von Human Rights Watch. Wahrscheinlich hat er stellvertretend für viele Opfer auf der ganzen Welt gesprochen.

Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch hat einen 90-seitigen Bericht (PDF) veröffentlicht, der zu dem Schluss kommt, dass in den letzten fünf Jahren in mindestens acht Ländern Anal-Zwangsuntersuchungen bei mutmaßlichen Homosexuellen durchgeführt wurden. Dabei handelt es sich um Ägypten, Kamerun, Kenia, Libanon, Sambia, Tunesien, Turkmenistan und Uganda.

Laut des Berichts führen Doktor*innen oder medizinisches Personal ihre Finger oder andere Objekte in den Anal-Kanal der Verdächtigten ein. Gesetzesvollzieher*innen und medizinisches Personal in den betroffenen Ländern behaupten, über die Farbe des Schließmuskels oder die Form des Anus' schließen zu können, ob eine Person Analverkehr habe oder nicht. Gegenüber Buzzfeed behauptete Dr. Maged Louis, ein Arzt in Kairo beispielsweise: "Die Form des Loches verändert sich [durch Analverkehr]: Der Anus sieht nicht mehr normal aus, sondern wie eine weibliche Vagina."

Viele europäische und US-amerikanische Ärzt*innen sagen dagegen, es sei unmöglich durch Untersuchungen herauszufinden, ob eine Person regelmäßig gleichgeschlechtlichen Sex hat. So sagt Dr. Joel Palefsky, ein Professor der Universität California, der auf Anal-Krebs spezialisiert ist im Interview mit Buzzfeed: "In unserer Klinik haben wir tausende Anal-Untersuchungen durchgeführt. Nicht einmal in 20 Jahren habe ich einen Anus gesehen, der wie eine Vagina aussieht."

In einem Clip über den Bericht von Human Rights Watch kommt Dr. Sami Kawas zu Wort, ein forensischer Mediziner. Er sagt: "Anal-Untersuchungen können nichts beweisen: Nicht, ob jemand homosexuell ist oder nicht, nicht ob jemand passiv ist oder nicht. Diese Behauptung ist eine der größten medizinischen Lügen, die es gibt."

Für den Bericht hat Human Rights Watch mit 32 Opfern gesprochen, mit Anwält*innen, Aktivist*innen aus den jeweiligen Ländern, sowie mit Doktor*innen, die die Untersuchungen selbst durchgeführt haben, außerdem mit forensischen Mediziner*innen auf der ganzen Welt.

Der Bericht beweist: Abgesehen von der zweifelhaften, medizinischen Sinnhaftigkeit der Untersuchungen erfahren die Opfer schlicht sexuelle Gewalt. In manchen Fällen ist sogar von Folter die Rede. Einige Opfer berichten von anhaltenden Traumata. Das medizinische Personal, das die Untersuchungen durchführt, verletzt damit internationale, medizinische Ethikstandards. Zudem gefährden solche Tests die HIV-Prävention, da die Arzt-Patient-Beziehung zerstört wird.

Das Ausmaß der menschenverachtenden Untersuchungen ist von Land zu Land unterschiedlich. In Ägypten und Tunesien passieren sie regelmäßig. Die Ergebnisse der Untersuchung werden den Männern und Trans-Frauen dann in einer Gerichtsverhandlung als Beweismaterial angelastet. In Tunesien wird "Sodomie", sittenwidriges Verhalten, mit bis zu drei Jahren Gefängnis geahndet. Das Gesetz geht nicht etwa auf einen streng ausgelegten Islam, sondern auf die französische Kolonialzeit zurück.

"I was the first to enter to the room where the doctor was. I asked the doctor, ‘What is the test?’ He said, ‘A test like a woman’—meaning a virginity test."

Amal, Tunesien

In anderen Ländern wie Kamerun und Zambia sind laut des Berichts weniger dieser Untersuchungen durchgeführt und als Beweis vor Gericht angeführt worden. Aus Kenia gibt es zwar Meldungen über Anal-Tests, die Ergebnisse wurden den Opfern aber nie als Beweis vor Gericht angelastet, da keiner der Fälle vor Gericht landete. Trotz Verbot werden im Libanon diese Untersuchungen von einzelnen Doktoren durchgeführt. In Turkmenistan, einem der repressivsten Staaten der Welt, war Human Rights Watch nicht in der Lage zu forschen, sprach aber mit mehreren im Exil lebenden Betroffenen. Sie bestätigten, dass Anal-Untersuchungen dort durchgeführt werden.

Erzwungene Anal-Untersuchungen, die die Homosexualität der Verdächtigten nachweisen sollen, sind eine Menschenrechtsverletzung, für die es keinen rationalen Grund gibt. Sie sind Folter, böse, unmenschlich und degradierend. Betroffene Staaten verletzen die Würde und Grundrechte der Männer und Trans-Frauen, die sie der Homosexualität verdächtigen.