Nach einer Gehirnerkrankung veränderte der 50-jährige Italiener quasi über Nacht seine Identität. Seither verhält er sich wie eine überzeichnete Karikatur eines Franzosen: er spricht schnelles Französisch, mit überzogener Intonation und gestikuliert dabei übertrieben mit den Händen. Grund dafür ist ein seltenes Phänomen, bekannt als zwanghaftes Fremdsprachensyndrom (compulsive foreign language syndrome). Weltweit leiden ungefähr 60 Menschen darunter.

In einer aktuellen Studie von der University of Edinburgh ist zu lesen, dass der anonymisierte Mann namens JC seit der Schule nicht mehr französisch gesprochen hatte und auch sonst kein großes Interesse an Frankreich hatte. Außer einer kurzen Beziehung mit einer französischen Frau in seinen 20ern, hatte er nie eine besondere Verbindung zur französischen Kultur oder Cuisine aufgebaut. Seit der Identitätsverwirrung besitzt er nun zahlreiche französische Filme und Bücher – und er backt unaufhörlich französisches Brot. Die Studie wurde im Fachjournal Cortex veröffentlicht.

Während er noch auf italienisch schreibt, spricht er bei jeder Gelegenheit französisch. Mit seinen verwunderten italienischen Verwandten, mit Berater*innen und Fachärzt*innen, sogar mit dem Komitee, das über seine Rentenversicherung entscheiden sollte. Es irritiert ihn übrigens nicht, wenn ihn seine Gegenüber nicht verstehen. Er könnte einfach nicht anders, denn er würde auch auf französisch denken.

JC zeigt zudem andere Verhaltensabweichungen: Größenwahn, Schlafstörungen und ungerechtfertigte Euphorie, die er selbst als "joie de vivre" bezeichnet. Eine Folge dieser Euphorie sei, dass er jeden Morgen die Fenster zu seinem Schlafzimmer öffnet und "Bonjour" in seine Nachbarschaft brüllt. Er würde außerdem eine übertriebene Anzahl von Produkten kaufen. Statt der benötigten zwei Kleiderbügel kaufte er beim letzten Einkauf gleich 70 Stück.