In der Debatte um #MeToo zeigt sich, dass viele Männer offensichtlich nicht wissen, wie sie damit umgehen sollen, wenn Frauen über sexuelle Belästigung sprechen.

Auch der Autor Tomasz Kurianowicz fragt sich in seinem Artikel Der verunsicherte Mann für ZEIT ONLINE, ob Männer dazu im Stande sind, zu verstehen, was Belästigung für Frauen bedeutet. Er beschreibt seine eigene Verwirrung und Unsicherheit darüber, wie er Teil der Debatte sein könnte. Am Ende plädiert er dafür, dass nicht das Geschlecht, sondern das Wesen wahrgenommen werde solle und Geschlechterdifferenzen hinter uns gelassen werden müssen.

Ich erkenne das als einen noblen Gedanken an – der aber wenig mit der aktuellen Situation in der Gesellschaft zu tun hat. Meiner Meinung nach sollte es in der Diskussion nicht darum gehen, Frauen in eine Opferrolle zu stecken, alle Männer über einen Kamm zu scheren, sondern darum, klar auszusprechen: Männer werden niemals wissen, was es bedeutet eine Frau zu sein. Noch weniger, was es bedeutet, als Frau sexuell belästigt zu werden.

Frau sein, das heißt, dass dir Professoren in der Uni auf die Brüste starren

Es geht nicht nur um sexuelle Belästigungen, sondern ganz generell um die unterschiedliche Betrachtung und Behandlung von Frauen und Männern. Und genau dort müssen wir ansetzen, wenn wir etwas ändern wollen.

Bereits als Kind wurde mir ständig erklärt, dass gewisse Sachen als Mädchen zu gefährlich wären, etwa Teil der Feuerwehr zu sein oder Fußball zu spielen. Als Teenager durften die Jungs längst ausgehen, als es für mich als Mädchen angeblich noch zu früh war. Selbst im Journalismus-Studium musste ich mir noch dumme, sexistische Kommentare von Professoren und Kollegen anhören. Professoren, die mir während Gesprächen auf die Brüste starrten. Kollegen, die jeden Erfolg auf mein Geschlecht reduzierten: Mehr Follower*innen auf Twitter – wegen meines Profilbildes. Bei einer Straßenumfrage viele Statements gesammelt – wegen meines Aussehens. Eine eins auf eine Präsentation bekommen – wegen meines Outfits. Manche solcher Aussagen sind an sich vielleicht nicht einmal böse gemeint. Und trotzdem reduzieren sie mich ausnahmslos auf mein Aussehen und verletzen mich.

Anna Sauerbrey beschreibt ähnliche Erfahrungen in ihrem Essay Es fühlte sich an, als würden wir uns auf einen Krieg vorbereiten für den Tagesspiegel. "Jede noch so banale sexistische Bemerkung erinnert uns daran, dass wir zuerst Körper sind (...). Sie erinnern uns an all die kleinen und großen Verletzungen der Selbstbestimmung über diesen Körper, an die besondere Sozialisation dieses Körpers und an seine besondere Verletzlichkeit."

Sexualität als eine Waffe

Am besten kann man den Sexismus, der in unserer Gesellschaft grassiert, daran beobachten, wie über Frauen in der Öffentlichkeit gesprochen wird. Passt Menschen nicht, was Frauen sagen oder denken, wird ihre Sexualität angegriffen: ihr Style, ihre Figur, ihr Alter. Auch wenn es um Journalismus geht: Während bei meinen männlichen Kollegen der Stil, die Rechtschreibung oder einfach die Meinung kritisiert wird, greifen Kritiker*innen häufig mein Alter oder mein Aussehen an. So entstehen Kommentare, dass Journalistinnen je nach Thema zu wenig oder zu viel durchgefickt worden seien oder eben zu hässlich oder zu schön für den Journalismus wären.

Ich finde es ehrlich gesagt zum Kotzen, dass manche Menschen glauben, die Sexualität als eine Art Waffe missbrauchen zu dürfen, um Frauen anzugreifen.

Es gibt meiner Erfahrung nach Männer, die entweder nicht verstehen, was Sexismus ist, oder ihn verharmlosen. Nach dem Motto: War doch lieb gemeint, nimm es als ein Kompliment. Und dann gibt es noch die Gattung selbsternannter Frauenversteher: Sie tragen vielleicht Feminismus-Shirts oder setzen sich für taffe Frauen ein, doch wenn es in Diskussionen darum geht, Verständnis zu haben, dann fehlt es ihnen. Sie denken, alles selbst erlebt zu haben. Doch einen Vergewaltigungsaufruf oder einen abfälligen Kommentar über ihre Sexualität bekommen sie selten. Sie wissen nicht, was es bedeutet, sich andauernd Sorgen darüber zu machen, welcher Mann nun gefährlich ist und welcher nicht.

Das bedeutet nicht, dass Männer nichts tun können

Auch wenn Männer nie wirklich nachempfinden können, was es bedeutet, permanenter sexueller Herabwürdigung ausgesetzt zu sein, können sie doch zuhören und zunächst versuchen zu verstehen.

Der Autor Patrick Catuz beschreibt auf purpurr.at, was Männer außerdem tun können"Es ist nicht unser Platz, uns jetzt zurückzulehnen mit dem Verweis, man habe ja nichts falsch gemacht. Es liegt in unserer Verantwortung, etwas daran zu ändern. Mit unserem Verhalten gegenüber Frauen, aber vor allem auch gegenüber anderen Männern. (...) Ich hoffe, dass sich damit auch mehr Männer dafür gewinnen lassen, offen und direkt dagegen vorzugehen. Wir sind in der besten Position, das zu tun. Genau dort, wo das Problem seine Wurzel hat. Unter Männern."

Abgesehen davon, ob Sexismus gerade im medialen Diskurs diskutiert wird oder nicht, müssen wir alle daran arbeiten, dass sich unsere Gesellschaft bewegt. Und zwar dorthin, wo die Sexist*innen erst gar keinen Raum haben, um ihre Gedanken auszusprechen oder umzusetzen. Das muss eine Konstante werden, unabhängig davon, ob es gerade Debatten um Harvey Weinstein, Taylor Swifts Begrapscher oder Keshas Produzenten gibt.