Die Mauer vor dem Hamburger Bahnhof ist grau, etwas sieben bis zehn Meter lang und kniehoch. Obendrauf ist ein Gitter. Die Stadt hatte es vor mindestens zehn Jahren dort angebracht, wie eine Sprecherin auf Anfrage von ze.tt sagte. Den Grund dafür könne sie nicht mehr nennen. "Das ist einfach zu lange her. Vielleicht war es ein Schutz gegen Tauben."

Von der Mauer und dem Gitter hatte lange Zeit hatte niemand Notiz genommen. Doch dann war der Einwohnerverein St. Georg von 1987 e.V. darauf aufmerksam geworden und hatte Anfang des Jahres auf Facebook und seiner Webseite darüber berichtet. Der Zaun sei erst kürzlich angebracht worden, so der Verein. Die Mitglieder vermuten, dass er Obdachlose und Randgruppen vom Bahnhof fern halten soll. Mittlerweile hat der Verein sowohl den Facebookeintrag als auch den Beitrag auf der Homepage entfernt. "Der Bezirksbürgermeister hat zu uns Kontakt aufgenommen und uns erklärt, dass dieses Gitter da schon sehr lange steht. Daraufhin haben wir den Text runtergenommen", sagt Ulrich Gehner vom Verein zu ze.tt.

Doch da war schon etwas in Gang gekommen. Die Macher*innen von Hamburger Gabenzaun am Hauptbahnhof hatten den Beitrag gesehen. Er brachte sie "kurzerhand auf eine Idee". Warum nicht Dinge, die Obdachlose brauchen können, an den Zaun hängen? Jeder könnte helfen und den Gabenzaun bestücken. Ende Januar hängten sie die ersten Tüten auf. Wer dahinter steckt, ist unbekannt. Die Initiator*innen möchten anonym bleiben.

Große Resonanz in sozialen Netzwerken

Durch Medienberichte und Facebook verbreitete sich die Idee und mehr und mehr Leute packten Dinge in Tüten und hängten sie an den Zaun. Darin sind etwa verpackte Nahrungsmittel, Bücher oder Kleidung. Andere Sachen sollten besser nicht aufgehängt werden: "Bitte keine Medikamente, offene oder verderbliche Lebensmittel oder Glasbehälter an den Zaun", schreiben die Macher*innen bei Facebook. Die Tüten sind zudem beschriftet, damit Bedürftige gleich wissen, was sich darin befindet.

Die Resonanz ist gewaltig. "Man kann als Außenstehender aus weiter Ferne nicht oft genug auf diese Glanztaten hinweisen. Tolle Aktion in HH, warum nicht einmal überall?", schrieb etwa ein Facebook-User auf der Seite des Gabenzauns. Ein anderer kommentiert: "Toll, wenn sowas Positives aus etwas Negativem entsteht!", "Einfach unschlagbar ... super Aktion", eine andere. Wie Fotos auf der Facebookseite zeigen, senden Menschen aus ganz Deutschland Pakete an die Initiatoren, damit diese den Inhalt an den Zaun hängen.

Die Stadt reißt den Zaun ab

Lange wird es den Gabenzaun aber nicht mehr geben. "Die Mauer stört die Fußgängerströme und ist absolut überflüssig", sagt die Sprecherin. "Es ist an diesem Bereich schon immer sehr, sehr eng." Deshalb lässt das Bezirksamt Hamburg Mitte die Mauer "im Lauf des ersten Halbjahres" abreißen. Ersatz für die Gabenmauer sei nicht geplant.

"Gegenseitige Hilfe ist immer gut", sagt die Sprecherin. Wer helfen wolle, könne dies auch künftig tun. Rund um den Bahnhof gebe es insgesamt 19 Hilfseinrichtungen für bedürftige Menschen. "Es gibt genug Möglichkeiten, wenn man sich engagieren will."

Der Einwohnerverein will nicht einfach hinnehmen, dass die Stadt die Mauer abreißt. "Sie erfüllt einen stadtplanerischen Zweck. Wir werden ordentlich Rabbatz machen", sagt Gehner.