Unterwegs mit einem verlorenen Clown

Im Auto waren wir insgesamt zu viert. Das Auto war edel und sauber, Essen wurde uns gleich mal vorab verboten. -1 Sympathiepunkt. Dann ein für meine Verfassung unpassender "Scherz" vom Fahrer, den ich erst nicht als solchen erkannte: "Wir fahren doch nicht nach Rosenheim, sondern nach XY. Von da könnt ihr mit dem Zug fahren". -1 Sympathiepunkt. Achso, das sollte ein Scherz sein. Ich sagte dem Fahrer, wie unglaublich unlustig das war, vor allem für diese Uhrzeit. "Ach, ihr Österreicher habt keinen Humor", war seine Antwort. -1 Sympathiepunkt.

Kaum auf der deutschen Autobahn angekommen, wurde aus dem verlorenem Clown eine übermotivierte Rasersau. Meine Mitfahrer und ich haben geschwitzt, als säßen wir in mehreren Saunen. Es folgten weitere Beschimpfungen über das "zurückgebliebene Österreich". "Bananenrepublik mit Geschwindigkeitsbegrenzungen auf den Straßen", sagte er. -1000 Sympathiepunkte. Als er einen Wohnwagen mit niederländischem Kennzeichen sah, wurde Österreich als schwarzer Peter abgelöst. "Diese Niederländer verstopfen immer die deutschen Autobahnen, wenn sie in den Urlaub fahren. Die gehen aber, Gott sei Dank, eh bald unter." Was?! -1 Million Sympathiepunkte.

Drei Stunden, vier Liter Schweiß-Verlust und etliche Beleidigungen später waren wir endlich in Rosenheim. Nein, nicht in Rosenheim. Er hat uns nämlich direkt und so knapp wie nur menschenmöglich hinter der Autobahn rausgeschmissen. Gut, er hatte seinen Zweck erfüllt. Unsere Laune war allerdings am Boden.

Eine Achterbahnfahrt der Gefühle

Im Gegensatz zu Philipp habe ich fast nur gute Erfahrungen mit Mitfahrgelegenheiten gemacht – immerhin nutze ich das Angebot seitdem ich zehn Jahre alt bin. Aber meine letzte Fahrt hat mich derart abgeschreckt, dass ich mir das zukünftige Mitfahren stark überlegen werde. Ich fuhr mit einem jungen Pärchen.

Schon zu Beginn der Fahrt machte sich die emotionale Ader der Fahrerin bemerkbar: Sie beschimpfte sämtliche Verkehrsteilnehmer – ohne Grund. Es schossen Wörter über ihre Lippen, die ich noch nicht einmal zu denken wage. Später holten wir noch ihren Verlobten ab. Der Rest glich einer emotionalen Achterbahnfahrt: In einem Moment liebkosten sich die beiden, im nächsten artete eine harmlose Kleinigkeit – sie hatte seinen Koffer nicht korrekt gepackt – in einen herzzerreißenden Streit aus. Da halfen auch Kopfhörer nichts.

Brunftzeit auf dem Weg nach Berlin

Ein Pärchen ruinierte auch mal eine meiner Fahrten. Es ging von Hamburg nach Berlin. Unser Fahrer – schätzungsweise 50, definitiv zu lange Single – hatte eine alte Bekannte – schätzungsweise 40, uneindeutig ledig oder vergeben – eingesammelt und fuhr nun betont lässig, betont schnell und redete dabei betont viel, um seinen Schwarm zu beeindrucken.

Es war November und früh dunkel geworden, im Radio hatten sie eine Glatteiswarnung rausgegeben. Das hinderte den Single-Mann aber nicht daran, seinen Brunftfahrstil zu steigern – bis es knallte. Ich weiß nicht, was es war, vielleicht ein Hase, ein Wiesel, ein kleines Reh, jedenfalls rammten wir ein Tier. Anhalten? Nö, Mr. Macker fuhr weiter, und als wollte ihn das Karma bestrafen, blieb der Wagen liegen. In der Kälte warteten wir auf den Abschleppdienst, der uns mit vier Stunden Verspätung nach Berlin brachte. Da fuhren schon keine Bahnen mehr, die Taxifahrt nach Hause kostete mich mehr als die Mitfahrgelegenheit. Aber immerhin für den Gockel hat sich der Unfall ausgezahlt: Seine Bekannte blieb über Nacht.

Maximal bepackt

Bei mir ist vor allem eine Horror-Fahrt im Gedächtnis geblieben. Ich fuhr von Berlin nach Rostock, mitten im Hochsommer. Das Auto muss ein alter BMW aus den 70ern gewesen sein, natürlich ohne Klimaanlage. Von außen sah der Wagen geil retro aus, von innen roch er leider genauso. Das lag aber vor allem an seinem kettenrauchenden Besitzer, dessen Gesicht so gegerbt war wie das Leder der Sitze.

Jürgen, Jörg oder Jochen (so muss er geheißen haben) hatte das Auto natürlich maximal bepackt – vor allem mit anderen Raucher-Genossen. Ich bin eigentlich nicht empfindlich, aber in diesem Auto zwischen ihnen zu sitzen – bei 30 Grad, drei Stunden, zu dritt auf dem Rücksitz gepresst – hat mich so geprägt, dass ich seither nicht mehr mit einer Mitfahrgelegenheit gefahren bin.

Mit Blümchen auf der Rückbank

Eine meiner, zumindest im Nachhinein, lustigsten Fahrten war eine von Ilmenau nach Hamburg. Wir fuhren zu viert in einem roten VW Polo und quetschten uns zu dritt hinten auf die Rückbank. Warum zu dritt? Zwischen mir und einem anderen Mädel thronte eine riesige preisgekrönte Orchidee. Sie und unser Fahrer waren unterwegs zu einem Pflanzen-Wettbewerb.

Während das Blümchen gut gepolstert, angeschnallt und frisch gegossen in der Mitte Platz nahm, rückten wir dicht links und rechts an die Fenster. Das Ungewöhnlichste an dieser Mitfahr-Situation war allerdings nicht die Orchidee, sondern unser Fahrer, der sie "meine Prinzessin" und "Schatz" nannte. Das Skurrile daran: Er schien das ernst zu meinen.

Habt ihr bei einem Mitfahrgelegenheit-Trip auch etwas Skurriles erlebt?

Dann schickt uns für einen Sammelartikel mit euren Geschichten zu, was ihr mögt: Text, Video, Fotos – wir freuen uns auf eure Storys.