Die mit dem weltweit größten Medienbestand steht in London. Die mit den meisten Besucher*innen pro Jahr in New York. Und die erste öffentliche innerhalb Deutschlands steht im sächsischen Großenhain. Egal welche Rekorde sie brechen, Bibliotheken sind kulturelles Erbe, ihre Bestände sind Kulturgüter. Sie sind Orte voller Wissen, Geschichte und Erinnerungen, handgeschrieben oder gedruckt auf Millionen von Seiten, deren Inhalte ansonsten wohl längst vergessen wären.

Leider hat Papier ein begrenztes Haltbarkeitsdatum. Viele Bibliotheken digitalisieren daher ihre Werke nach und nach. So stellte die British Library in London kürzlich eines von Leonardo Da Vincis handgeschriebenen Notizbüchern aus dem 15. und 16. Jahrhundert online. Denn alles, was einmal im Internet landet, ist schließlich unsterblich. Gerade weil Papier ein Zerfallsdatum hat, das diesem mit jeder Berührung und jedem Seitenblättern näher kommt, sind Bücher so wertvoll. Und wertvolle Gegenstände brauchen eben eine gebührende Umgebung. Pompös, prunkvoll, kitschig, wenn es die alte Zeitgeschichte erfordert.

Dann sind die Bücherregale gülden, die Fresken maximal prachtvoll und jedes Treppengeländer so verschnörkelt, dass einem schwindlig werden könnte. So wie der Bibliothekssaal im Kloster Wiblingen in Ulm oder die Stiftsbibliothek Waldsassen in Bayern, in denen sich auch Merlin wohlfühlen würde. Reisen wir ein paar Jahrhunderte in der Zeit nach vorne, zum Beispiel ins Grimm-Zentrum in Berlin oder die Stadtbibliothek von Stuttgart, verändert sich das Zuhause der Bücher. Es wird minimalistisch, modern und makellos. Vom gemütlichen Wohnzimmerflair der alten Bibliotheken, in der die Zeit stehen geblieben scheint, zum Flair eines sterilen Wartezimmers einer Arztpraxis, das effizient und rentabel aufgebaut ist. Beides hat seinen Charme.

Über Opulenz und Fledermäuse

Der deutsche Künstler Reinhard Görner fotografiert Architektur. Am liebsten Architektur, die ihn selbst beeindruckt. Nach Museen, Palästen und Schlössern lag es auf der Hand, dass bald auch Bibliotheken einen Platz in seinem Portfolio bekommen sollten. Bereits im Jahr 2005 machte er Fotos von den neuen Berliner Universitätsbibliotheken, Norman Fosters The Brain an der Freien Universität und das Jacob-und-Wilhelm-Grimm-Zentrum des Architekten Max Dudler in der Humboldt-Universität zu Berlin. Die Gestaltung dieser Institutionen beeindruckte ihn so sehr, dass er zu reisen begann und Bibliotheken in ganz Europa und den USA fotografierte.

"Die ersten Bibliotheken, die ich fotografierte, hatten eine gewisse architektonische Strenge. Es hat eine Weile gedauert, bis ich mich auf die opulenten Barockbibliotheken in Österreich einlassen konnte", erzählt Görner. Ja, die Räumlichkeiten seien grandios und imposant gewesen, aber die Bücher selbst würden hinter all diesem Prunk und dieser Pracht verschwinden. Über diese Relikte der alten Kultur- und Zeitgeschichte habe er bei seinen Besuchen allerdings viel gelernt. Zum Beispiel, dass die frühen Bibliotheken in Europa meist zu den großen Klöstern gehörten und die viel jüngeren, US-amerikanischen eher an den berühmten Universitäten angesiedelt waren.

Bibliotheken sind Kulturgut und wunderbare öffentliche Räume."

Mit den Geschichten, die er in den zahlreichen Gesprächen mit Bibliothekar*innen erfuhr, könne er ganze Bücher füllen, sagt Görner. In einer davon könnte es um die berüchtigten Fledermäuse der Biblioteca Joanina der portugiesischen Universität Coimbra gehen, die sich bereits im 18. Jahrhundert dort eingenistet haben. Durch das alte, riesige Schlüsselloch fliegen sie ein und aus, halten nachts die Bibliothek frei von Insekten und verstecken sich tagsüber hinter den vergoldeten Schnitzereien. Zum Schutz der Einrichtung müssen daher die mit Intarsien verzierten Holztische mit großen Lederdecken abgedeckt werden.

"Mit meinen Bildern möchte ich Räume öffnen, die Schönheit und Weite vermitteln. Die Betrachter*innen sollen innehalten und Ruhe finden", sagt Görner. Denn die Atmosphäre in einer Bibliothek sei eine ganz besondere. Jeder Mensch könne den Raum, die Bücher und das darin verborgene Wissen nutzen. Görners Botschaft ist daher klar: Besucht Bibliotheken!