Vor ein paar Wochen sah es noch ganz so aus, als könne Theresa May (Tories) einen haushohen, gar historischen Sieg für die Konservativen einfahren. Als sie im April überraschend Neuwahlen gefordert hatte, genoss sie in den Umfragen noch 17 Prozentpunkte Vorsprung auf die Labour-Partei. May wollte unbedingt Neuwahlen, weil ihre politischen Gegner*innen sie im Parlament, dem House of Commons, sabotierten. Sie bräuchte ein Mandat vom Volk für die Brexit-Verhandlungen mit der EU. In dieser Wahl ginge es um leadership: Wer hat das Zeug, das Land durch die Brexit-Verhandlungen zu führen – und zwar so, dass es für Großbritannien gut ausgeht?

So legten die Konservativen ihre Wahlkampagne ganz auf Theresa May aus, in den Plakaten, in der Sprache: Wählt May, die Frau, die den Konservatismus im UK neu erfinden will! Eine starke Frau an der Spitze der Tories – ihre politischen Gegner*innen verglichen sie schnell mit der sogenannten eisernen Lady Margaret Thatcher, einer der bis heute umstrittensten Politiker*innen in Großbritanniens Geschichte.

In London herrscht Anti-May-Stimmung

Ob es einen Mayism gebe? Diese Frage verneinte sie: Sie biete guten, soliden Konservatismus. "Kein Deal ist besser als ein schlechter Deal", sagte sie in Bezug auf die Brexit-Verhandlungen im TV-Interview, um Stärke zu demonstrieren. Als sie

ihr Wahlprogramm vorstellte und ihre Anhänger*innen brav klatschten, als sei sie Diktatorin aus Nordkorea, wurde über sie sogar als Kim Jong May gewitzelt.

Die liberalen Demokrat*innen nutzten das und stellten May in ihrer Facebook-Kampagne als kühle und berechnende Frau dar, etwa wegen ihres Vorschlages, eine sogenannte Demenzsteuer einzuführen. Dabei geht es darum, diejenigen zu besteuern, die hohe Kosten für das Gesundheitssystem verursachen, etwa Krebsleidende oder Demenzerkrankte.Sieben Parteien stehen zur Wahl. In London,

das mehrheitlich gegen den Brexit gestimmt hatte, scheint alles klar, hier spürt man fast eine Anti-Tory- beziehungsweise Anti-May-Stimmung. Sticker prangern die Einsparungen im Sozialsystem an, etwa abgeschaffte Stipendien für Krankenpflegepersonal und Hebammen. Gleichzeitig läuft eine Kampagne, bei der May zu viel Nähe zu Trump nachgesagt wird.

Strong and stable my arse

Der Künstler Jeremy Deller schaltete sich in den Wahlkampf mit einer Plakatkampagne ein. Theresa May wolle sich als starke Führerin verkaufen, darauf antwortete er mit dem Spruch #strongandstablemyarse, was so viel heißt wie: stark und stabil, von wegen.

May ist unter Beschuss, ihr Konkurrent Jeremy Corbyn musste mindestens genauso hart einstecken. Corbyn und seine Labour-Partei kamen in der Presse nirgendwo gut weg, schon gar nicht bei der Londoner Gratiszeitung The Evening Standard – die gibt es nach Feierabend an fast jeder U-Bahn-Station in London. Straßenkünstler*innen nahmen dies zum Anlass und imitierten die Zeitung mit der Meldung, Corbyn hätte den Hamster von irgendjemandem gefressen. Der Telegraph schreibt, eine Corbyn-Regierung komme einer Katastrophe gleich und empfiehlt offen, May zu wählen. Corbyns Wahlprogramm sei unrealistisch, mit den geplanten übermäßigen Ausgaben formuliere er Wünsche für den Weihnachtsmann, hieß es.

Brexit und Migration, Wohnungspreise, Gesundheitssystem und Studiengebühren waren lange die bestimmenden Themen im Wahlkampf, nach den Anschlägen in Manchester und vor vier Tagen in London geht es nun vor allem um Sicherheit, Polizei und Terrorismusbekämpfung. Corbyn forderte May sogar zum Rücktritt auf. Sie war lange Innenministerin und habe als solche auf Kosten der Sicherheit zu viel bei der Polizei eingespart.

Viel mehr Junge als erwartet haben sich für die Wahl registriert

Das Brexit-Referendum erinnert uns daran: Umfragen mit Vorsicht zu genießen. Und tatsächlich, unterschiedlicher könnten die Zahlen nicht sein. Im Vergleich zeigen sie Unterschiede von zwischen einem bis zu zwölf Prozentpunkten Abstand zwischen Tories und Labour.

Menschen unter 40 Jahren tendieren zu Labour, Menschen über 50 eher zu Tories."

Doch so verschieden sie auch sein mögen, es kommt zu einem Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen May und Corbyn. Der steckte lange Zeit im Umfrageloch, war noch vor wenigen Wochen ziemlich chancenlos. Vor allem, dass er die Studiengebühren drücken will, kommt bei den Jungwähler*innen gut an. Ein Gamechanger? Eher Konservative finden, er gebe zu gerne das Geld anderer Leute aus.Entscheidend ist das Wahlverhalten der 18- bis 34-Jährigen. In dieser Gruppe genießt Labour sogar eine Mehrheit vor den Tories. Die Labour-Partei ist traditionell beliebt bei jungen Wähler*innen. So tendieren Menschen unter 40 Jahren zu Labour, während Menschen über 50 eher Tories wählen.

Eine Viertel Million junge Menschen unter 25 Jahren haben sich zur Wahl registriert – viel mehr als erwartet. Manche Umfragen gehen davon aus, dass 80 Prozent der jungen Wähler*innen tatsächlich abstimmen. Zu optimistisch? Beim Brexit-Referendum nahmen rund 44 Prozent der jungen Wahlberechtigten teil. Die Jungwähler*innen sind Wackelkandidat*innen.

Das Problem: Viele von ihnen sind mobil und daher nicht unbedingt zu Hause, um zu wählen. Eine Hürde, die ältere Generationen tendenziell seltener überwinden müssen. Wie gering der Abstand zwischen Labour und Tories sein wird, wird letztlich wohl davon abhängen wie viele junge Menschen und traditionelle Nichtwähler*innen abstimmen werden. Klar ist: Das Land ist politisch nach Generationen gespalten. Die Wahllokale öffnen am Donnerstag um sieben Uhr, Wetten auf den Wahlausgang werden schon jetzt angenommen.