Dass Donald Trump Präsident wird, ist zu einem kleinen Teil sicher auch der Meinungsmache von Breitbart.com geschuldet. Monatelang hat die rechtspopulistische Nachrichtenseite Trumps Kampagne kämpferisch unterstützt. Das zog viel Publikum an: Kurz vor der Wahl schossen die Aufrufe in die Höhelaut eigener Angabe erreicht Breitbart nun monatlich 37 Millionen Leser*innen.

Die Nachrichtenplattform gilt jetzt als das Leitmedium der Alt-Right-Bewegung, der eine nationalistische, rassistische und anti-feministische Haltung zugeschrieben wird. Das Unternehmen, das es seit 2007 gibt, unterhält mittlerweile Büros in Los Angeles, Texas, Jerusalem und London. Bald will das selbsternannte "News Network" seine rechtspopulistische Haltung nach Frankreich und Deutschland exportieren. Und es sieht so aus, als würde diesseits des Atlantiks bereits eine rechtsgesinnte Leserschaft begierig auf das Medium warten. Bei der AfD Heidelberg herrscht jedenfalls Vorfreude auf ein Medium, das Berichterstattung nach ihren Vorstellungen liefert, sie twitterte: "Fantastisch! Das gibt ein Erdbeben in unserer verkrusteten Medienlandschaft."

Aber was ist das für eine Berichterstattung, die Breitbart liefert? Was für eine Stimmung erzeugt das Medium? Und mit welchen Gedanken und welchem Ton müssen wir rechnen, sollte ein deutscher Ableger kommen? Ich habe die Nachrichtenseite eine Woche lang verfolgt, um Breitbart zu verstehen. Und ich habe festgestellt: Es ist eine beunruhigende Plattform. Eine Plattform, die liberal eingestellte Menschen ziemlich fassungslos machen kann.

Stimmungsmache mit Klamotten: Sie sprechen von #War

Wer die Breitbart-Website besucht, sieht zunächst keine Nachrichten. Stattdessen bekommt man auffällige Werbung für den Breitbart-eigenen Online-Shop angezeigt. Im Oktober ist der digitale Laden gestartet ("Jahrelang habt ihr danach gefragt, geschrieben und getobt ... und jetzt ist er hier") – und das ist erst mal nichts Besonderes. Auch hiesige Medien versuchen ihrem Publikum mit Merchandise ein gewisses Lebensgefühl zu verkaufen und ihre Marke greifbarer zu machen.

Doch das Lebensgefühl, das Breitbart vermittelt, ist ein beklemmendes. Es ist ein Lebensgefühl der allgegenwärtigen Gefahr. Es schreit: Du musst kampfbereit sein!

Der Shop empfängt beispielsweise in großen Lettern mit der Frage "Ready for #War?". Welcher Krieg damit gemeint ist, das erfährt man nicht. Aber T-Shirts mit der Aufschrift "Border Patrol", "Under Attack All The Time" und "Hate America? Then get the hell out" lassen erahnen, dass hier die Kampfmontour für US-amerikanische Wutbürger*innen verkauft wird. An Menschen, die Trumps geplante Mauer zu Mexiko am liebsten selbst aufbauen würden und sich in einer weißen Nachbarschaft am sichersten fühlen.

Stimmungsmache mit Klamotten. Man fragt sich: Wenn es einen deutschen Breitbart-Shop gäbe, würden wir dann bald "Schießbefehl"-Shirts auf deutschen Straßen sehen? Die Vorstellung, dass Modemarken wie "Thor Steinar" aus dem brandenburgischen Königs Wusterhausen oder "Pit Bull" aus Frankfurt am Main, die unter Käufer*innen mit nationalistischer Denke beliebt sind, mit Breitbart eine hippe, salonfähige Konkurrenz bekommen, ist beängstigend.

Jeder Tag besteht aus Schwanzvergleichen

Als Andrew Breitbart seine Nachrichtenseite startete, wollte er einen Gegenpol zur Berichterstattung der etablierten Medien schaffen. Der Breitbart-Gründer ist 2012 verstorben, den Konfrontationskurs gegen die Mainstream-Medien hat sein Team beibehalten. Er ist wichtiger Bestandteil des Tagesprogramms.

Die Strategie ist einfach: permanenter Schwanzvergleich. Sich selbst bei bei jeder Gelegenheit auf die Schulter klopfen. Auf alle anderen unreflektiert draufhauen. Das Ziel: Das Misstrauen des Publikums gegen das Establishment befeuern.

Zur Breitbart-Medienschelte gehört insbesondere die Aufklärung über Hoaxes: Seit Trump der nächste gewählte Präsident ist, nehmen in den USA rassistische Beleidigungen und Belästigungen zu. Nicht all diese Geschichten sind wahr – und Breitbart legt viel Wert darauf, die Falschmeldungen in knackiger Listicle-Form aufzuzählen, zum Beispiel mit den Artikeln "12 Fake News Storys From The Mainstream Media" oder "15 Hate Hoaxes You Can Dispel This Thanksgiving". So wird ein generelles Misstrauen in die Medien geschürt. Dass Breitbart als Haus- und Hofmedium von Trump selbst alles andere als objektiv ist, tut der Glaubwürdigkeit offenbar keinen Abbruch. Im Gegenteil: Wenn Trump Breitbart lobt, dann wird das wie eine Auszeichnung vermeldet ("Donald Trump Praises Breitbart: 'It's A Pritty Big Thing'").

Insbesondere auf CNN und auf das von öffentlichen Geldern finanzierte Netzwerk NPR hat sich das Team eingeschossen. Über Social Media haut Breitbart immer wieder "Lügenpresse"-Parolen raus. Ohne konkreten Anlass, einfach um die Leserschaft daran zu erinnern, dass alle lügen – außer Breitbart.

Natürlich ist ein Korrektiv wichtig, das die Berichterstattung der Medien überwacht. Dass die voreingenommene Breitbart-Redaktion dieses Korrektiv sein soll, ist stark zu bezweifeln.

Doch eine solche reißerische Kampagne gegen die Mainstream-Medien dürfte auch hierzulande auf offene Ohren stoßen: Wie eine Umfrage vom BR und TNS Emnid zeigte, hält ein Großteil der Bevölkerung die hiesigen Medien für fremdgelenkt. Wenn ein deutsches Breitbart mit subjektiver Medienschelte das Feuer schürt, könnte das den Vertrauensverlust vergrößern.

Für Breitbart ist Trump eine Art Messias

Wer sich länger mit Breitbart beschäftigt, bekommt das Bild von einer kaputten USA: Die Obama-Regierung hat das Land heruntergewirtschaftet, nichts läuft dort rund.

Die Linken vergiften die Gesellschaft mit ihren Vorurteilen ("Thanksgiving: Leftists Encourage Nasty, Vindictive Family Dinners"). Die Justiz ist kaputt, weil sie Vergewaltiger nachlässiger bestraft als dessen Mörder ("Man Gets 40 Years For Killing Daughter’s Molester"). In Mexiko passiert nichts anderes als brutale Kartellverbrechen ("Mexico’s Acapulco Rocked By Cartel Beheadings And Shootings"). Und immer wieder erinnert Breitbart daran, dass illegale Migrant*innen nicht gut für die Gesellschaft sind ("Illegal Immigrant Sexually Assaults 12-Year-Old Girl More Than A Dozen Times").

Breitbart zeigt die Welt aus der Perspektive der Konservativen, der Ungehörten und Ängstlichen. Und in dieser Welt ist Trump so etwas wie ein Messias, die Republikaner sind die einzigen, die die Vereinigten Staaten retten können. Die Redaktion preist republikanische Hollywood-Stars an ("Tim Allen: ‘Hypocritical’ Anti-Trump Celebrities Are Biggest Bullies Of All"), liefert Argumente gegen den Feminismus ("How Feminism Hurts Men And Women") und empfiehlt die besten Waffen als Weihnachtsgeschenk ("Six Great AR-15 Rifles For Your Christmas Wish List").

Breitbart macht wütend auf die Wütenden

Um eine Woche lang nahezu alles von Breitbart mitzubekommen, wollte ich der Nachrichtenseite auf sämtlichen Kanälen folgen. Ich bin froh, dass ich mein Like nach einer Woche zurücknehmen kann.

Die Meldungen des "News Network" sind geradezu klischeehaft konservativ. Sie fordern eine härtere Justiz, Waffen für alle, eine strenge Einschränkung der Abtreibung, belächeln die Gleichberechtigung – und die Kommentare unter all diesen Beiträgen sind voller unreflektierter Wut. Es ist nicht auszuhalten.

Wutbürger*innen fühlen sich von den Mainstream-Medien ausgeschlossen. Auf Breitbart passiert das Gegenteil: Als liberal eingestellter Mensch fühle ich mich ausgeschlossen. Und das macht mich so fassungslos wie wütend. Wütend auf die Wütenden – weil sie sich darüber beschweren, dass kein Diskurs mit ihnen stattfindet, aber sie offenbar auch keinen Diskurs wollen.

Es ist nichts Schlechtes daran, dass jeder seine Meinung sagen darf. Es ist nur schlecht, wenn Meinungen in Echokammern ausgesprochen werden, in denen keine Gegenposition Gehör findet. Und Breitbart ist trotz aller Beteuerung keine objektive Nachrichtenseite. Breitbart ist das, was es den anderen Medien vorwirft: voreingenommen, ausschließend, unbelehrbar. Es ist ein Ort, an dem die Wütenden unter sich bleiben, lästern und motzen.

Wir können nur hoffen, dass das Medium in Deutschland kein Zuhause findet.