Die Zivilgesellschaft in Russland ist seit einigen Jahren stark unter Druck. Mitarbeiter*innen von Nichtregierungsorganisationen (NGOs) werden als ausländische Agent*innen diffamiert, ihre Räumlichkeiten unangekündigt durchsucht und Geld- oder sogar Haftstrafen angedroht. Für diese Serie traf unser Autor fünf junge Leute, die trotz widriger Umstände in Russland Gutes tun. Dies ist der dritte Teil, Teil eins findet ihr hier, Teil zwei hier.

Wenn man eine Liste düsterer Literatur zusammenstellen müsste, dürfte Fjodor Dostojewski auf keinen Fall fehlen. Seine Erzählungen haben wirklich nie ein Happy End, was ein immer wiederkehrendes Muster in der russischen Literatur zu sein scheint. Russische Schriftsteller*innen schreiben über wirklich traurige Sachen.

Und wie sieht es mit russischen Künstlern*innen aus? Darya Apahonchich aus St. Petersburg muss es wissen, die 24 Jahre alte Lehrerin ist auch als Performance-Künstlerin tätig. Auch Daryas Themen sind keine heiteren, sie sagt: "Ich bin mit vielen Dingen in Russland nicht einverstanden, dem Mangel an Freiheit, dem Verstoß gegen Menschenrechte, den Anfeindungen gegen Migranten, nur um einige Beispiele zu nennen."

Die aktuelle Situation würde nicht nur sie frustrieren, sondern auch viele andere Leute aus der kreativen Szene und einen Teil der russischen Bevölkerung, sagt Darya. Ihre Kunst sieht sie als Möglichkeit, diesem Frust und einer gewissen Ohnmacht in der russischen Bevölkerung Ausdruck zu verleihen. Zusammen mit anderen jungen Leuten der Kunstinitiative "Rodina" (auf Deutsch: Mutterland) organisiert die Petersburgerin friedliche und künstlerisch inszenierte Proteste. Beim unabhängigen Dokumentarfilm Festival "LENDOC" protestierte die Gruppe etwa gegen die Medienzensurpolitik der russischen Regierung.

Der Schutz von Menschenrechten sei für sie und die anderen Mitglieder bei "Rodina" sehr wichtig, erklärt Darya. Verstöße dürfe man nicht einfach so hinnehmen, man müsse dagegen vorgehen. Vor allem weil diese in den letzten Jahren zunehmen, wie ein aktueller Vorfall in Moskau zeigt.

Die Moskauer Geschäftsstelle der Menschenrechtsorganisation Amnesty International (AI) wurde erst vor kurzem von den russischen Behörden über Nacht versiegelt. Die Mitarbeiter von AI seien am Morgen ins Büro gekommen und hätten festgestellt, dass die Tür aufgebrochen war und mit neuen Schlössern versehen wurde, schrieb Sergej Nikitin, der Chef von AI in Russland, auf Twitter. Er postete zuvor ein Foto, das die verriegelte Tür mit einer offiziellen Mitteilung der Moskauer Stadtbehörden zeigt.

Wir wollen zusammen mit anderen jungen Leuten den Dialog zwischen Menschen aus Russland und der Ukraine fördern.

Erst kürzlich hat die Künstlergruppe "Rodina" einen stillen Protest in St. Petersburg organisiert. Die Beteiligten hielten an unterschiedlichen Orten Plakate hoch, auf denen Sprüche wie etwa "Schmerz, Leere, Patriotismus" oder "geboren, ausgehalten, gestorben" zu lesen waren. Der Fotograf Vadim Lurie, ein Freund der Gruppe, hat die Aktion dokumentiert. Im Netz war der Protest dadurch sehr erfolgreich: Innerhalb weniger Stunden verbreiteten sich die Fotos der Aktion in den sozialen Medien und in ganz Russland wurde darüber berichtet. Offline war die Aktion hingegen weniger aufsehenerregend. "Passanten haben unsere Plakate mit Sprüchen neugierig beäugt, aber ein Dialog kam nur selten zustande", sagt Darya. Doch das sei nicht schlimm, es reiche zunächst, wenn es die Leute wahrnehmen und später vielleicht darüber nachdenken und mit anderen darüber diskutieren würden.

Darya organisiert nicht nur die Aktionen von "Rodina" mit, sondern diskutiert auch gerne, wenn es um Kunst und Aktivismus geht. Deswegen war die junge Russin in der Vergangenheit auch in Moskau und Minsk. Auch in die Ukraine ist sie schon gereist. "Wir wollen zusammen mit anderen jungen Leuten den Dialog zwischen Menschen aus Russland und der Ukraine fördern", sagt sie. Die Gruppe war in Kiew und Odessa, dort haben sie runde Tische organisiert, um über den Konflikt zwischen den beiden Ländern zu diskutieren. Bald will sie mit ihren Freunden so eine Diskussionsrunde auch in St. Petersburg veranstalten, sie kennen einige Flüchtlinge aus der Ostukraine in der Stadt.

Die Versuche der russischen Regierung, NGOs unter staatliche Kontrolle zu bringen, bedrohen die Existenz zahlreicher kritischer und unabhängiger Organisationen in Russland. 2015 ist in Russland sogar ein Gesetz in Kraft getreten, das erlaubt, ausländische NGOs zu verbieten. Human Rights Watch und Amnesty International kritisierten die Maßnahme und teilten mit, "das drakonische Vorgehen ist ein weiterer Schritt normales Leben aus der Zivilgesellschaft zu drängen".