Für Profiboxer Matti Schaffran ist Schachboxen der perfekte Sport: eine Herausforderung für Körper und Geist. Die Gegner stehen sich abwechselnd im Ring und am Brett gegenüber. Jede Runde dauert drei Minuten. Zeit schinden ist nicht: Wer beim Schach zu lange zögert, wird verwarnt und schlimmstenfalls disqualifiziert.

Bevor Schaffran vor ein paar Monaten das Schachboxen für sich entdeckte, fühlte er sich geistig unterfordert. "Ich habe ein hohes Trainingspensum beim Boxen, da bleibt keine Zeit für Studium oder Arbeit." Jetzt paukt er regelmäßig Eröffnungsstrategien. "Schachboxen ist die ideale Kombination aus körperlicher und mentaler Belastung."

Eigentlich entspringt das Schachboxen einer düsteren Vision des Comiczeichners Enki Bilal. In der Trilogie Alexander Nikopol herrscht eine Diktatur, in der alles beurteilt und selektiert wird. Um zu ermitteln, wer der klügste und zugleich stärkste, brutalste Mensch ist, müssen Bilals Figuren im Band Froid Équateur von 1992 Schachboxkämpfe austragen. "Ich hätte nie gedacht, dass der Sport einmal Realität wird", erzählt der Autor in einem Interview. "Das ist großartig."

Verantwortlich dafür ist der Niederländer Iepe Rubingh. Als Jugendlicher hatte er Bilals Comics gelesen. Aber erst einige Jahre später begann er selbst zu boxen und als er einen Freund traf, mit dem er früher Schach gespielt hatte, erinnerte er sich an die Schachboxkämpfe in den Comics. Die beiden entschlossen sich, den Mehrkampf auszuprobieren.

Dabei mussten sie feststellen, dass es gar nicht so einfach ist, analytisch zu denken, während der Puls rast und der Schweiß von der Nasenspitze tropft. "Wir haben nur Unfug gespielt und haben schon gedacht: Das war eine dumme Idee. Aber nach der zweiten Runde ging es besser. Und nach der Dritten noch ein bisschen besser. Der Mensch gewöhnt sich ja an alles", erinnert sich Rubingh.

Wie anspruchsvoll Schachboxen ist, stellt auch Matti Schaffran fest: Bei seinem ersten richtigen Sparring über mehrere Runden nimmt er erst seinem Gegner die Dame ab und verliert kurz darauf seine eigene bei einem unbedachten Zug. Davon dürfe er sich auf keinen Fall beeindrucken lassen, warnt Rubingh, der Schaffran heute trainiert. Einfach weiter machen.

Wer im Schach zurückliegt, kann im Boxen ausgleichen – und umgekehrt. Ein Wettkampf kann ebenso durch ein KO entschieden werden wie durch ein Schachmatt. Deshalb ist es taktisch geschickt, sich im Ring zurückzunehmen, wenn man im Schachspiel die Oberhand hat. "Das ist für einen Profiboxer wie Matti total ungewöhnlich", sagt Rubingh.

Für Schaffran steht der erste Wettkampf an: der siebte Intellectual Fight Club in Berlin. Das ist ein kleinerer Wettkampf, aber auch zu diesen Events kommen internationale Kämpfer. Seit 2013 gibt es eine Weltmeisterschaft im Schachboxen, die Intellectual Fight Night. Besonders beliebt ist der Sport in Indien. Dort findet im April die nächste Amateur-WM statt.