Ich wache auf. Mein Blick schweift durchs dunkle Zimmer. Ich will mich bewegen, doch mein Körper ist wie gelähmt, meine Gliedmaßen schwer wie Blei. Plötzlich höre ich eine Stimme, sie kommt immer näher, wird immer lauter, die Schreie hallen in meinem Kopf. Herzrasen. Ich will nach Hilfe rufen, aber es ist, als würde mir die Zunge im Halse stecken. Ein dunkler Schatten huscht durchs Zimmer. Panik. Ich kämpfe gegen die unsichtbare Hand, die meinen reglosen Körper ins Bett drückt. Mit aller Kraft schaffe ich es aufzuwachen, doch meine Augenlider sind wie tonnenschwere Anker, die mich sofort zurück in den Schlaf ziehen.

Es klingt wie der Anfang eines Horrorfilms, doch weder ausschalten noch wegschauen ist möglich. Als ich dieses nächtliche Horror-Erlebnis zum ersten Mal durchmachte, dachte ich am nächsten Morgen nur: Wow, das war mal ein wirklich krasser Albtraum. Ich war erschöpft, als hätte ich kaum geschlafen. Doch der Spuk wiederholte sich und ich fing an zu recherchieren. Dabei stieß ich im Internet auf Foren und Erfahrungsberichte über Schlafparalyse.

Als ich mir die Beiträge durchlas, war es erschreckend und beruhigend zugleich, wie ähnlich sich viele Erzählungen waren. Ich war nicht allein, ich war nicht verrückt geworden, ich war nicht von Dämonen besessen.

15 bis 40 Prozent der Menschen erleben eine Schlafstarre

"Schlafparalyse ist eine Mischung von Wachzustand und REM-Schlaf, die nur bei Veranlagung, im Rahmen einzelner Krankheiten oder in besonderen Situationen auftritt", erklärt Dr. med. Christian Veauthier, Facharzt für Nervenheilkunde der Charité Berlin. "Dieser Zustand entsteht entweder, wenn Betroffene relativ schnell aus dem Wachzustand in die REM-Schlafphase, also in die Traumschlafphase kommen, oder andersherum, aus dem REM-Schlaf erwachen." Während die Augen in der REM-Phase sehr aktiv sind, ist die Körpermotorik gehemmt, also paralysiert. Dieser Zustand wird während der Schlafparalyse bewusst wahrgenommen.

Warum einige Menschen häufig Schlafparalysen erleben und andere nicht, kann unterschiedliche Ursachen haben. "Schlafparalysen treten oft in Zusammenhang mit der Krankheit Narkolepsie auf, für die weitere Symptome wie Schläfrigkeit charakteristisch sind. Es gibt aber auch sogenannte rekurrierende isolierte Schlafparalysen, was bedeutet, dass Betroffene über einen längeren Zeitraum immer wieder unter Schlafparalysen leiden, die nicht auf eine andere Krankheit zurückzuführen sind", so Dr. med. Veauthier. Dabei spielt die genetische Vorbelastung eine große Rolle und auch Alkohol- und Drogenmissbrauch kann das Risiko für Schlafparalysen erhöhen.

Ein weiterer Faktor ist laut des Facharztes Schlafentzug, da dieser den REM-Schlaf stark beeinflussen und verändern kann. Kein Wunder also, dass der nächtliche Kampf begann, als ich meine Wochenenden hauptsächlich tanzend im Club verbrachte. Dabei war mein Schlafrhythmus komplett aus dem Gleichgewicht geraten und das zahlte mir mein Körper zurück. Als ich genug von durchzechten Nächten hatte, blieben auch die Paralysen aus. Laut Dr. med. Veauthier erleben 15 bis 40 Prozent der Menschheit während ihres Lebens eine oder wenige isolierte Schlafparalysen, bleibt es dabei, ist das kein Grund zur Sorge. Tritt die Schlafparalyse häufig auf, sollten Betroffene einen Schlafmediziner aufsuchen, auch um schlafmedizinische Erkrankungen auszuschließen.

Nicht verschweigen, sondern sich mitteilen

Marie leidet schon seit ihrer Kindheit unter den nächtlichen Paralysen. "Ich wusste damals nicht, was mit mir passiert, konnte es nicht in Worte fassen", erzählt sie. "Wenn ich nachts die Stimmen gehört habe, bin ich oft zu meiner Mutter ins Zimmer gelaufen und habe ihr gesagt, dass mein Radio angegangen ist. Wie soll man das als kleines Kind auch erklären."

Auch wenn es Phasen gibt, in denen sie monatelang durchschlafen kann, ganz losgeworden ist sie die Schlafparalysen nie. Als sie begann, mit ihrer Familie darüber zu reden, stellte sie fest, dass sowohl ihre Schwester als auch ihr Vater immer wieder unter der Schlafstarre litten. "Meine Schwester erzählte mir von ihren Schlafparalysen, und es war, als würde sie meine eigenen Erlebnisse schildern. Die Stimmen, die Atemnot, die Hilflosigkeit, alles war mir so bekannt". Marie kann sich erinnern, dass sie schon als Kind öfter Probleme hatte einzuschlafen, immer dann waren die Schlafparalysen besonders schlimm.

Zwar kennt Marie die Schlafparalysen schon lange, dennoch machen ihr die Halluzinationen, die währenddessen auftreten, immer noch Angst. Laut Dr. med. Veauthier berichten viele Betroffene von einer Gestalt, einem Tier oder einem Schatten, halluzinieren jedoch meistens nicht komplette Szenen. "Dieses Gefühl, da war etwas, das ich zwar nicht erkannt habe, es aber definitiv gesehen habe, ist für viele Betroffene selbstverständlich angsteinflößend."

Marie hat inzwischen eine Methode entdeckt, um sich schneller aus der Schlafparalyse zu befreien: "Wenn ich es schaffe, mit aller Kraft meinen kleinen Finger zu bewegen, wacht auch der Rest meines Körpers auf." Ist man in der Schlafparalyse gefangen, gilt es vor allem, sich über den Zustand bewusst zu werden, ruhig zu bleiben und sich selbst zu sagen: Es geht gleich vorbei.