Ist Martin Schulz oder Angela Merkel besser für das Kanzleramt geeignet? Diese Frage sollte das einzige direkte Aufeinandertreffen zwischen den beiden klären. ze.tt erklärt, warum das nicht funktioniert hat.

Fast ein Fünftel der 61,5 Millionen Wahlberechtigten möchte seine Wahlentscheidung vom Ausgang des TV-Duells abhängig machen. Für beide Politiker*innen eine große Chance, aber auch ein Risiko. ze.tt hat sich das Duell angesehen und Punkte vergeben für Körpersprache, Sprache, Sachkenntnis und Sympathie.

Die Ausgangslage

Schulz:

Martin Schulz hatte nicht viel zu verlieren – außer vielleicht seinen Job als SPD-Chef. Die SPD liegt in den Umfragen deutlich hinter der CDU. Schwierig für Schulz: Die SPD regiert in einer Koalition mit der CDU. Er musste angreifen, ohne zu aggressiv zu wirken.

Merkel:

Die Kanzlerin hat eher etwas zu verlieren, nämlich ihren Job als Kanzlerin. TV-Duelle liegen ihr nicht, sagt man. Zu wenig schlagfertig, zu kalkuliert sei sie. Immerhin konnte sie die Bedingungen für das Duell diktieren. Die Sender und auch die SPD wollten zwei Duelle und Fragen aus dem Publikum, jetzt gab es eines und keine Fragen von außen.

Körpersprache

Schulz:

Auffällig war, wie unterschiedlich stabil die beiden Kandidat*innen hinter ihren Rednerpulten standen. Schulz wankte hin und her, als würde im Studio der Wind zu stark wehen. War er nervös? War er enthusiastisch oder hat er generell Schwierigkeiten, das Gleichgewicht zu halten? Man weiß es nicht, Tränensäcke bis zum Kinn hatte er jedenfalls und relativ durstig war er auch. Die Gesichtszüge beider waren allerdings für weite Strecken der Sendezeit starr.

Merkel:

Im Gegensatz zu Schulz war Merkel fest wie ein Stalagmit mit dem Boden verbunden. Ab und an, kaum war so etwas wie ein Lächeln zu erkennen. Bei Merkel seltener als bei Schulz. Merkel hatte scheinbar eher große Mühen, nicht ständig die Augen zu verdrehen oder bei dem beidseitigen Phrasendreschen selbst einzuschlafen. Vielleicht war das aber auch ihre Abwehrreaktion auf Schulz’ Unfähigkeit, ein Wort richtig auszusprechen, das die Silbe -isch beinhaltet.

Für beide ein Punkt Abzug.

Punktestand: Schulz – Merkel: -1 : -1

Sachkenntnis

Schulz:

Wenn etwas von Schulz' Sachkenntnis in Erinnerung bleiben sollte, dann wird es am ehesten noch das Wort Musterfeststellungsklage sein. Das benutzte er, als es um den Diesel-Skandal deutscher Autohersteller ging. Mit dieser Art der Sammelklage können Verbraucher*innen gemeinsam gegen große Unternehmen vorgehen. Dass die Verwendung dieses Unworts das TV-Duell nicht gerade pfeffriger machte, dürfte auf der Hand liegen. Ein wahnsinnig deutsches Wort mit sieben Silben, das einfach keinen Spaß macht. Wie wenig produktiv es zudem war, zeigt der sprunghafte Anstieg bei den Google-Suchanfragen kurz darauf.

Merkel:

Sachkenntnis ist Merkels Fachgebiet. Die Kanzlerin wirkte meist kompetent. Auf die Frage, ob sie weiß, an wie vielen staatlichen Fakultäten Imame in Deutschland ausgebildet werden, schnellt sie mit der Antwort "Vier!" nach vorne und klopft sich in Gedanken auf die eigene Schulter.

Wenn sie Antworten nicht genau wusste, manövrierte sie sich meist geschickt um eine konkrete Aussage. Als Moderator Klöppel beide Kandidat*innen fragte, wie viel Steuerersparnis eine vierköpfige Familie von ihren Parteien zu erwarten habe, sagte sie: "Wir haben 15 Milliarden Euro Steuerentlastung im Programm. Das wird durchaus eine bestimmte Größenordnung für diese Familie bedeuten."

Ein einziges Mal musste sie tatsächlich passen: Als es um die Rückführungen von irakischen Asylbewerber*innen ging, sagte sie: "Ich weiß nicht, wie viele das sind." Man merkt, Merkel sitzt schon fast zwölf Jahre auf dem Chefsessel. Das macht sie zwar nicht annähernd aufregend, aber kompetent.

Punkt für Merkel.

Aktueller Punktestand: Schulz – Merkel -1 : 0

Sprache

Schulz:

Zurück zum -isch. Systematich, europäich, diplomatich, fanatich, Tich: Schulz schaffte es wie gewohnt nicht, ein Es-ze-ha hinter ein i zu setzen. Das war hoffentlich nicht so prägnant, dass die Zuseher*innen regelmäßig den Faden verloren haben. Zumindest ist Schulz ein Netter, hat er sich doch ständig bedankt. Für die Fragen von den Moderator*innen, für Merkels klare Position beim Rentenalter, für die Möglichkeit, generell eine Frage beantworten zu dürfen. Ab und zu hat er sich sogar so etwas wie einen Witz gegönnt. Grundsätzlich war er also besser gelaunt als Merkel, was jetzt nicht sooo ein große Herausforderung ist.

Merkel:

Merkel hat ihre Sätze ganz in alter Manier oft mit "Also erst mal möchte ich …" begonnen. Kennen wir, ist auch nicht schlimm. Schulz möchte sicher auch viel, kündigt es aber zuvor nicht an, sondern sagt es gleich. Mit seinen Sprech- und Überlegungspausen und seinen teils energischen Antworten wirkte er zumindest nahbarer als Merkel mit ihren diplomatichen, bürokratichen Antworten.

Punkt für Schulz.

Punktestand: Schulz – Merkel: 0:0

Sympathie

Schulz:

Oft suchte Schulz nach konkreten Beispielen: die Moschee bei ihm um die Ecke, die flüchtende Mutter mit Kind, die Polizeibeamt*innen, die zu Blechschäden gerufen werden. Das sind Bilder, die hängen bleiben.

Wenn sich Schulz bei den 100.000 Ehrenamtlichen bedankt, die während der Hochzeiten der Geflüchtetenankunft geholfen hatten, mag man ihn. Wie könnte man auch nicht. Wenn er die Moderator*innen häufig mit Namen anspricht, mögen sie ihn auch. Insgesamt wirkt Schulz eher wie einer aus dem Volk. Ist das Taktik? Wahrscheinlich.

Merkel:

Merkels Spitzname ist Mutti. Beim Duell war sie allerdings die kühle, wenig emotionale Mutti. Vielleicht eher wie eine Mutti mit sechzehn Kindern, die sich schon lang nicht mehr beeindrucken lässt oder sich die Mühe gibt, jemand anderen zu beeindrucken. Zumindest weiß sie aus Erfahrung, was in engen Situationen zu tun ist. Da sind die Wähler*innen dann pragmatisch.

Punkt für Schulz.

Gesamtpunktestand: Schulz – Merkel: 1 : 0

Fazit

In unserer Wertung gewinnt Schulz mit einem Punkt Vorsprung das TV-Duell. Ein Punktestand, der genauso aufregend ist, wie die Diskussion selbst war. Die Zuseher*innen sehen das anders. In einer Blitzumfrage von Infratest Dimap fanden 55 Prozent der Befragten Merkel überzeugender.

Bis auf einen kurzen Tumult drei Minuten vor Sendungsende, als alle sechs Anwesenden wirr durcheinander redeten, war das TV-Duell einschläfernd. Zu viel Zeit ging mit Kritik über vergangenen Fehlentscheidungen drauf. Bildung, Umwelt, Wohnungsnot? Fehlanzeige.

Es gab viel Kopfnicken, viel Streicheleinheiten, wenig Reibung und viel vorgegaukelte Differenzen, die eigentlich keine waren. Die inhaltlichen Unterschiede waren minimal. Einen klaren Unterschied machten Schulz und Merkel allein beim Wahlrecht. Während der Stalagmit auf das Wahlrecht ab 18 Jahren beharrt, würde der Baum im Wind es gerne um zwei Jahre auf 16 reduzieren. Und sonst? Sonst war es ein Gespräch wie man es von koalierenden Parteien erwarten würde.

Schulz dürfte immerhin seine Basis motiviert haben, weiterzukämpfen und Merkel kann sich darauf verlassen, keine große Fehler gemacht zu haben. Und alle anderen so: zzzzzzzz.