Die Anweisungen waren simpel: "Schließen Sie die Augen, entspannen Sie sich. Ich werde Ihnen jetzt eine Frage stellen. Sobald ich fertig gesprochen habe, öffnen Sie bitte die Augen und schauen in die Kamera, als ob Sie jemandem in die Augen schauen würden."
Erinnern Sie sich an den Moment, als Sie zum ersten Mal erfahren haben, dass Donald Trump der neue Präsident der USA ist?

Die Teilnehmer*innen des Fotoprojekts öffnen die Augen und reagieren. Fotograf Lennart Kemper drückt den Auslöser seiner Kamera. Die Reaktion war festgehalten. Es ist ein ehrlicher, affektiver Moment, den er einfing, ohne übertriebene Mimik, ohne inszenierte Theatralik. Im Anschluss bittet Kemper die Teilnehmer*innen um einen Kommentar zum aktuellen Präsidenten. Die fallen bestenfalls vage entgegenkommend aus.

Der 27 Jahre alte Fotograf aus Hameln hatte sich im Vorfeld selbst intensiv mit der US-Wahl auseinandergesetzt. "Während des Wahlkampfs und nach der Wahl war ich sehr beschäftigt mit der Person Trump und dem Wahlausgang. Die möglichen Konsequenzen, nicht nur für die Vereinigten Staaten, haben mich erschrocken", sagt Kemper. Aus dieser Sorge um eine Zukunft mit Trump als US-Präsident entstand Project: Trump.

Von März bis April war Kemper in den USA unterwegs, genauer in San Francisco und in Portland. Es wundert daher nicht, dass er in den traditionell links gerichteten Bundesstaaten keine waschechten Trump-Unterstützer*innen vor die Linse bekam. Nach ihnen suchen konnte er naturgemäß nicht. Die Reaktionen auf seine Frage sollten unverfälscht bleiben.

So sprach Kemper willkürlich Personen an, Angestellte von Cafés, Laden-Mitarbeiter*innen, oft einfach Passant*innen auf der Straße. Alle Fotos sind draußen entstanden, vor einem möglichst ebenen Hintergrund, meist vor einer Hauswand. Kemper arbeitete ohne Blitz und Reflektor. Da viele Personen ihre Arbeit nur für das Fotoshooting unterbrachen, dauerte es vom ersten Ansprechen bis zur Verabschiedung nicht länger als zehn Minuten.

Mit seiner spontanen Frage wollte Kemper allerdings nicht nur authentische Reaktionen hervorrufen. "Ich wollte den Teilnehmern vermitteln, dass sich jemand für ihr Erleben im Zusammenhang mit der Wahl interessiert." Mit den Porträts könne er den Dargestellten eine Plattform bieten, sich die eigenen Gefühle bewusster zu machen. Denn laut Kemper würden wir uns nur zu schnell an Trumps absurdes Verhalten, seinen Führungsstil und seine Rhetorik gewöhnen. "Weil es teilweise so unvorstellbar bleibt, wird es surreal. Dass dies aber reale Auswirkungen auf die Menschen hat und Sorgen auslöst, gerät dabei aus dem Fokus.", sagt Kemper.

Gerade aufgrund der bevorstehenden Bundestagswahl möchte er zur Auseinandersetzung mit politischen Entwicklungen animieren. "Denn die Konsequenzen betreffen uns alle", sagt er weiter. "Das Schlimmste wäre für mich, wenn wir aus einem Ohnmachtsgefühl heraus unsere Handlungsfähigkeit aufgeben und uns ohne Gegenwehr von einer rechtsorientierten Bewegung übermannen lassen würden."