Alles im Leben verändert sich kontinuierlich. Unsere Umwelt, wir selbst – und selbstverständlich auch die Liebe. Jede*r in einer längeren Beziehung kennt das: Konntet ihr in den ersten Monaten kaum die Hände voneinander lassen, findet ihr euch irgendwann später immer öfter gemütlich auf der Couch wieder. Das ist total normal und auch gut so.

Im Schnitt dauert die Phase der Verliebtheit etwa zwischen drei Monaten und drei Jahren, sagt die Paartherapeutin Andrea Bräu. "Das Gefühl muss quasi weichen, weil man so ja nicht ewig leben kann – nicht essend, nicht schlafend, nur an den anderen denkend, kaum arbeitsfähig, also mit rosaroter Brille."

Wer durchhält, wird belohnt

Wenn sich ein Paar immer besser kennenlernt, tritt an die Stelle des Verliebtseins nach und nach: Liebe. Die sei im Gegensatz zur unkontrollierbaren Verliebtheit auch immer eine bewusste Entscheidung für den*die anderen. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass ihr bis dahin durchhaltet. Leider keine Selbstverständlichkeit.

"Ich höre beinahe täglich 'wir haben uns entliebt' oder 'ich habe keine Gefühle mehr‘", berichtet die Paartherapeutin aus ihrer Praxis. Ernüchterung löscht das Feuerwerk, Gewöhnung killt den Hormonschauer, die Idealisierung schmilzt und ihr stellt fest: Passt vielleicht doch nicht sooo perfekt. Und dann?

Dann gehe man entweder, oder man trete in die nächste Phase ein. "Die Umerziehungsphase. Ich will den anderen verändern", erklärt Andrea Bräu. Währenddessen komme es in Beziehungen auch leicht zu Krisen, beispielsweise Affären.

Ein eingespieltes Team

Doch ist diese ruckelige Zeit überstanden, geht es bergauf. "Nach erfolgreicher Bewältigung geht das Paar in die Konsolidierungsphase und gestärkt daraus hervor." Ihr habt euch füreinander entschieden. Ihr kennt euch in- und auswendig, ihr wisst, was dem*der anderen wichtig ist und habt euch darauf eingestellt, ihr versteht und akzeptiert euch gegenseitig so, wie ihr seid. Dadurch fühlt ihr euch einander näher denn je und vor allem sicherer und geborgener. Das Sexleben wird etwas ruhiger, gleichzeitig wird mehr gekuschelt. Ihr werdet eine Einheit, ein eingespieltes Team. "Paare sollten sich immer fordern und fördern und niemals hemmen", meint auch Andrea Bräu.

Vielleicht zieht ihr dann zusammen, denkt über Hochzeit und Familiengründung nach. Alles davon bringt euch ein Stück weiter zusammen. Die Therapeutin erklärt: "Ich werde mir mit jedem Schritt sicherer, dass der andere bleibt, quasi mir 'gehört'."

Damit allerdings drohe die nächste Gefahr: Sich des*der anderen zu sicher zu fühlen. "Dann verlieren sich Menschen gerne aus den Augen, sie werden achtloser, sind nicht mehr neugierig, interessiert, machen keine Komplimente mehr, sagen dem anderen oft nicht mal mehr was von der eigenen Gefühlswelt". Gegen diese Art der Krise helfe nur eins: sich dessen bewusst werden und miteinander reden. Genau daran hapere es jedoch leider oft. Hauptsächlich aus Unwissenheit; wir glauben, wenn man sich liebt, würde es schon irgendwie laufen. Doch so einfach ist es nicht. "Schade, dass wir in der Schule nicht mehr über die Liebe lernen", sagt Bräu.

Wie werden wir alt?

Wenn es beiden von euch gleichermaßen gelingt, Respekt und emotionale Nähe durch Austausch über Jahre hinweg zu erhalten und euch so gemeinsam weiterzuentwickeln, dann – und nur dann – stehen die Chancen nicht schlecht, dass ihr tatsächlich auf erfüllende Weise zusammen alt werdet und eines Tages sogar gemeinsam in Rente geht.

Das könne dann wie ein Neubeginn sein, sagt Beziehungs-Expertin Bräu. "Endlich haben beide wieder mehr Zeit für alles, was vielleicht lange brach lag. Sie gehen sich nicht dauernd auf die Nerven, sondern freuen sich über die neugewonnene Zeit als Paar." Reisen, neue oder alte Hobbies ausleben – da ist alles drin.

Traurigerweise ist es jedoch in den seltensten Fällen so, dass alte Ehepaare glücklich bis an ihr Ende gemeinsam auf einer Parkbank sitzen und Händchen halten. Oft wird eine*r von beiden oder beide im hohen Alter schwer krank und pflegebedürftig. Dann gerät die Balance durcheinander und die Liebe bekommt eine stark fürsorgliche Komponente.

"Liebe gilt auch für schwere Zeiten. Die meisten haben sich sogar das Versprechen dafür gegeben (...) Hier ist es unabdingbar, dass der Pflegende sich auch Unterstützung holt, weil das allein kaum zu bewältigen ist", warnt die Paartherapeutin. Sonst kann es passieren, dass sich eine*r für den*die anderen aufopfert und selbst daran zugrunde geht; damit ist letztlich keinem geholfen. Und eines Tages wird eine*r von beiden zuerst gehen und der*die Hinterbliebene in tiefer Trauer zurückbleiben.

So eine lebenslange Beziehung und ein Lebensweg sind also alles andere als einfach, das gilt bis ganz zum Schluss. Aber ihr entscheidet euch jeden Tag, diesen Weg weiter gemeinsam zu gehen. Und das allein zählt.