Berlin lässt die Einrichtung von Toiletten für alle Geschlechter prüfen. Die CSU ist not amused. Aber auch Frauen üben Kritik am Konzept.

Nervende Schlangen vor der Frauentoilette könnten in Berlin bald der Vergangenheit angehören. Denn in öffentlichen Gebäuden könnte es zukünftig nur noch Unisextoiletten geben. Diesen Vorschlag lässt Dirk Behrendt, Senator für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung, gerade prüfen. Mit dem Zwischenbericht Hürden im Alltag beseitigen – Unisextoiletten in öffentlichen Gebäuden einrichtenlegte der Politiker der Grünen Mitte Dezember einen ersten Vorschlag vor. Bei der Beseitigung der Hürden handelt es sich allerdings nicht um das Verkürzen der Schlangen vor den Damenklos, obwohl es ein netter Nebeneffekt ist. Der Gesetzesvorschlag soll helfen, Diskriminierung von Trans- und Intersexuellen abzubauen. Ende März soll laut Grünen eine Kosteneinschätzung vorliegen.

Was in Berlin noch Zukunftsmusik ist, ist in New York schon zur Realität geworden. Seit dem 1. Januar 2017 gibt es im Big Apple verpflichtend in allen öffentlichen Gebäuden geschlechtsneutrale Toiletten. Dadurch entfällt der Zwang, sich bei dem Gang auf die Toilette für ein Geschlecht entscheiden zu müssen. Gut für Menschen, die sich nicht in das Konzept der Zweigeschlechtlichkeit einordnen wollen oder können. Zudem bleibt es trans- und intersexuellen Menschen auf diese Weise erspart, dass ihnen vorgeworfen wird, sie seien auf der falschen Toilette.

Unisex-Toilette = Genderwahn?

Obwohl der Vorschlag schon 2014 von der Piratenpartei gemacht wurde und es seit 2015 in Berliner Hauptverwaltungen, Schulen und anderen öffentlichen Einrichtungen auch schon geschlechtsneutrale Toiletten gibt, löste der Vorschlag der Grünen eine erneute Debatte aus. Vorne an der Spitze der Kritiker*innen: die CSU. Für sie bewege sich der Vorschlag der Grünen zwischen "Genderwahn" und "Gendergaga". Ihr größtes Argument gegen die geschlechtsneutralen Toiletten ist die Irrelevanz des Vorschlags. Dies verdeutlichten die konservativen Bayern mit einem Post bei Facebook: "Die CSU arbeitet für eine bessere Sicherheitslage in Deutschland und die Grünen setzen sich für gendergerechte Toiletten ein. #Genderwahn".

Doch die Diskussion um Unisextoiletten ist keineswegs überflüssig, sondern dreht sich um die Frage, für wen unsere Gesellschaft Platz einräumt. Haben trans- und intersexuelle Menschen keinen Raum in unserer Gesellschaft verdient, nur weil sie eine Minderheit sind? Gerade die selbsternannte Regenbogen-Hauptstadt Berlin sollte nicht nur auf die sogenannte  Mehrheitsgesellschaft Rücksicht nehmen, sondern versuchen allen Bewohner*innen der Stadt einen Platz gewähren.

Kritik kommt auch von Frauen

Kritik an einem Klo für alle kommt jedoch nicht nur aus dem konservativen Lager, sondern auch von Frauen, die die öffentliche Toilette als Schutzraum nicht missen möchten. In öffentlichen Gebäuden fungiere die Toilette für sie auch als Rückzugsort. Um Frauen einen geschützten Raum zu bieten, gibt es einen Zwei-Toiletten-Vorschlag. Dieser sieht vor, eine Toilette für Männer und eine andere für Frauen, Menschen mit Behinderung, sowie für trans- und intersexuelle Menschen zu schaffen. Doch Diskriminierung lässt sich nicht verringern, wenn Männer die Norm bleiben und Nicht-Männer die Abweichung der Norm.

Das Studierendenparlament der TU Darmstadt schlug als Lösung ein dreigeteiltes Toilettenmodell vor: Eine Toilette für Männer, eine für Frauen und eine Unisextoilette. Damit wollen sie "Schutzräume für jegliches Geschlechts-, Kultur und Religionsverständnis bieten und Gleichstellung und Familienfreundlichkeit fördern". Diese Idee lässt sich allerdings nur in öffentlichen Gebäuden umsetzten, die über mindestens drei Toiletten verfügen.

Eine Unisex-Toilette ist kein Luxusproblem, liebe CSU!

Diskussionen, in denen nicht nur auf die Mehrheitsgesellschaft Rücksicht genommen werden, haben häufig ein enormes Problempotenzial. Doch gerade darum ist es wichtig, diese zu führen, bis auch die CSU verstanden hat, dass eine nicht vorhandene Unisextoilette mehr ist als ein Luxusproblem. Die Anerkennung von Minderheitenrechten ist kein Gnadenakt, sondern ein fundamentaler Bestandteil unserer Demokratie. Nur weil die Stimmen bestimmter Menschen aufgrund ihrer geringen Zahl nicht immer so laut zu hören sind wie die von Horst Seehofer, sind deren Anliegen nicht minder relevant.

Um zu sehen, dass das Modell einer Toilette für alle Geschlechter funktionieren kann, genügt ein Blick in die Berliner Clublandschaft. Für Partygänger*innen gehört es zum Alltag sich die Toilette mit allen zu teilen. Die große Debatte um die Unisextoiletten zeigt einmal mehr, dass Rechte von Trans- und Intersexuellen für viele noch nicht selbstverständlich ist. In unserer Gesellschaft müssen diese ein diskriminierungsfreies Leben führen können. Die Unisextoilette? Ein erster Schritt in die richtige Richtung.