In Tschetschenien werden laut Human Rights Watch und Amnesty International seit einigen Wochen Homosexuelle systematisch verfolgt. Journalist*innen und NGOs berichten davon, dass Homosexuelle in einer von der Regierung angelegten Säuberungsaktion hundertfach vom Erdboden verschwinden. Die Rede ist von Verhaftungen, Folter und sogar Tötungen. (ze.tt berichtete)

Ende April sagte Sir Alan Duncan, Großbritanniens stellvertretender Außenminister, er habe aus vertraulichen Quellen erfahren, dass Tschetscheniens Präsident Ramsan Kadyrow alle Homosexuellen bis Ende Mai eliminieren wolle. Überlebende traten bereits mit persönlichen Gewalt- und Foltererfahrungen an die Öffentlichkeit. (ze.tt berichtete)

Vergangene Woche nahm die Nachrichtenseite France24 nun Kontakt zu zwei Betroffenen auf, die aus erster Hand berichteten. Die beiden Tschetschenen sollen in einem geheimen Gefängnis erniedrigt und gefoltert worden sein. Aber sie hatten Glück, sie überlebten. Heute leben sie in einer Unterkunft an einem geheimen Ort. Ihre Gesichter und Stimmen wurden zu ihrer eigenen Sicherheit unkenntlich gemacht: "Sie sagen Eltern, dass sie ihre Kinder töten sollen. Sie sagen: 'Entweder macht ihr es selbst, oder wir machen es.' Sie nennen es 'die Ehre mit Blut reinigen'."

Einer der anonymen Tschetschenen erzählt von einem Mann, der zwei Wochen lang gefoltert wurde. Anschließend wurden dessen Eltern und Brüder herbestellt. "Ihr Sohn ist homosexuell. Kümmert euch darum, sonst tun wir es", hätten sie zu den Eltern gesagt. Die Familie hätte getan, was von ihnen verlangt wurde.

Wir wurden immer schon verfolgt, aber noch nie so wie jetzt. Jetzt verhaften sie jeden. Sie töten Menschen. Sie tun, was auch immer sie wollen."

Während die Menschenrechtsorganisationen Human Rights Watch und Amnesty das brutale Vorgehen gegen die LGBT-Community in Tschetschenien bereits durch geheime Quellen in Russland bestätigt sehen, bestreiten sowohl russische als auch tschetschenische Behörden weiterhin sämtliche dieser Behauptungen.

"Wir wurden immer schon verfolgt, aber noch nie so wie jetzt. Jetzt verhaften sie jeden. Sie töten Menschen. Sie tun, was auch immer sie wollen", sagt der Überlebende aus dem Interview. "Sie wissen, dass sie von niemandem etwas zu befürchten haben, weil der Befehl von ganz oben kommt." Nach Hause zu seiner Familie wolle er nicht mehr – aus Angst, getötet zu werden.

Die regierungskritische Zeitung Nowaya Gaseta, welche als erstes Medium über die homophoben Verbrechen berichtete, behauptet, eine Liste von mittlerweile mehr als 30 getöteten Homosexuellen Tschetschen*innen zu besitzen. Darüber hinaus wüsste sie von mindesten zwei geheimen Foltergefängnissen.

Obwohl Tschetschenien eine autonome Republik in Russland ist und Homosexualität in Russland nicht verboten ist, werde das geltende Recht laut der Zeitung nicht eingehalten. Präsident Kadyrow behauptet hingegen, dass diese Vorwürfe zwar nicht neu – dieselben Anschuldigungen kämen zwei- bis dreimal jährlich –, aber wie jedes Mal falsch seien. Putin stellte sich auf seine Seite: "Die Betroffenen haben sich dazu entschieden, anonym zu bleiben, weil die Anschuldigungen nicht wahr sind", habe er in einem Gespräch mit Kadyrow gesagt.