Nur weil in Deutschland alle Menschen ihre Meinung offen sagen dürfen, heißt das noch lange nicht, dass wir sie immer bedingungslos tolerieren sollten. Im Gegenteil: Wer Intoleranz toleriert, sorgt dafür, dass die Toleranz insgesamt abnimmt. Was allen Menschen schadet.

Dieses sogenannte Toleranz-Paradoxon ist eine ganz einfache und logische Gleichung, aufgestellt durch den Philosophen Karl Popper, der den Begriff "offene Gesellschaft" geprägt hat. Der Hauptgeschäftsführer des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels, Alexander Skipis, hat davon offenbar noch nie gehört. Zumindest lässt sein Statement zum Umgang mit Rechten auf der Frankfurter Buchmesse genau das vermuten.

Für Objektivität spricht er sich da aus, dafür, dass man sich aktiv mit der Präsenz rechter Verlage auseinandersetzen wolle und sie deshalb auf der Messe zulasse. Stattdessen werden Besucher*innen dazu aufgerufen, sich für die eigenen Werte zu engagieren und Haltung zu zeigen. Das liest sich alles sehr edelmütig – ist aber ein so falscher und gefährlicher Ansatz, dass es weh tut. Das zeigte sich am Wochenende deutlich.

Das Problem ist zu groß, um es wegzuschieben

Drei rechte Verlage durften auf der Buchmesse ausstellen und Lesungen veranstalten. Das schaffte einige Tumulte: Unter anderem hat ein Rechter einem protestierenden Verleger bei einer Lesung der Jungen Freiheit mit der Faust ins Gesicht geschlagen. Und bei einem Auftritt von Björn Höcke gab es beinahe eine Saalschlacht zwischen Rechten und linken Aktivist*innen. Jetzt, im Nachhinein, stilisieren sich die Rechten wie so oft als Opfer. Die Verantwortlichen der Buchmesse hätten sie nicht ausreichend vor den Linken beschützt.

Die Entscheidung, den Rechten Zugang zur Messe zu verschaffen, bereut die Frankfurter Buchmesse deshalb aber nicht. Im Nachgang teilte sie mit, es sei zu Provokationen, Sachbeschädigungen und tätlichen Übergriffen "zwischen linken und rechten Gruppierungen" gekommen.

Eines muss klar gesagt werden: Es ist mitunter diese Art des Umgangs mit Rechts, die uns nun Neonazis im Bundestag beschert hat. Das Problem kleiner machen, es wegschieben, sollen doch andere das ausknobeln. Dieses ständige Verweichlichen, diese gönnerhafte Objektivität bringt nichts anderes als einen Nährboden für noch mehr Hass.

Rechtes Gedankengut ist stark, es lässt Austausch nicht zu, keinen Dialog und auch keine Toleranz. Rechtes Gedankengut ist per se ein intolerantes. Es duldet keine andere Meinung, es stärkt lediglich Abschottung und innere Mauern. Wer das zulässt, lässt auch zu, dass sich das zu einem Selbstläufer entwickelt. So hat das in Deutschland schon einmal angefangen, ein paar Jahre später war eine ganze Gesellschaft gespalten und es brauchte nur noch einen wortgewandten Diktator, um einen Weltkrieg anzuzetteln.

Gerade die Verantwortlichen der Buchmesse – eines Ortes des Tiefsinns, des Nachdenkens, der Kunst und Vielfalt – sollten genau wissen, mit welchen Methoden rechter Hass gestreut werden kann. Sie haben den Rechten eine Bühne gegeben, und damit auch mediale Aufmerksamkeit. Wodurch wollen sie das noch rechtfertigen?

Was zu beweisen war ...

"Meinungsfreiheit heißt auch, Haltung zu zeigen", schrieb Skipis in seiner Stellungnahme. Er hätte gut daran getan, selbst Haltung zu zeigen, statt die Verantwortung auf Besucher*innen abzuwälzen und so aus der Messe eine Art Kampfarena zu machen. Vor was hatte die Buchmesse Angst, als sie sich entschied, rechte Verlage zuzulassen? Vor einer Klage, ein paar Anwält*innen?

Protestierende haben es am Wochenende in Frankfurt immerhin geschafft, einige rechte Lesungen zu blockieren. Sie blieben nicht so ruhig wie die Messe-Verantwortlichen, sie haben sich engagiert und gegen das rechte Gedankengut angekämpft, das sich über die Messe zu grassieren versuchte. Nur leider wird dieses Engagement verhallen, wenn nicht die Menschen, die wirklich in der Position sind, Statements zu setzen, aktiv werden und ihre Macht nutzen.

Falls es Herrn Skipis jetzt immer noch nicht klar ist: Er ist Poppers Toleranz-Paradoxon aufgesessen.