Der Aberglaube und die Angst vor Albinismus sind in Tansania tief verwurzelt. Betroffene gelten als böse, Mütter werden dazu gedrängt, Neugeborene mit Albinismus umzubringen. Tun sie das nicht, wird das Baby als Ausgestoßenes behandelt und verliert seine fundamentalen Menschenrechte. Nicht selten wird ein Kopfgeld auf Betroffene ausgesetzt, da das Töten von Menschen mit Albinismus Glück und Reichtum bringen soll. Aus ihren Körperteilen werden dann in okkulten Ritualen Arzneitränke und Amulette gemacht.

Ähnliches widerfuhr wohl Pendo Emmanuelle, einem vierjährigen Mädchen mit Albinismus. Im Dezember 2014 wurde sie aus den Armen ihrer Mutter gerissen und verschleppt, die Polizei fand sie bis heute nicht wieder. Im Februar 2015 verschwand der 18 Monate alte Yohana Bahati, seine Mutter hatte einen Angriff mit einer Machete nur knapp überlebt. Wenige Tage später wurde Yohanas Leiche ohne Extremitäten in einem Wald wiedergefunden.

Diese Fälle sind keine Seltenheit. Die UNO berichtet, dass in den vergangenen zehn Jahren mehr als 600 teils äußerst brutalen Attacken auf Kinder und Erwachsene mit Albinismus in 28 Ländern verübt worden seien. Laut Under The Same Sun, einer gemeinnützigen Organisation, die sich für die Rechte von Menschen mit Albinismus einsetzt, ist die Erbkrankheit in Tansania besonders weit verbreitet. Während in Europa und Nordamerika etwa eine*r von 20.000 Menschen betroffen ist, ist es allein in Tansania eine*r von 1.400.

Aufgrund der Tötungen in Tansania leben heute viele Kinder mit Albinismus in staatlichen Camps. Abgeschottet von ihren Familien und dem Rest der Gesellschaft, lernen sie mit der tagtäglich Angst um ihr Leben umzugehen. In den Camps sind sie zwar in Sicherheit, müssen darin aber mit schlechten Hygienezuständen klarkommen. Hinzu kommen die gesundheitlichen Hausforderungen des Albinismus an sich. Ohne natürliche Pigmentation auf Haut und Augen haben Betroffene keinen natürlichen Schutz gegen die Sonnenstrahlung. Aus diesem Melaninmangel folgen vor allem im Gesicht starke Verbrennungen, die sich zu braunen Flecken wandeln, und langfristig das Risiko für Hautkrebs erhöhen.

Hilfe durch Bewusstseinsschaffung

Die Josephat Torner Foundation setzt sich für Menschen mit Albinismus in Afrika ein, speziell in Tansania. Ihr Ziel ist gesellschaftliche Akzeptanz und Inklusion für Betroffene. Ein kleiner Schritt in diese Richtung ist, die Sichtbarkeit der Betroffenen zu erhöhen. Ein Schritt, den auch die niederländische Fotografin Marinka Masséus geht.

Vergangenes Jahr reiste sie nach Daressalam in Tansania, um sich mit Josephat Torner und seinem Team zu treffen. Gemeinsam mit einem Mitglied der Heilsarmee organisierten sie eine Gruppe von Kindern für Marinkas Fotoprojekt. "Das Fotoshooting war eine große Herausforderung. Mittags bei drückender Hitze in einem kleinen Raum zu fotografieren, Fenster ohne Lichtschutz, ohne Ventilatoren, war sehr intensiv. Innerhalb weniger Minuten war ich bis auf die Haut durchnässt. Es war schwer, in diesen Bedingungen eine kreative Vision zu bewahren", sagt Marinka.

Die Kinder selbst waren während des ganzen Fotoshootings geduldig und ruhig, fast unsichtbar. Marinka interpretierte dieses Verhalten als schützende Gegenreaktion in einer Gesellschaft, in der sie zwar leben, aber vor der sie sich fürchten. Doch am Ende leuchteten ihre Gesichter trotzdem auf. Sie machten große Augen, als sie ihr Dankeschön in Form von Sonnencreme, langärmeligen T-Shirts und Sonnenbrillen bekamen – alles Dinge, zu denen nur selten oder gar keinen Zugang haben. Auch ihre Familien erhielten zusätzlich finanzielle Unterstützung.

Die entstandenen Fotos sollen den Menschen die Schönheit von Kindern mit Albinismus ins Bewusstsein rufen. "Ich wollte mit Absicht keine schockierenden Fotos machen, sondern Fotos, die berühren", sagt Marinka.

Am nächsten Tag besuchte sie das Mary Mother of God Center in Lamadi. Dort kümmern sich Geistliche unter der Leitung von Schwester Helena um 64 Kinder, viele davon mit Albinismus. "Sie leben hinter den dicksten und größten Stahltüren, die ich jemals gesehen habe. Damit sie sicher sind", erzählt Marinka.

Das geplante Fotoshooting vor Ort konnte Marinka allerdings nicht durchführen. Es habe sich nicht richtig angefühlt, erklärt sie. Nach der Begrüßung durch den Chor war Marinka den restlichen Tag damit beschäftigt, die Kinder zu umarmen und mit ihnen zu kuscheln. So sehr fehlte ihnen das Gefühl von Zuneigung.