350 Kilometer ist Kemal Kilicdaroglu bereits marschiert. Der Vorsitzende der größten türkischen Oppositionspartei (CHP) will durch seinen Marsch Druck auf die Regierung ausüben. Spätestens seit den Gezi-Protesten 2013 ist der sogenannte Adalet Yürüyüsü (übersetzt: Marsch für die Gerechtigkeit) die wichtigste und vermutlich auch einzig mögliche Geste des Widerstandes gegen den Staat Türkei.

Als Kilicdaroglu vor drei Wochen seinen Plan verkündete, von Ankara nach Istanbul zu marschieren, erntete er vor allem Spott. Die türkische Presse denunzierte ihn als Onkel Kemal, Präsident Recep Tayyip Erdogan tat es als eine "verzweifelte, unausgereifte Aktion" der CHP ab.

Am 15. Juni startete Kilicdaroglu mit wenigen Anhänger*innen in Ankara. Mittlerweile haben sich laut Medienberichten 10.000 Menschen angeschlossen. Obwohl das Wetter derzeit drückend heiß ist, marschiert Kilicdaroglu mit seinen Anhänger*innen für die Gerechtigkeit durch das halbe Land.

Erinnerungen an Gezi-Proteste werden wach

Ursprünglicher Auslöser war die Verurteilung des CHP-Abgeordneten Enis Berberoglu zu 25 Jahren Haft wegen Geheimnisverrats. Der Protest entwickelte sich zu einem Aufschrei gegen Massenentlassungen, Verhaftungen und die Politik des Staatspräsidenten.

Je mehr Menschen sich anschließen, desto nervöser scheint Erdogan zu werden. Für ihn wird der Marsch zunehmend zum Problem. Er hat die Demonstrierenden bereits mit den Putschist*innen vom Juli vergangenen Jahres verglichen und droht rechtliche Schritte gegen sie an.

Am Samstag sollen die Demonstrierenden in Istanbul ankommen und planen eine Endkundgebung für Sonntag. Istanbul galt schon unter Gezi als die Heimat der Opposition und Kritiker*innen. Wenn eine massenübergreifende Protestaktion in der Türkei stattfinden kann, dann in der Metropole. Das weiß auch Erdogan.

Medien ziehen bereits Vergleiche zu den Gezi-Protesten vor vier Jahren und bezeichnen den Chef der CHP als Mahatma Gandhi der Türkei. Für viele in der Türkei gilt der Marsch für die Gerechtigkeit als ein Funken Hoffnung.