Manchmal fällt es schwer zu glauben, dass diese Frau so wichtig für die Weltpolitik sein soll. Nach Trumps Wahlsieg im November 2016 erklärte die New York Times Angela Merkel zur "letzten Verteidigerin des freien Westens", schon ein Jahr zuvor war sie als Person des Jahres auf dem Cover des Time Magazine, zahlreiche Medien aus aller Welt bezeichnen sie seitdem als Führerin der freien Welt.

Und dann taucht sie bei der Gamescom in Köln auf und wirkt so unendlich nahbar und menschlich, als sie zum Gruppenfoto mit Videospiel-Charakteren gebeten wird. Die stehen fein aufgereiht auf drei Treppenstufen bereit, darunter ein abfällig dreinschauender Batman, als Angie genüsslich herbeischlurft, sich für ein paar Sekunden in die Mitte stellt und das Blitzlicht abwartet. Zum Abschied winkt sie mit beiden Händen noch einmal in die Runde und schlurft lächelnd weiter zum nächsten Programmpunkt.

Man kann von ihrer Politik, ihrer Partei, ihren Einstellungen halten, was man möchte, aber so ein Auftritt ist süß. Zumindest wirkt er auf mich so. Wenn diese 1,65 Meter große Frau mit der krummen Körperhaltung und Mundwinkeln bis zum Kinn, die ihr eine gewisse Ähnlichkeit mit Pinocchio geben, ihre Komfortzone verlässt, dann menschelt es gewaltig. Sei es bei der Gamescom oder wenn sie sich vor eingeschalteten Mikros vor der befremdlichen Apparatur einer 360-Grad-Kamera fürchtet. Wenn ihre einzige Antwort wieder mal ein ehrliches Augenrollen ist oder sie sich vor lauter Ahnungslosigkeit nicht mehr selbst zu helfen weiß. In diesen Momenten wird sie zu meiner Mama, sie wird zu allen Mamas.

Sie macht zwar nichts Besonderes, aber genau das ist es wohl, was sie für mich so süß macht. Die Frage ist nur, wie macht sie das? Ist es eiskaltes Kalkül? Wurde ihr das von ihren PR-Berater*innen antrainiert, um das rationale Wissenschaftlerinnen-Image aufzubrechen? Oder ist sie in diesem Moment authentisch? Ich hoffe Letzteres. Denn das würde sie emotional zugänglich und von einer Politikerin, die laut Klischee ohnehin nur eigene Interessen vertritt, zu einer von uns Normalbürger*innen machen.

Ein bisschen erinnert sie mich an Heinz Fischer. Für alle, die ihn nicht kennen: Er war Österreichs Bundespräsident in einer Zeit, in der man in Österreich noch nicht gefühlte 27-mal für ein- und dieselbe Wahl abstimmen musste. Aber der Heinzi, ja, der war vom selben Kaliber wie die Angie. Nicht in Sachen Macht, natürlich nicht. Aber in Sachen Süßigkeit. Wenn man Politik und Einstellung wieder außen vor lässt, bleibt ein süßer Erzähl-Opi übrig, und Augenbrauen bis zum Himmel. Er hätte mich gerne mit Geschichten in den Schlaf wiegen dürfen.

Ich kann mir nicht helfen. Obwohl sie das Gesicht der CDU ist und ich mit der Politik der CDU auf so vielen Ebenen nicht klarkomme, passieren etliche Dinge mit mir, wenn ich Angie in ihrer süßen Hilflosigkeit beobachte. Ich will sie beschützen, sie in die Wangen kneifen, ihr einen Kuchen backen. Gott sie Dank darf ich als Zugezogener bei der Bundestagswahl im September nicht wählen, denn mit diesem Gefühlschaos wäre ich dazu nicht in der Lage. Habe ich mich vielleicht in Angie verliebt?