"Einmal hin, alles drin!", "Wir lieben Lebensmittel" – Gib zu, auch du kennst diese Sprüche und kannst sie den jeweiligen Supermärkten zuordnen. Das sind Claims mit denen sich Ketten wie real und Edeka in unser Langzeitgedächtnis pflanzen.

Das Marketing des 10.000 Filialen–Discounters ALDI war im Vergleich dazu bisher zurückhaltend. Das änderte sich diesen Monat. Seit September bespielt das Lebensmittel-Unternehmen mit der "Einfach ist mehr"- Kampagne sämtliche Kanäle – Fernsehen, Radio, Kino, Plakatwände, Zeitungen.

Zur Kampagne gehören Plakat-Sprüche wie "Einfach, weil man keine 10 Zitronen-Sorten braucht, sondern einfach nur Zitronen", "Einfach, weil hier Bio-Produkte kein Luxus, sondern Standard sind" oder "Einfach, weil es keine rechtsdrehende Pasta aus dem Himalaya gibt, sondern einfach Spaghetti". Damit verknüpft das ALDI-Marketing Unbeschwertheit mit positiven Erinnerungen an die Kindheit, zum Beispiel Spaghetti mit Tomatensoße ohne großen Schnickschnack.

ALDIs Einfachheit im Leben und im eigenen Warensortiment gefällt nicht allen Kund*innen. Erstens ist Einfachheit gleichbedeutend mit fehlender Vielfalt. Nur ist die Natur nicht einfach und minimalistisch. "Es gibt eben in der Natur nicht nur eine Sorte Zitrone, Apfel oder Kartoffel", schreibt Svenja auf ihrem Blog. Statt eine Lebensmittelproduktion zu unterstützen, die Monokulturen hervorbringt, sollten wir lieber kleinbäuerliche Landwirtschaft fördern.

Ein zweiter Kritikpunkt ist, dass das einfache Essen zwar unkompliziert ist, aber nicht unbedingt gesund oder wahnsinnig inspirierend. Indem ALDI für einfache Pasta wirbt, verdirbt es die Lust auf neue und unter Umständen nahrhaftere Rezepte. Die kulinarische Bildung leidet, meint Food-Aktivist Hendrik Haase im Interview mit dem Stern. "Es werden diejenigen unter der Kampagne von Aldi leiden, die keine kulinarische Bildung erfahren dürfen oder kein Ernährungswissen haben.

Wenn man ihnen sagt 'Vergiss Käsevielfalt, wir bieten dir genau eine Sorte an' – stellvertretend für alle anderen Produkte inklusive aller Zusatzstoffe und der ungewissen Herkunft – zerstört man Vielfalt und fördert Übergewicht und Fehlernährung", sagt Haase.

Schließlich fragen sich viele Kritiker*innen noch: Was hat diese Kampagne eigentlich noch mit Lebensmitteln zu tun? Zu Werbezwecken engagierte ALDI den Rapper Fargo, der mit dem "Einfach sein" für mehr Einfachheit und Bodenständigkeit im Leben plädiert. Cooler Song und die Botschaft ist auch nicht schlecht – aber wo ist der wahre Bezug zu Lebensmitteln?

Es gibt also reichlich zu kritisieren an ALDIs neuer Werbestrategie. Doch zielt die Aufregung am Ende wohl in die falsche Richtung. ALDI ist ein Discounter und war somit noch nie Vertreter der genussvollen Vielfalt. Das würde die Lebensmittel-Kette vermutlich auch nie von sich behaupten. Die meisten Menschen, die auf die Hochwertigkeit ihrer Lebensmittel Wert legen, dürften ohnehin woanders einkaufen gehen.

Wir sollten unsere Energie lieber darauf verwenden, ein grundsätzliches Probleme anzugehen: Es gibt Menschen, die keine Zeit oder kein Geld haben, sich überhaupt aussuchen zu können, wo sie einkaufen möchten. Wenn es dieses Ungleichgewicht nicht gäbe, müsste ALDI dieses Klientel auch nicht bedienen.