Tut mir leid, ich hab's vermasselt. Ein Satz, den wohl niemand gerne sagt, sei es gegenüber Freund*innen, Kommiliton*innen oder Kolleg*innen. Und das ist okay, schließlich ist ein Fehler immer eine Situation, in der etwas nicht so gelaufen ist, wie gewollt. Dennoch tun sich manche Menschen verhältnismäßig leicht damit, Fehler einzugestehen, während andere absolut nichts zugeben können. Letztere belasten sich auf Dauer selbst. Warum ist das so und welche Gedanken sind im Umgang mit Fehlern hilfreich?

Erster Impuls: Flucht

Um diese Fragen zu beantworten, lohnt es sich nachzuvollziehen, was Fehler initial in uns auslösen können. Zunächst sei da ein Überraschungsmoment, etwas, auf das wir nicht vorbereitet waren, erklärt die Nürnberger Psychologin und Ärztin Silke Datzer. Der erste Impuls sei ein unbewusster Fluchtreflex: "Evolutionsbedingt würden wir am liebsten weglaufen und so tun, als wären wir es nicht gewesen. Wir versuchen, es von uns fernzuhalten." Aus einem Selbstschutzmechanismus heraus möchten wir es nicht wahrhaben, möchten nicht der*die Schuldige sein.

Bei der Verarbeitung kommt das Selbstwertgefühl ins Spiel. Jede Person verfügt über eine Art inneres Grundgerüst, das ihr Halt durch das sichere Gefühl gibt, sich einschätzen zu können und im Griff zu haben. Ein Fehler rüttelt daran. Wie wir dann tatsächlich reagieren, hängt, abgesehen von der Schwere des Fehlers, davon ab, wie stabil eben dieses Gerüst ist. "Da gibt es alle Nuancen bis hin zu den Personen, die selbstsicher in Richtung narzisstisch sind", so Datzer. Weniger selbstbewusste Menschen seien oft von vornherein mit einem negativen Bild von sich selbst unterwegs. Dieses Bild sehen sie beim Auftreten eines Fehlers bestätigt und seien besonders niedergeschlagen. Wer dagegen gefestigte, realistische Überzeugungen von den eigenen Fähigkeiten habe, könne Fehler leichter verkraften und sehe die Folgen meist weniger dramatisch.

Familiäre Sozialisation als Ausgangspunkt

"Die Ursachen dafür liegen im Prozess der familiären Sozialisation", sagt Michael Kletter, Psychotherapeut und Coach aus München, "Und wie dieser läuft – ob liebevoll und geduldig oder streng und strafend – das macht es aus, ob ich hinterher sagen kann, dass ich okay bin, auch wenn mal was danebengeht." Wer als Kind erlebt hat, dass ihm trotz Fehler ein Grundvertrauen entgegengebracht wird, der wird sich leichter tun, Fehler einzugestehen. Wer hingegen die Erfahrung gemacht hat, dass Fehler zu Vorwürfen und Strafen führen, wird alles dafür tun, sie zu verstecken. Denn die Person gelangt zu der inneren Überzeugung, nur dann in Ordnung zu sein, wenn alles perfekt läuft.

Will man dieses Denken durchbrechen, ist es wichtig, sich überhaupt bewusst zu machen, welche Annahmen und Erwartungen man bezüglich der eigenen Person hat, diese genau zu prüfen, zu reflektieren und sich selbst gegenüber eine Fehlertoleranz einzuräumen. "Es geht nicht darum, missionarisch eine Fehlererkenntniskultur zu entwickeln, sondern vielmehr zu akzeptieren, dass Fehler, auch wenn sie nicht stattfinden sollten, einfach zur menschlichen Existenz gehören", so Kletter.

Verdrängen kann krank machen

Diese Akzeptanz macht es einfacher, Fehler auch nach außen eingestehen zu können. Und spätestens, wenn Fehler Auswirkungen auf andere haben, ist das ratsam. Behält man sie dann für sich oder streitet sie ab, so wird sich in den meisten Fällen das schlechte Gewissen melden, zusammen mit der Angst, dass der Fehler aufgedeckt wird. Beides nimmt viel Raum im Denken und Fühlen ein. "Man muss enorm viel Kraft und seelische Energie aufwenden, die dann an anderen Stellen fehlt. Dieses System ist wahnsinnig unökonomisch", fasst Michael Kletter zusammen.

Versucht man permanent, Fehler zu kaschieren, kann sich das auch körperlich bemerkbar machen. Verdrängungsmechanismen können auf lange Sicht zu Symptomen verschiedenster Art führen, von Muskelverspannungen über Migräne bis hin zu Angstzuständen. Emotionale Stresssituationen finden immer im ganzen Menschen statt, Körper und Seele könne man da nicht trennen, so Kletter.

"Die Betroffenen schnell zu informieren ist die Variante mit den auf Dauer geringeren Kosten", sagt auch die Würzburger Psychologin und Kommunikationsexpertin Lisa Schubert. Wichtig zu bedenken sei zudem, dass man sich mit nicht kommunizierten Fehlern erpressbar machen kann und die Chance vergibt, den Fehler souverän zu klären, sollten die Betroffenen über Umwege oder im Nachhinein davon erfahren.

Perspektive wechseln

Tut man sich dennoch schwer, einen Fehler anzusprechen, kann es helfen, die Perspektive zu wechseln und sich zu überlegen, was man sich von anderen Menschen wünschen würde, die denselben Fehler gemacht hätten. Gleichzeitig kann man sich fragen, was man über jemand anderen denken würde, hätte die Person denselben Fehler gemacht. Würde man sie wirklich sofort als komplett unfähig einstufen? In der Regel seien wir mit uns selbst viel strenger als mit anderen, so Schubert.

Der Blick von außen ist generell hilfreich, um den Umgang mit Fehlern zu bewerten. Hat man bei einer Person gemerkt, dass sie Fehler vertuscht, wie sehr kann man ihren Aussagen dann noch vertrauen? Wie souverän wirkt jemand, der Ausflüchte sucht und andere beschuldigt? Wer Fehler zugeben kann, wirke nicht nur menschlich, sondern schaffe auch eine Basis für ein vertrauensvolles Miteinander: "Wenn man selbst Fehler eingesteht und sich verlässlich zeigt, dann hat das Gegenüber auch viel mehr Vertrauen und ist im Gegenzug eher bereit, Fehler ebenfalls zuzugeben", sagt Schubert. Gerade im Arbeitsumfeld sei das wichtig. "Ich bin unbedingt für eine Kultur, in der es gut möglich ist, Fehler offen anzusprechen und sehe das als eine der Hauptaufgaben von Führungskräften", erklärt Schubert.

Aus Fehlern lernen

Gibt es eine solche Kultur nicht, so ändern sich die Voraussetzungen für den Umgang mit Fehlern. Komme man beispielsweise in ein Team, in dem Fehler nicht toleriert würden, die absolute Perfektion quasi von oben verordnet werde, so sei es nicht mehr die persönliche Sozialisation, die Menschen davon abhalte, ihre Fehler zu kommunizieren, sondern reale Rahmenbedingungen, die man nicht selbst gestalten könne. Dann müsse man sich überlegen, ob man das mitmachen kann und möchte, sagt Michael Kletter. Die meisten Menschen würden das nicht lange aushalten, Unzufriedenheit und eine hohe Fluktuation seien die Folgen. Die Angst vor Fehlern könne zudem unproduktiv machen, warnt Marlene Vorrath, Business Coach aus Fürth: "Wenn ich aus Angst gar nichts mehr unternehme oder nur noch den einfachen bequemen Weg wähle, sind die Schäden gegebenenfalls größer."

Problematisch ist vor allem, dass dann der positive Effekt von Fehlern unter den Tisch fällt. Nur wenn Fehler bekannt sind, kann man Wege erarbeiten, um sie in Zukunft zu vermeiden. Analysiert man, was genau schief gelaufen ist, dann kann man aus seinen Fehlern lernen. Das gilt im Team, aber auch für jede*n persönlich. "Wir dürfen nicht vergessen, dass Persönlichkeitsentwicklung auch Ergebnis einer echt guten Arbeit mit uns selbst und unseren Erfahrungen ist", so Silke Datzer. Wenn wir uns mit Fehlern auseinandersetzen und sie annehmen, können wir das Beste aus ihnen machen.