"Wenn wir die Couch dorthin stellen, haben wir noch einen Meter Platz zum Durchlaufen, das reicht", betont mein Freund, während wir kleine Papierschnipsel hin und herschieben. Maßstabsgetreu ausgeschnitten hatten wir die Umrisse unserer Möbel, um sie auf dem Grundriss der zukünftigen Wohnung zu verteilen. Bett hier, Kommode da, und wo passt eigentlich mein Bücherregal hin?

So spannend die Planungen einer gemeinsamen Wohnung sind, so viele Kompromisse erfordern sie auch. Man muss lieb gewonnene Dinge zurücklassen und dafür das akzeptieren, was der*die Partner*in in das Pärchenleben einbringt. Einen Teil der eigenen Vergangenheit sollte man jedoch bei sich behalten. "Den Schrank, der da vorne in der Ecke steht, muss ich unbedingt mitnehmen", sage ich entschlossen. Doch diese Aussage erzeugt kein Wohlwollen im Gesicht meines Freundes. "Wie bitte? Dieses schiefe Ding? Das kannst du vergessen", entgegnet er kopfschüttelnd.

Zugegeben, hässlich ist mein Schrank wirklich. Zwei Schubladen schließen nicht richtig, da sie sich gegenseitig blockieren. Will man etwas in ihnen verstauen, muss man die Kombination kennen, in der sich die Fächer öffnen lassen. Und ein kleiner Schubs reicht, um dieses fragile Gebilde in gefährliche Schwankungen zu versetzen.

Ich fühlte mich wie das Schränkchen: ziemlich ramponiert

Aber so wacklig und zerbrochen dieses Möbelstück auch ist, es symbolisiert für mich die prägendste Zeit meines Lebens: mein Single-Dasein. Diese zwei intensiven Jahre haben sich in Herz und Hirn eingebrannt. Denn genau wie dieses Schränkchen fühlte ich mich damals ramponiert. Mein Herz war durch Zurückweisung und dem daraus resultierenden Liebeskummer so mitgenommen, dass auch ich unter einem Schiefstand litt.

In manchen Nächten, als ich vor lauter Hilflosigkeit auf dem Wohnzimmerboden heulend hin und her rollte, war es der weiße Schrank, der mich wieder aufrichtete. Während ich ihn betrachtete, erinnerte ich mich daran, wie ich seine schweren Holzteile die Treppen hoch geschleppt hatte und beim Aufbau fast verzweifelt wäre. Es war das erste Möbelstück, das ich mit eigenen Händen ganz allein zusammengeschraubt hatte. Trotz unzähliger Aufbaufehler stand das Schränkchen. Und so zerstört es während dieser Phase in mir aussah, auch ich stand noch.

Meine Single-Wohnung ist gepflastert mit Gefühlen

Diese Single-Zeit war eine Episode in meinem Leben, die ich mit sehr vielen Emotionen verbinde. Sie stecken überall an dem Ort, an dem ich durch Höhen und Tiefen ging, versteckt zwischen Deko und einer Staubschicht. Diese Erinnerungen loszulassen und in ein Leben zu zweit zu starten, fällt mir nicht ganz leicht. Ich lasse damit auch einen Teil von mir zurück.

War ich als Single nur für mich selbst verantwortlich, muss ich mich nun in Rücksichtnahme üben. Bei dem Gedanken wird mir manchmal mulmig zumute. Vergesse ich nicht einen Teil von mir, wenn ich all das hinter mir lasse? Ich lasse mein Geschirr zurück, das ich in schlechten Momenten gern an die Wand geworfen hätte. Ich lasse mein Bett zurück, das nicht nur die verschiedensten Männer aushalten, sondern auch dicke Tränen auffangen musste.

Eines lasse ich nicht zurück: mein Schränkchen

Dieses Symbol meiner Unabhängigkeit will mir mein Freund ausreden? Kann er vergessen. Das Zusammenziehen allein ist ein großer Schritt, auf den ich mich freue. Ich starte nicht umsonst in diesen neuen Lebensabschnitt, der eine große Veränderung für uns beide bedeutet. Er bringt wieder Bewegung in mein Leben, das bisher nur auf mich ausgerichtet war. Diesen Egoismus werfe ich über Bord, er fliegt in den Container, zusammen mit all dem Kram, der mich an Einsamkeit erinnert. Es ist gut, mit einem Teil der Vergangenheit abzuschließen, aber ich entscheide, wie viel ich gehen lasse.

Solange der Schrank steht, bleibe auch ich stark

Das Einzige, das ich in mein neues gemeinsames Leben wirklich mitnehmen muss, ist der schiefe Schrank. Auch, wenn er in der letzten Ecke und eingequetscht zwischen Regalen und Haushaltsgeräten stehen sollte – ich gebe ihn nicht her. Ich brauche mein Schränkchen für die Momente, in denen ich an mir selbst zweifle, in denen mir alles über den Kopf zu wachsen droht. Die Momente, in denen mein Leben knarrt und die Schrauben herauszufallen drohen. Dann schaue ich auf die schiefen Schubladen meines Lieblingsmöbelstückes und flüstere in mich hinein: Solange dieser Schrank steht, bin auch ich stark.