Die Anteilnahme nach den Angriffen in Paris ist groß. In Frankreich natürlich, in Deutschland und anderen europäischen Ländern. Aber auch in Syrien, Ägypten oder den palästinensischen Gebieten.

Klar gibt es Menschen, die auf Twitter und Facebook über die Anschläge jubeln, die sich unter anderem unter den Hashtags #باريس_تشتعل (#Paris_brennt), #تفجيرات_باريس (#Bombenanschläge _Paris) und #اعتداءات_باريس (#Angriffe_Paris) austauschen, die toten Attentäter Märtyrer nennen und sich noch mehr solcher Anschläge wünschen. Die Accounts von Extremisten werden inzwischen relativ schnell gesperrt, auch die islamistischen Twitter-Accounts, die wir gefunden haben, sind mit wenigen Ausnahmen schon deaktiviert.

Was aber bleibt sind Beileidsbekundungen vieler Muslime in sozialen Netzwerken:

Eine syrische Freundin von mir ist mit ihrer Familie vor über einem Jahr aus Homs in Syrien geflohen und lebt nun in Hamburg. Ihr Profilbild auf Facebook zeigt ihre drei Kinder, heute ist das Bild blau-weiß-rot gefärbt. Sie schreibt:

„Wir bedauern, was passiert ist. Wir hoffen, dass die Täter schnell gefasst und schwer bestraft werden. Die Menschen in Europa waren viel besser zu uns als unsere arabischen Brüder. Deswegen hoffen wir, dass diese Länder weiterhin sicher sind. Wir lehnen den Mord an jedem Menschen ab, egal ob Europäer oder Araber.“

Ein ägyptischer Freund aus Kairo meldet sich per Facebook und schreibt: "Wir sind sehr traurig darüber, was in Paris geschehen ist, aber auch darüber, was auf der ganzen Welt geschieht. Generell sagen die Menschen hier, dass die Situation nirgendwo auf der Welt gut ist und dass wir uns nicht nur auf dieses eine Ereignis [in Paris] konzentrieren sollen, sondern allen Notleidenden helfen sollten."

Er spricht damit an, was viele arabische Nutzer in sozialen Netzwerken formulieren. Einen Tag nach den Anschlägen, nachdem Beileidsbekundungen ausgesprochen und Trauernachrichten geteilt wurden, melden sich Syrer, Libanesen und andere Menschen aus arabischen Ländern mit leisen Vorwürfen: Warum zeigen Europäer eigentlich so wenig Solidarität, wenn bei uns Menschen sterben?

Motasem und Mohannad, zwei palästinensische Freunde aus Bethlehem im Westjordanland, betonen: "Wir sind gegen das, was in Paris passiert ist. Aber nicht nur in Paris, auch in anderen Ländern wie Syrien und Palästina. Wir sind schockiert, dass die Europäer Mitgefühl mit dem haben, was in Paris passiert ist, aber sie fühlen nicht mit den Palästinensern. Warum hat die Welt kein Interesse, wenn hier Menschen getötet werden, darunter viele Kinder und Frauen? Wir leben damit jeden Tag. Es tut uns sehr leid, was in Paris passiert ist und wir stehen mit dem französischen Volk. Aber wir hoffen, dass andere auch mit uns Mitgefühl haben."

Trauer in Bethlehem, Angst im Flüchtlingsheim

Auf dem Platz vor der Geburtskirche in Bethlehem fand gestern eine Trauerkundgebung statt:

Anderen Muslimen ist wichtig, dass nun nicht der Islam als Religion in Verruf gerät.

Unter dem Hashtag #NotInMyName distanzieren sich auf Twitter im Moment Muslime vom IS und Islamisten. Der Hashtag wurde 2014 für eine Kampagne der Active Change Foundation genutzt, die auch ein Video veröffentlichte – jetzt ist er wieder aktuell.

Ein syrischer Freund, der mit seiner Frau und fünf Kindern seit zwei Monaten in einem Flüchtlingsheim in Hamburg lebt, betont genau das:

„Glaube mir und lass die ganze Welt wissen, dass die Mehrheit der Syrer friedlich ist und ein friedliches Leben führen möchte.“

Und er spricht eine Befürchtung aus, die auch unter Deutschen schon länger die Runde macht: Dass nämlich einige Flüchtlinge vor kurzem noch für extremistische Gruppen gekämpft haben und auch jetzt, da sie in Deutschland sind, noch Kontakt zu diesen Gruppen halten.

Dass der Terror, vor dem sie geflohen sind, nach Europa kommt, davor haben nicht nur die Flüchtlinge aus arabischen Ländern Angst. Welche Reaktion auf die jüngsten Angriffe folgt, davor fürchten sich manche Menschen in arabischen Ländern aber ebenso wie vor dem einheimischen Terror. Ein ägyptischer Freund formuliert es so:

„Es ist sehr schwer geworden für uns.

Was es bedeutet, jeden Tag mit der Angst muslimischen Extremisten zu leben, das wissen die Menschen in Syrien, im Libanon oder Ägypten am besten. Sie kennen aber auch die Angst vor russischen oder amerikanischen Bomben.

Letztendlich bleibt nur: