Einmal im Jahr muss der US-Präsident vor den Kongress treten und seine Politik rechtfertigen. Die sogenannte State of the Union Address, die Rede zur Lage der Nation, dient dem mächtigsten Staatsoberhaupt der Welt gleichzeitig dazu, öffentlichkeitswirksam visionäre Gedanken zu formulieren.

Gestern Abend hielt Barack Obama diese wichtige Rede zum letzten Mal, bei der nächsten Wahl kann er nicht mehr antreten. Von Gleichgültigkeit oder Ausgebranntheit war aber nichts zu spüren, im Gegenteil. Schon auf Twitter verkündete er:

Kraftvoll beschwor Obama in seiner einstündigen Rede die Bedeutung der USA ("Amerika ist die stärkste Nation der Welt, Punkt."). Er wetterte gegen Anti-Islam-Stimmung im Land ("Wenn Politiker Muslime beleidigen, ob hier oder anderswo, wenn eine Moschee mutwillig zerstört wird oder ein Kind gemobbt wird, macht uns das nicht sicherer"). Und er träumte von mehr wissenschaftliche Errungenschaften in der Zukunft ("Lasst uns Amerika zu dem Land machen, das Krebs ein für alle Mal besiegt").

Obwohl Präsident und Kongress immer miteinander ringen – Obama hatte es beispielsweise schwer, seine Gesundheitsreformen und eine Verschärfung der Waffengesetze vom Kongress absegnen zu lassen –, verlief der Abend ausgelassen; immer wieder gab es Szenenapplaus, auch aus den Reihen der Republikaner.

Ein Feuerwerk im Social Web

Die Social-Media-Verantwortlichen des Weißen Hauses um Digital-Strategen Jason Goldman nutzten Obamas Auftritt, um ihr eigenes Statement zu setzen und ihre Vorreiterrolle auch im Bereich der politischen Nutzung von Social Media zu behaupten. First Lady Michelle Obama führte auf Facebook live durchs Oval Office. Auf Twitter zeigte sich Obama noch kurz vor seinem Auftritt.

Zudem füllten die Social-Media-Experten des Weißen Hauses fleißig ihren neuen Snapchat-Account (Nutzername: whitehouse). Den hatten sie erst einen Tag zuvor  gestartet, um das Event zu begleiten. Nicht nur dokumentierten sie die Anfahrt des Präsidenten ...

... zum ersten Mal fand eine Pre-Show zur State of the Union statt, von der sie berichteten. Die Show mit Live-Publikum wurde im Web übertragen, US-Schauspieler Terrence J moderierte, Vize-Präsident Joe Biden eröffnete mit einem fast viertelstündigem Pathos-Talk ("Wenn wir gut sind, wird der Rest der Welt besser.") ...

... und dann gab's auch noch Musik: The-National-Frontmann Matt Berninger stand mit seiner neuen Band El Vy auf der schmalen Pre-Show-Bühne. Und auch Rapper Wale war dabei – nicht nur, um Selfies zu schießen ...

... sondern auch, um die Live-Zuschauer zum Tanzen zu bringen. Die komplette Pre-Show findet sich seit wenigen Stunden zum Nachsehen auf Youtube.

Kurz vor Obamas Auftritt band Terrence J auch noch mal das Publikum mit ein und fragte nach den Themen, die den Zuschauern am Herzen lag. Die Antworten reichten von Flüchtlingen, über Drogenprävention bis zu Zugang zu Bildung.

Möglicherweise sehen die Social-Media-Strategien ja irgendwann mal vor, dass das Publikum vorab über die Themen abstimmt, die der Präsident in seiner Rede der Nation ansprechen soll. Es ist dem Social-Media-Team zuzutrauen.