Eine Doktorarbeit abgeschlossen zu haben, ist ein Erfolg, keine Frage. Immerhin hat sich der*diejenige in den meisten Fällen drei bis fünf Jahre intensiv mit einem Thema beschäftigt. Aber warum bitte geben Leute ihren Doktortitel auf Klingelschildern und in Pässen an? Mir fällt kein anderer Grund ein, als das eigene Ego aufzupolieren. Der Doktortitel gehört schließlich nicht zum Namen. Das haben Bundesverwaltungsgericht und Bundesgerichtshof 1957 und 1962 eindeutig geregelt. Der Doktorgrad ist anders als ererbte Titel wie Fürstin oder Freiherr nicht Teil des bürgerlichen Namens.

Auch wenn das oft verwechselt wird, ist er streng genommen auch kein Titel, sondern ein akademischer Grad – so wie der Master oder Diplom-Ingenieur*in. Auf diese akademischen Grade kann jede*r von uns doch wohl genauso stolz sein. Die werden aber nicht im Pass angegeben. Professor*in kann nicht im Pass stehen, weil es sich um eine Amtsbezeichnung handelt.

Der Doktortitel ist der einzige akademische Grad in Deutschland, der seit 1988 im Pass stehen darf. Warum ist ein Doktortitel die einzige akademische oder berufliche Errungenschaft, die so wichtig ist, dass man sich damit im eigenen Pass schmückt? Oder auf dem Klingelschild – um zu betonen, dass man besonders schlau ist, damit die Nachbar*innen beeindruckt sind?

Doktor*in ist nicht gleich Doktor*in

Angegeben wird der Doktortitel in Pässen immer nur verkürzt mit Dr., auch wenn der verliehene Grad üblicherweise Dr. mit der lateinischen Fachrichtung lautet – also zum Beispiel Dr. rer. nat. für eine*n Doktor*in der Chemie oder Dr. jur. für Jurist*innen. Die Fachrichtung und die tatsächliche Leistung treten zurück hinter der gesellschaftlichen Eitelkeit, sich mit einem Doktortitel schmücken zu können.

Und die Fassade bröckelt: Mediziner*innen-Dissertationen haben einen schlechten Ruf. Deutsche Doktor*innen der Medizin schneiden im internationalen Vergleich schlecht ab. Seit Jahren wird das schon kontrovers diskutiert. Im Frühjahr dieses Jahres forderte Bertram Otto von der Bundesvertretung der Medizinstudierenden in Deutschland (BVMD) ein sogenanntes Berufsdoktorat in Deutschland einzuführen. Wer das Medizinstudium abschließt, würde automatisch ein*e Doktor*in. Wer darüber hinaus noch die Wissenschaft voranbringen wolle, solle einen anderen Doktorgrad erhalten, der auch international anerkannt sein sollte.

In Pässen und auf Klingelschildern braucht das auch nicht stehen. Noch dazu bildet Deutschland mit dieser Praxis auch die Ausnahme – nur in wenigen anderen Ländern wird mit akademischen Titeln so geprahlt, zum Beispiel in Österreich und Tschechien. Ansonsten ist das international völlig unüblich. Im Ausland wird das Dr. da schnell für die Anfangsbuchstaben des Nachnamens gehalten, denn auf der ganzen Welt kennen Mitarbeiter*innen auf Flughäfen oder an Grenzposten diesen Eintrag nicht. Auch gut möglich, dass bei einem medizinischen Notfall im Flugzeug das Personal denkt, jemand könnte helfen, weil Dr. im Reisepass steht – aber als Historiker*in natürlich mit einem Herzinfarkt heillos überfordert ist.

Ein Abschaffungsversuch scheiterte bereits

2013 wollten die Grünen diese Praxis abschaffen, unter anderem mit der Begründung, dass sie im Ausland für Verwirrung und Verwunderung sorgt. SPD und Linke stimmten dem Antrag zu, das Vorhaben scheiterte aber an CDU und FDP. Dabei hat das Ansehen des Doktortitels doch gerade durch die Plagiate von CSU-Politiker Karl-Theodor zu Guttenberg und von CDU-Politikerin Annette Schavan gelitten.

Jedes Mal, wenn ich zum erstem Mal eine*n Doktor*in kontaktiere, frage ich mich, wie die*derjenige angesprochen werden möchte – das verlangt ja die Höflichkeit. Aber warum eigentlich muss es so kompliziert sein? Schluss mit diesen irrsinnigen Verwirrungen! Schafft endlich den Doktortitel auf Klingelschildern und in Pässen ab!