P. und ich waren schon einige Monate zusammen. Sehr lange war alles sehr prima gewesen. Doch mittlerweile klemmte irgendetwas zwischen uns. Mir kam es zuweilen so vor, als wäre P. mit angezogener Handbremse in unserer Beziehung unterwegs. Und jetzt erklärte er mir endlich, warum.

An die genaue Wortwahl kann ich mich nicht mehr erinnern. Ich glaube, ich war zu sehr damit beschäftigt, trotz innerer Fassungslosigkeit verständnisvoll und cool zu wirken. In jedem Fall erklärte mir P., dass er nicht mehr wisse, ob das noch das Richtige sei mit uns beiden. Seine Gefühle, nun ja, die seien nicht mehr so stark.

Die klare Situation wurde vertrackt

Und das nach nur ein paar Monaten. Ich hätte am liebsten losgeweint, stattdessen versuchte ich mein neutralstes Gesicht aufzusetzen und die aufkeimende Panik zu unterdrücken. Ich fand P. nämlich großartig. An meinen Gefühlen bestand kein Zweifel. P. durfte mich nicht verlassen.

Das tat er auch nicht. Er hatte zwar irgendwie theoretisch Schluss gemacht, aber gegangen war er auch nicht. Ob aus Feigheit oder Unsicherheit? Das war mir zu dem Zeitpunkt egal, Hauptsache er war noch da. Es schien, als würde er nun von mir erwarten, auf seine Aussage zu reagieren, sie als Herausforderung anzunehmen. Und so wurde aus einer eigentlich doch klaren Situation eine vertrackte.

"Nein-Sager" vs. "Ja-Sager"

In Beziehungen, das erzählt einem jede*r Paartherapeut*in, hat der*die "Nein-Sager*in" zwar die Macht, aber das heißt trotzdem nicht, dass man diesem Nein nicht bereit ist, etwas entgegenzustellen. Denn ein Nein inmitten einer Beziehung ist zu schmerzhaft. Lässt es sich nach einer Affäre noch verschmerzen, fällt es einem in einer Beziehung so richtig schwer. Denn man hat sich gemeinsam etwas aufgebaut. Zuneigung, Intimität, gemeinsame Erlebnisse. Ein Nein fühlt sich an wie eine unnötige Vollbremsung in voller Fahrt.

Der Gedanke liegt also nahe, dass sich die Beziehung doch irgendwie retten lassen müsse – wie eine Glut, in die man nur ordentlich hineinpusten muss, um das Feuer wieder zum Leben zu erwecken.

So ging es mir zumindest mit P. Ich hörte ihm geduldig zu, während ich innerlich anfing, die Säbel zu wetzen. Mein romantischer Überlebensinstinkt war geweckt. Nicht genug Gefühle? Dann müsste ich ihm wohl einfach nur deutlicher machen, was er an uns hatte. Was er an mir hatte. Ihm würde gar nichts übrig bleiben, als sich zurückzuverlieben. Ich würde es ihm schon zeigen.

Der Kampf um die Liebe

Statt mich geschlagen zu geben, diese Art der Wortwahl hätte mir schon zu denken geben müssen, fing ich also an, zu investieren. Ich tat alles, um ihn wieder von mir zu überzeugen: Ich war ständig auf Abruf, nie genervt, immer zurechtgemacht, jeden seiner Wünsche antizipierend, und so aufmerksam und interessiert, wie ich nur sein konnte.

Ich stand natürlich auch ständig unter Strom. Eine ausgeschmückte Version seiner selbst zu geben, ist nämlich anstrengend. Auf Dauer fühlt man sich wie ein alternder Zirkusgaul, der sich permanent schon vor dem nächsten Hindernis fürchtet.

Aber mit solch einer Liebesrettungsaktion bin ich nicht alleine. Ich kenne dutzende solcher Geschichten aus dem Bekanntenkreis. Verzweifelte Versuche, die andere Person doch wieder von sich zu überzeugen.

Tja, im Zustand der Gefühlsschräglage versuchen wir eben, über uns hinauszuwachsen. Aber Liebe kann man nicht herbeiargumentieren. Es gibt keine funktionierende Rhetorik des "So lieb mich doch".

Hollywood-Liebe

Das Problem ist nur, dass wir eben gelernt haben, dass es funktioniere. Dass man um die Liebe kämpfen kann. Und siegen. Wie in Filmen, wo ein zunächst verschmähter Charakter bahnbrechende Liebe deklariert und dabei erhört wird. Zungenkuss und Happy End. So hoffen auch wir auf einen solchen Heureka-Moment. Liebe, so verstanden, ist wie ein Erkenntnisgegenstand, der nur richtig erklärt werden muss, um angenommen zu werden.

Wir möchten den*die andere*n also von uns überzeugen, sind dabei in der Regel aber so überzeugend wie ein stummer Fisch. Man muss sich die Situation einfach nur mal mit vertauschten Rollen vorstellen, um zu merken, dass man auf dieser Welt niemanden überreden kann, Gefühle zu entwickeln. Würden wir uns selbst von so einer Liebesbalz beeindrucken lassen? Oder würden wir die Situation nicht vielleicht eher als tragisch, im schlimmsten Fall komplett nervig empfinden?

Wenn jemand nicht mehr will, weil ihm*ihr die Gefühle nicht mehr reichen, sollte man ihn*sie also ziehen lassen. Denn eine Gefühlsschräglage kann man nicht kippen wie eine Wippe auf dem Spielplatz. Der*die "Nein-Sager*in" ist immer stärker. Außerdem, und das ist zwar nicht wissenschaftlich, aber trotzdem empirisch belegt: Gehenlassen ist die wirklich einzige Möglichkeit, dem*der anderen zu zeigen, dass da vielleicht doch noch Gefühle sind.