Der Aufenthalt im Krankenhaus ist immer hart. Ein bisschen besser wird es, wenn das eigene Haustier zu Besuch kommt und die gewohnte Zuneigung gibt. Aber nur wenige Krankenhäuser nutzen diesen heilenden Einfluss. Die Liebe, die Haustiere ihren Besitzer*innen entgegenbringen, ist wertfrei und unbefangen – und sie endet auch nicht, wenn ihr Mensch im Krankenhaus liegt. Die Haustierliebe ist Balsam für die menschliche Psyche. Wenn die eigene Katze zufrieden im Krankenhausbett schnurrt oder Bello mit seiner Hundezunge duldsam versucht gesundzulecken, dann tosen die Glücksgefühle.

Die Interaktion mit Haustieren kann Vitalwerte stabilisieren, Stress abbauen, beruhigen und sogar Schmerzen lindern. Und manchmal tut das so gut, dass sie sich positiv auf das physische Wohlbefinden auswirkt. Trotzdem nutzen Ärzte im Krankenhaus nur selten den heilenden Einfluss der hauseigenen Vierbeiner.

Das will die kanadische Stiftung Zachary's Paws For Healing (ZPFH) ändern. Sie ermöglicht Patient*innen Krankenhausbesuche der eigenen Haustiere. Die Stiftung ist Zachary Nobel gewidmet, einem jungen Kanadier, der mit einer aggressiven Form des Hodgkin-Lymphoms diagnostiziert war. Sein Rauhaardackel Chase erleichterte ihm die Zeit im Krankenhaus, brachte ihn zum Lachen, er machte sich weniger Sorgen. Den Kampf gegen den Krebs gewann Zachary nicht. Doch die Zeit mit Chase verschönerten ihm seine Tage so sehr, dass ihm seine Tante vor seinem Tod im November 2014 versprechen musste, eine Stiftung zu gründen. Damit andere Patient*innen dieselbe Chance bekommen. Sie erfüllte ihm den Wunsch.

Auch die Tiere profitieren

Der erste Haustierbesuch fand am 15. September 2015 im Juravinski Krankenhaus in Hamilton, Kanada statt. 2017 wird ZPFH an allen sechs Krankenhäusern in Hamilton Haustierbesuche durchführen.

Die Besuche helfen andersherum auch den Tieren bei ihren Trennungsängsten. Die können beim Haustier zu Schlafstörungen und gestörtem Essverhalten führen. Vor allem wenn ihr Mensch ein stationärer Langzeitpatient ist, leiden die Tiere. "Haustiere haben kein Zeitempfinden. Sie können Stunden damit verbringen, traurig in die Leere zu starren und darauf zu warten, dass ihr Mensch wieder zurückkommt. Wenn sie ihn im Krankenhaus endlich wiedersehen, sind sie erleichtert, dass sie nicht verlassen wurden", sagt ZPFH-Gründerin Donna Jenkins.

Wie glücklich Haustiere ihre Menschen machen, zeigen die folgenden Beispiele aus dem Juravinski Krankenhaus.

Andy und Georgia

Mit 99 Jahren landete Andy nach einem Sturz im Krankenhaus. Er hatte große Schwierigkeiten zu laufen und war die meiste Zeit auf die Hilfe eines Rollstuhls angewiesen. Seinem betreuenden Arzt erzählte er von seinen zwei Wünschen: Er wollte seinen 100. Geburtstag erleben und seinen Hund, Georgia, sehen. Eine Krankenschwester kontaktierte ZPFH. Als Andy einige Tage später seinen Hund sah, stand er das erste Mal wieder selbstständig auf, packte seine Gehhilfe und trottete den Flut entlang seinem Hund entgegen.

Jules & Hayden

Jules Haustierbesuch kam zufällig zustande. Donna Jenkins war gerade vor Ort, als sie die 18-Jährige entdeckte. Seit eineinhalb Monaten war Jules bereits in ihrem Krankenhausbett, während zu Hause zwei Cocker Spaniel auf sie warteten. Jenkins und ihr Team brachten einen davon, Hayden, am nächsten Tag zu ihr. Ihre Mutter meinte, dass Jules das erste Mal nach 42 Tagen wieder lächelte und sogar aufhörte, über Schmerzen zu klagen. Schon einige Tage später konnte die Patientin entlassen werden.

Stephanie und Luna

Stephanies hatte Krebs im Endstadium. Ihr Onkologe gab ihr nur noch wenige Tage zu leben. Die wollte Stephanie nutzen, um sich zu verabschieden: von ihrer Familie, ihren Freunden, dem Krankenhauspersonal – und von ihrem Pferd, Luna. Der behandelnde Arzt erklärte ihr, dass das nicht möglich sei, der Aufwand wäre zu groß. Doch Stephanie ließ nicht locker, sie wollte sich unter allen Umständen verabschieden. Um ihr den Wunsch zu erfüllen, arbeitete ein ZPFH-Team gemeinsam mit Sicherheits- und Transportkräften sowie Physiotherapeuten zusammen. Sie brachten das Pferd vor das Krankenhaus, wo Stephanie und Luna unter Aufsicht der Experten Zeit hatten, sich zu verabschieden. Stephanie verstarb 22 Stunden nach dem Besuch.

In Deutschland sind Krankenhausbesuche von Haustieren nicht üblich. Aber: "Geht nicht, gibt's nicht", sagt Prof. Dr. Chaberny, Direktorin des Instituts für Hygiene/Krankenhaushygiene am Universitätsklinikum Leipzig. Seien ausreichend Sicherheitsvorkehrungen gegeben, das Tier nachweislich gesund und erzogen, dann wären die Besuche nicht unmöglich. "Aber es ist eben mit großem Aufwand verbunden. Begibt sich jemand in die Obhut einer medizinischen Einrichtung, hat diese eine Fürsorgepflicht", sagt Chaberny. "Der behandelnde Arzt muss in jedem Fall individuell abwiegen, ob ein Haustierbesuch vernünftig und sinnvoll ist. Und ob die Fürsorgepflicht für alle anderen Patienten gewährleistet bleibt."

Dabei spielen mehrere Umstände eine Rolle. Leiden Menschen unter Tierhaarallergien, reicht ein einzelnes Haar aus, um die Allergie bei den ohnehin schon geschwächten Patient*innen zu triggern. Was, wenn das Tier im Krankenhaus durch die Lappen geht, sich in der Ecke erleichtert, oder Bakterien von draußen mitbringt? Es gilt etwaige Gefahren gegen das Genesungspotenzial abzuwägen. Laut Chaberny können gerade Vögel Infektionskrankheiten wie Chlamydien auf den Menschen übertragen und so Fieber, Kopfschmerzen oder eine Lungenentzündung auslösen.

Nach der Gewöhnung wird geknuddelt

Jenkins versichert, dass alle Mitarbeiter von Zachary's Paws For Healing mit den jeweiligen Richtlinien vertraut seien. Sie würden die Sicherheitsverfahren sowie die Vertraulichkeits- und Infektionsprotokolle der Krankenhäuser kennen. Zudem seien sie mit dem Sozialverhalten von Tieren vertraut. Vor einem Tierbesuch werden die Vierbeiner vor Ort einer Kontrolle unterzogen. Sind sie sauber, gesund und entspannt, kann der Besuch losgehen.

Um keinen unmittelbaren Kontakt zu allergischen oder ängstlichen Patient*innen herzustellen, werden die Tiere anschließend in einer abgedeckten Gitterbox zum Lieblingsmenschen gebracht. Ein Warnhinweis an der Zimmertür informiert alle Krankenhausbesucher über den Besuch. Die ZPFH-Mitarbeiter bleiben die gesamte Zeit im Raum und achten darauf, dass alle Protokolle eingehalten werden. Zwischenfälle gab es bisher keine.

Die Erfahrung zeigt: Egal welche Spezies, ob Katze, Hund oder Pferd, alle reagierten auf dieselbe Weise. Nachdem sich die Tiere an die fremden Gerüche und Geräusche im Krankenhaus gewöhnt hatten, wollten sie nur noch knuddeln, gestreichelt werden und mit ihrem Menschen Zeit verbringen. Selbst wenn sich keine physische Genesung einstellt, macht das Wiedersehen mit dem Haustier allerwenigstens glücklich, gibt ein Gefühl von Vertrautheit und Zuneigung im ansonsten viel zu grauen Krankenhausalltag.